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Landwirtschaft und Europa

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Es hat eine Zeit gegeben — sie ist noch nicht mal seit der Verwirklichung des Landwirtschafts weit zurück und vielleicht noch gar nicht ganz vorbei —, da hat man die österreichische Landwirtschaft nur allzu gerne der Rückständigkeit, der Eigenbrötelei und des unverzeihlichen Hanges zum „Protektionismus“ geziehen. Im jahrelangen Kampf um das Landwirtschaftsgesetz wurde den Bauern immer wieder vorgeworfen, daß sie, statt sich auf eine wachsende Konkurrenz vorzubereiten, die Flucht hinter den Glassturz protektionistischer und dirigistischer Gesetze vorzögen. Aber, so prophezeite man, der scharfe Wind des europäischen Wettbewerbes auf einem künftigen gemeinsamen Markt werde schließlich auch die österreichische Landwirtschaft zur Vernunft bringen — falls es dann nicht schon zu spät sei.

Inzwischen ist das österreichische Landwirtschaftsgesetz am 13. Juli 1960 Wirklichkeit geworden, und die Bemühungen um eine wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa beginnen immer festere Formen anzunehmen. Noch ist zwar die endgültige Gestalt einer europäischen Wirtschaftseinheit der Zukunft nicht zu erkennen, eines aber wird immer deutlicher offen-

bar: Die Fragen der Landwirtschaft in EWG und EFTA nehmen, wo immer es um bilaterale oder multilaterale Wirtschaftsverhandlungen geht, eine Sonderstellung ein. Längst hat man in allen europäischen Ländern — und weit darüber hinaus — die schwierige Position erkannt und anerkannt, die Landwirtschaft und Bauerntum im Industriezeitalter einnehmen. Und durch entsprechende Gesetzesmaßnahmen sucht man diesen Schwierigkeiten überall Rechnung zu tragen-

Diese Entwicklung und die ständige Aufklärungsarbeit der österreichischen Landwirtschaft mögen es schließlich bewirkt haben, daß nun auch in Österreich das allgemeine Verständnis für die Sorgen der Bauernschaft doch fühlbar verbessert werden konnte. Zum zweiten-

gesetzes wurde in den vergangenen Herbstmonaten der Regierung und dem Parlament der „Grüne Bericht“ über das vergangene und der „Grüne Plan" für das kommende Jahr vorgelegt. Zum erstenmal wurden beide von Regierung und Volksvertretung einstimmig angenommen.

Leider kommt auch der „Grüne Bericht“ über das Jahr 1960 wieder zu dem bedauerlichen Schluß, daß das bäuerliche Einkommen trotz beachtlicher Produktionserfolge Unserer Agrar- wirtSchnft erheblich hinter der allgemeinen Eih- kommenssteigerüng zurückgeblieben ist. Als Ul', Sachen dafür sind nicht nur die besonderen agrarischen Erzeugungsbedingungen und Marktschwächen anzusehen, sondern vor allem eine ständige Steigerung der Betriebsmittelpreise und Produktionskosten bei weitgehender Stabilhaltung der Agrarpreise. Wenn daher die Landwirtschaft für den „Grünen Plan" entsprechende Förderungsmittel zur allgemeinen Verbesserung ihrer Konkurrenzstellung verlangt, stellt sie gewiß keine unbillige Forderung und keine, die nicht auch in anderen europäischen Staaten ihre Parallelen hätte.

Im „Grünen Bericht" wird auf Basis eines reichhaltigen, wissenschaftlich fundierten Zahlenmaterials nachgewiesen, daß die österreichische Landwirtschaft vorläufig von dem durch das Landwirtschaftsgesetz angestrebten Ziel, „der Landwirtschaft und den in der Land- , wirtschaft beschäftigten Personen die Teilnahme an der fortschreitenden Entwicklung der österreichischen Volkswirtschaft zu sichern“, noch erheblich entfernt ist. Obwohl das Berichtsjahr 1960 durch überdurchschnittliche Ernten und gute Ergebnisse in der Viehwirtschaft gekennzeichnet war, konnte im Durchschnitt aller landwirtschaftlichen Testbetriebe nur eine Kapitalverzinsung von 1,7 Prozent und ein Arbeitsertrag in der Höhe von 10.055 Schilling je Vollarbeitskraft im Jahr oder 830 Schilling im Monat erzielt werden. Dies ist jedoch nicht etwa als Ausdruck der Rückständigkeit unserer Landwirtschaft zu werten. Die Leistungen und Hektarerträge der österreichischen Landwirtschaft liegen trotz der besonderen natürlichen und strukturellen Schwierigkeiten, die sich in Österreich aus der vorwiegend klein-, mittel- und bergbäuerlichen Betriebsstruktur ergeben, auf einem europäischen Mittel.

