"Landesschulräte abschaffen!"

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Dienstag dieser Woche wurde im Nationalrat der Rechnungshofbericht über die ÖBB-Pensionen debattiert. Josef Moser, seit 2004 Rechnungshofpräsident, kennt die Bundesbahnen als ehemaliger Vorstands-Manager nur zu gut. Im Interview spricht er über Österreichs föderale Struktur, Anachronismen bei den ÖBB - und die Rolle seiner Institution.

Die Furche: Durch den EU-Beitritt 1995 ist in Österreichs föderaler Ordnung eine weitere verfassungsmäßige Ebene eingezogen worden, aber nichts weggekommen. Wie könnte man das Kompetenzgestrüpp lichten, beziehungsweise was ist überhaupt zu tun, um die Staatsstruktur den heutigen Bedingungen anzupassen?

Josef Moser: Die föderale Struktur Österreichs ist in der Verfassung von 1920 festgelegt. Das zu ändern ist nicht das Thema. Man muss aber überlegen, auf welcher Ebene man welche Aufgabe optimal erledigen kann und wie diese Aufgaben mit der Finanzierungsverantwortung zusammengeführt werden können. Österreich hat das Problem, dass der eine diese Aufgaben wahrnimmt und der andere die Ausgaben tätigt. Im Personennahverkehr machen die Länder die Angebotsplanung und der Bund zahlt die Rechnung, ohne die Möglichkeit zu haben nachzuschauen, ob alles übereinstimmt. Ähnlich bei den Lehrern: Sie werden vom Bund bezahlt, die Dienstaufsicht üben die Länder aus. Deshalb wäre der Weg, die Bezirks- und Landesschulräte aufzulassen, ein erster Schritt.

Die Furche: Bei der Pensionsregelung gibt es die Kontroverse, wann der Gesetzgeber auf die demografische Entwicklung reagiert, um die Altersversorgung insgesamt zu sichern. Wären Sie für eine Erhöhung des Pensionseintrittsalters?

Moser: Dadurch, dass der Bund für die Bundesbeamten die Pensionsreform bereits durchgeführt hat, ist die Eigenfinanzierung, also die Finanzierung des Systems schon bei 80 bis 85 Prozent angelangt. Das war ein massiver Schnitt. Im Landesbeamtenrecht wurde der Weg auch schon eingeschlagen, aber man muss beim Benchmarking feststellen, wer bereits Reformen gesetzt hat, wer noch hinten ist und folgen soll, um größeren finanziellen Spielraum zu schaffen. Man braucht dabei im Vergleich mit den Ländern nicht den Bund als Beispiel hernehmen, sondern muss zwischen den Ländern vergleichen. Niederösterreich hat eine solche Pensionsreform durchgeführt. Im Vergleich von Niederösterreich zu anderen Bundesländern zeigt es sich, dass dort noch ein Volumen im Beamtenbereich vorhanden wäre, um Geld beispielsweise für Mindestsicherung und Pflege frei zu bekommen.

Die Furche: Also Niederösterreich ist das gute Bundesland, und die anderen?

Moser: Wir haben auch schon die Daten für Salzburg und Burgenland veröffentlicht, und alle anderen werden folgen. Wir werden am Ende einen Gesamtvergleich machen, wie die neun Bundesländer ihre Pensionsregelungen gestaltet haben, wieweit sie von einander und allenfalls auch vom Bund abweichen.

Die Furche: Das soll wie ein moralischer Druck wirken?

Moser: Es wurde mit dem Bund im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen vereinbart, dass die Länder bis zum Jahr 2009 diese Harmonisierung durchführen werden. Ich gehe davon aus, dass diese Vorgabe eingehalten wird.

Die Furche: Das gilt für die Bundesländer, müsste aber auch für die ÖBB gelten. Stattdessen rechnen Sie, dass dort allein durch Pensionen vier Milliarden Euro unnötigerweise aufgebraucht werden.

