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Landwirtschaft im Großraum

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Immer wieder wird die Frage gestellt, was sich Österreichs Land- und Forstwirtschaft von einer Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erwartet und wie sie sich Im Rahmen einer solchen Regelung behaupten würde. Diese Frage ist berechtigt, denn die österreichische Land- und Forstwirtschaft hat sich an den intensiven Verhandlungen mit Brüssel beteiligt und um die Klärung der Voraussetzungen eines Vertrages mit der EWG bemüht. Die Öffentlichkeit muß annehmen, daß die Land- und Forstwirtschaft durch die Erwartung von Vorteilen zu einer solchen Haltung angeregt wurde.

Die Integration Europas ist derzeit so verwirklicht, daß Westeuropa in zwei wirtschaftliche Gruppierungen zerfällt, in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Freihandelszone (EFTA). Österreich gehört — aus Gründen, die allgemein bekannt sind — der Europäischen Freihandelszone an. Auf Grund seiner natürlichen Gegebenheiten und der regionalen Situation ist aber Österreichs Wirtschaft eng mit der der EWG-Länder verknüpft.

Aus der Sicht der österreichischen Landwirtschaft unterscheiden sich EWG und EFTA vor allem in zweifacher Weise:

Nach den Bestimmungen des EFTA-Über-einkommens sind die wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte nicht dem Zollabbau unterworfen, der für gewerblich-industrielle Produkte im wesentlichen bereits abgeschlossen ist, und es besteht wenig Aussicht, in der EFTA einen aufnahmefähigen Markt für die wichtigsten Exportprodukte der österreichischen Landwirtschaft, nämlich Vieh und Fleisch, zu finden. Von den österreichischen Agrarexporten sind im Durchschnitt der letzten sechs Jahre 15 Prozent in die EFTA gegangen.

Die EWG hingegen hat die Landwirtschaft voll in die Integration mit einbezogen. Sie ist eben dabei, die letzten Handelsschranken zwischen den Mitgliedsländern für alle wichtigen Agrarprodukte zu beseitigen und für ihren ganzen Bereich die Verhältnisse eines landwirtschaftlichen Binnenmarktes zu schaffen. Sie hat die nationalen Agrarordnungen In wesentlichen Teilen, vor allem hinsichtlich der Märkte, durch eine gemeinsame Agrarpolitik ersetzt. Jene Maßnahmen, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik an den Außengrenzen der EWG ergriffen werden, um ein vorbestimmtes Agrarpreisniveau aufrechtzuerhalten, führen dabei mitunter zu schmerzlichen Rückwirkungen für jene Länder, die nicht der EWG angehören, aber in ihrem Agrarhandel überwiegend nach den Ländern der EWG orientiert sind.

Österreich hat im Durchschnitt der letzten sechs Jahre 75 Prozent, fallweise sogar bis zu 80 Prozent, seiner Agrarausfuhren im EWG-Gebiet abgesetzt. Die bei einer so engen Handelsverflechtung in der Drittlandsposition begründeten Nachteile wurden uns im Jahre 1966, in dem erstmalig hohen EWG-Abschöpfungen für Schlachtrinderimporte wirksam wurden, praktisch vor Augen geführt: Unsere Exporte an lebenden Tieren sind gegenüber 1965 um rund ein Drittel abgesunken. Sie konnten 1967 nur durch die Gewährung von Exportstützungen wieder gesteigert werden. Diese Schwierigkeiten haben sich für die

österreichische Landwirtschaft ergeben, obwohl einerseits die EWG — auch auf lange Sicht — ein Zuschußgebiet für Rindfleisch ist und anderseits unsere bergbäuerlichen Grünlandbetriebe neben der Forstwirtschaft auf die Rinderproduktion angewiesen sind. Bei einem ungehinderten Zutritt zum gemeinsamen Agrarmarkt der Sechs erwartet die österreichische Rinderwirtschaft gute und preislich attraktive Absatzmöglichkeiten.

Auch die Exporte der Forst- und Holzwirtschaft nach der EWG haben gute Aussichten, wenngleich derzeit der Holzanfall der Sturmkatastrophe dieses Winters vor allem in Deutschland die Marktverhältnisse vorübergehend stark verändert hat. Der EWG-Raum ist aber Holzzuschußgebiet und der Bedarf an Holz, Papier und Holzwaren wird nach den Prognosen der FAO wesentlich zunehmen.

Die österreichische Landwirtschaft ist sich der Tatsache bewußt, daß ein großer Markt einen verschärften Wettbewerb mit sich bringt. Sie schätzt die diesbezüglichen Aussichten durchaus nüchtern und realistisch ein und kann dabei von der Tatsache ausgehen, daß das derzeitige österreichische Agrarpreisniveau bei den wichtigsten Produkten etwa im Mittelfeld der Agrarpreise der EWG-Länder oder etwas darunter liegt und daß die Agrarstruktur im klimatisch entsprechenden Teil der EWG jener Österreichs weitgehend vergleichbar ist.

Auf dem Getreidesektor ist die EWG so wie Österreich insgesamt Nettoimporteur. Die Unterbringung der Weichweizenüberschüsse harren auch in der EWG noch einer Lösung. Die österreichische Getreidewirtschaft sieht im Falle einer Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen mit der EWG die Möglichkeit, Qualitätsweizen aus ihren pannonischen Anbaugebieten im EWG-Raum abzusetzen.

Bei Obst, Gemüse und Wein würde der Konkurrenzduck wohl am stärksten fühlbar werden, die österreichische Landwirtschaft hat aber auch in diesen Sektoren, wie in ihrer Gesamtheit, große Anstrengungen unternommen, um sich auf den verstärkten Wettbewerb vorzubereiten. Hierzu haben nicht zuletzt die Maßnahmen im Rahmen des Grünen Planes beitragen.

Die Bedeutung des EWG-Agrarmarktes erschöpft sich für die österreichische Landwirtschaft aber nicht in Fragen des Außenhandels. Die Ziele der EWG-Agrarpolitik stimmen weitestgehend mit den Zielen der österreichischen Agrarpolitik, wie sie im österreichischen Landwirtschaftsgesetz aus dem Jahre i960 festgelegt sind, überein.

Nicht zuletzt möchte ich aber das große Interesse hervorheben, das die österreichische Landwirtschaft der Teilnahme an der Dynamik des wirtschaftlichen Großraumes beimißt. Dieses Interesse beschränkt sich keineswegs auf die Dynamik im agrarischen Bereich.

Die österreichische Landwirtschaft hat sich nach nüchterner Einschätzung der Lage an den Bemühungen um die Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen mit der EWG beteiligt. Sie ist sich der Bedingungen, die der größere Wirtschaftsraum mit seinem Wettbewerb mit sich bringt, bewußt. Sie ist voll Zuversicht, daß sie sich unter diesen Bedingungen behaupten wird, und unternimmt alle Anstrengungen, um sich darauf vorzubereiten.

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