Der auf Grund des Landwirtschaftsgesetzes alljährlich zu erstellende „Grüne Plan" hat nun entsprechende Maßnahmen dort vorzusehen, wo weder der einzelne Bauer noch die bäuerliche Selbsthilfe allein mit den naturgegebenen Schwierigkeiten fertig werden können. So wie die meisten anderen europäischen Staaten, die durchaus ähnlich geartete Agrarsorgen haben, muß auch Österreich bestrebt sein, die natürlichen Produktionsgrundlagen der Landwirtschaft durch Bodenmelioration, Abwehr von Elementarkatastrophen und sonstigen Erschwernissen zu verbessern und die Ergebnisse der Forschung und Technik der Landwirtschaft im weitesten Umfang zugänglich zu machen. Diese Maßnahmen bilden neben der Verbesserung der Agrarstruktur als Voraussetzung für eine rationelle und lohnende Anwendung der Technik sowie der Erhöhung der Produktivität in der Erzeugung und Vermarktung den wesentlichen Inhalt des „Grünen Planes". Dafür sind für 1962

450 Millionen Schilling aus Bundesmitteln vorgesehen, die durchaus kein Geschenk der Allgemeinheit an die Bauern darstellen, sondern den bescheidenen allgemeinen Beitrag zu jenen großen Anstrengungen und Umstellungsnotwendigkeiten bilden, die die Bauernschaft, 'auf sich allein gestellt, nicht bewältigen könnte. Wege- und Wasserbauten, Restelektrifizierung und Netzverstärkung, agrarische Operationen sowie Absatz-, Vermarktungs- und Markterschließungsmaßnahmen sind solche Vorhaben des „Grünen Planes“, deren Förderungswürdigkeit sicher von keiner Seite bestritten werden kann.

Zweck und Ziel der agrarpolitischen Arbeit iq „Österreich ist esi..,diC:-.idlgemeineiLeistungs-.

kraft und Konkurrenzfähigkeit unserer Landwirtschaft so zu stärken, daß sie den Erfordernissen eines künftigen großen Europamarktes gewachsen ist. Die Voraussetzungen dafür sind keineswegs so schlecht, wie von manchen Seiten angenommen wird, denn in ganz Europa hat die Landwirtschaft mit ähnlichen Schwierigkeiten — vor allem struktureller Natur — zu kämpfen wie in Österreich. Bei Preis- und Kostenvergleichen zwischen der österreichischen und der übrigen europäischen Landwirtschaft kommt man zu dem Ergebnis, daß unsere Wettbewerbslage im allgemeinen nicht ungünstig ist. Unsere Agrarerzeugerpreise liegen im europäischen Durchschnitt bzw. etwas darunter, während wichtige agrarische Produktionsmittel in unseren Nachbarstaaten teils erheblich niedrigere Preise aufweisen als in Österreich — wovon gegebenenfalls auch die österreichische Landwirtschaft einmal profitieren würde.

Der österreichische Agrarexport, der in den letzten Jahren eine für unsere Landwirtschaft lebenswichtige Bedeutung erlangt hat, geht zu mehr als 80 Prozent in den EWG-RaumAVor allem unser Zucht-, Nutz- und Mastvieh nndet ebenso wie das Holz schon immer seinen Weg vorwiegend in die nördlichen, südlichen und westlichen Nachbarstaaten Österreichs und wäre auch in Zukunft nur schwer oder überhaupt nicht umzulenken. Die österreichische Land- und Forstwirtschaft hat daher größtes Interesse an der Aufrechterhaltung und Verstärkung einer gedeihlichen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten.

Die Bemühungen der österreichischen Agrarpolitik haben im abgelaufenen Jahr von höchster kirchlicher Stelle, durch die päpstliche Sozialenzyklika „Mater et Magistrą", eine bemerkenswerte Bestätigung erfahren. Die Zielsetzungen der österreichischen Agrarpolitik, wie sie seit 1960 auch im Landwirtschaftsgesetz umrissen sind, stimmen weitestgehend mit den päpstlichen Forderungen für Landwirtschaft und Bauerntum überein. Sie sollen auch im kommenden Jahr der österreichischen Landwirtschaft weiterhelfen auf dem Weg zur Stärkung und Festigung der bäuerlichen Betriebe, die in ihrer Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit auf wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Ebene das stärkste Gegengewicht gegen Vermassung und Kollektivismus darstellen.

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