Moser: Das ist richtig. Erstens gibt es ein anachronistisches Nebenbezugspauschale, das man in die Bemessungsgrundlage der Pensionen hineingenommen hat. Diese Erhöhung der Bemessungsgrundlage führte dazu, dass bis zum Auslaufen dieser Regelung 1,2 Milliarden Euro Mehrkosten entstehen könnten. Und zweitens wurde im Jahr 1997, als die Reform durchgeführt wurde, beschlossen, dass ab 2003 der Nebengebühren-Durchschnittssatz von zehn auf 15 Prozent angehoben wird. Wenn man die Leistungen der ÖBB-Bediensteten überprüft, stellt sich nicht nur heraus, dass schon die zehn Prozent dieses Durchschnittssatzes sehr hoch waren. Jetzt wird er noch einmal erhöht. Das ist eine Regelung, der keine Leistung zugrunde liegt, die sich aber von 2003 bis 2020 finanziell deutlich ausweiten wird. Es wäre also notwendig, diesen Durchschnittssatz zu beseitigen und die tatsächlichen Leistungen als Grundlage der Pensionsregelung zu nehmen. Diese Empfehlung hat der Rechnungshof gemacht. Ob sie umgesetzt wird, ist Sache des Unternehmens und des Eigentümers.

Die Furche: Es scheint so zu sein, dass wesentliche Reformen überhaupt nur dort gelingen, wo der Kostendruck zu stark wird und wie eine Peitsche wirkt. Die Vernunft reicht nicht dazu?

Moser: Dadurch, dass die Anforderungen in einem globalisierten Umfeld höher werden, müssen auch Maßnahmen getroffen werden. Das geschieht auch, beispielsweise durch die 15a-Vereinbarungen bei der Mindestsicherung. Beim Finanzausgleich hat man auch schon die Harmonisierung der Pensionsregelungen der Länder vorgesehen. Es sind also Schritte da, um das Machbare durchzuführen. Ich würde keinesfalls sagen, dass das Bewusstsein nicht da wäre. Gerade die Maßnahmen der letzten Jahre - die Pensionsreform, Verwaltungsreform und dergleichen - zeigen, dass etwas getan wird. Aber es ist ein permanenter Prozess. Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben ist noch immer da, sie macht ein Prozent pro Jahr aus. Sie sollte durch ein ausgeglichenes Budget geschlossen werden.

Die Furche: Sie sind jetzt fast vier Jahre im Amt, die Funktionsperiode dauert zwölf Jahre. Wagen Sie es, anzunehmen, dass am Ende dieser zwölf Jahre Substanzielles in Richtung Verwaltungsreform passiert ist, nicht zuletzt durch den Rechnungshof?

Moser: Der Rechnungshof ist ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie und ich glaube, dass die Reputation des Rechnungshofes eine sehr gute ist. Er wird immer mehr gehört, wenn es um Reformen geht. Ich gehe davon aus, dass die Empfehlungen des Rechnungshofs größtenteils auch in Zukunft umgesetzt werden. Wenn das eintritt, wird Österreich noch wettbewerbsfähiger und moderner.

Das Gespräch führte Engelbert Washietl.

Österreichs oberster Wirtschaftsprüfer

Es vergeht keine Woche, ohne dass sich der Rechnungshof in die politische Debatte einschaltet. Das hat gute Gründe: Politik ist weitgehend Wirtschaft geworden, und in der Wirtschaft wird härter gerechnet als in Partei- und Ministerbüros. Rechnungshof-Präsident Josef Moser steht bereits am Ende seines fünften Amtsjahres. Er legt es darauf an, den Rechnungshof nicht bloß als Buchhalter, sondern als Wirtschaftsprüfer ins Spiel zu bringen, und offenbar ist ihm das weitgehend gelungen. Leider heißt das noch lange nicht, dass seine im August 2007 präsentierten Positionen zur Verwaltungsreform - aus 206 Einzelvorschlägen bestehend - in die Realität umgesetzt wären. Die Verwaltungsreform ist seit dem Scheitern des dafür einberufenen Konvents zu einem "Prozess" geworden. Der am 6. Oktober 1955 in Lienz geborene Josef Moser wurde 2004 mit den Stimmen der damaligen ÖVP-FPÖ-Koalition mit Wirkung vom 1. Juli 2004 zum Präsidenten des Rechnungshofs gewählt. Der Jurist besuchte das theresianische Militärgymnasium in Wiener Neustadt, war 1992-2003 FPÖ-Klubdirektor und anschließend Manager im ÖBB-Vorstand. Die Bundesbahn, die er beruflich von innen kennt, ist ein ständiges Objekt seiner Tätigkeit als Rechnungshof-Präsident. Am Dienstag dieser Woche wurde im Rechnungshof-Ausschuss des Nationalrates der RH-Bericht über die ÖBB-Pensionen behandelt, die das Bundesbudget mit 1,4 Milliarden Euro (2006) belasten. Tendenz steigend.

Engelbert Washietl

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