"Lange Arbeitslosigkeit ist gefährlich“

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Mit 4,4 Prozent hatte Österreich in der EU-Statistik 2010 die niedrigste Arbeitslosenrate. Das AMS setzt auf Qualifikation und neue Berufe.

Wie Österreich der sozialen Problematik der Arbeitslosigkeit begegnet und welche Arbeit eine Zukunft hat, erläuterte der Vorstand des Arbeitsmarkt-Service (AMS) Johannes Kopf, im FURCHE-Interview.

Die Furche: Die Turbulenzen im Euroraum bremsen die Konjunktur. Wie begegnen Sie der zunehmenden Sorge Arbeitslosigkeit?

Johannes Kopf: Für Österreichs Wirtschaft prognostizieren Wifo und IHS für 2012 Wachstumsraten. Da das Angebot an Arbeitskräften ebenfalls steigt, erwarten wir in 2012 einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um rund 10.000 Personen. Das ist deutlich besser als im schwierigen Jahr 2009. Zudem erhöht sich die Gesamtzahl der Beschäftigten, wir haben ständig eine hohe Zahl an offenen Stellen von rund 400.000 jährlich. Alle 80 Sekunden wird uns eine offene Stelle gemeldet. Unser Arbeitsmarkt ist stark in Bewegung. Als AMS ist es unsere Aufgabe, dass die Menschen diese Bewegung nützen können. Das heißt also nicht, die 10.000 haben einfach Pech. Für wenig qualifizierte Personen gibt es beispielsweise Lohnzuschüsse für drei Monate. Es ist besser, vier Menschen haben einen Job als drei von ihnen sind ein Jahr lang arbeitslos. Wir verteilen die Betroffenheit. Nicht Arbeitslosigkeit für sich ist schlimm, sondern die lange Arbeitslosigkeit.

Die Furche: Was zeigt diesbezüglich der internationale Vergleich?

Kopf: In Österreich ist die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit mit durchschnittlich drei Monaten im internationalen Vergleich gering. Jede der offenen Stellen ist in Österreich durchschnittlich nur 25 Tage unbesetzt. Bei internationalen Benchmarks zur Schnelligkeit von Stellenbesetzungen sind wir führend. Und wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote in Europa. Unser Angebot ist gut, in den internationalen Vergleichen der EU-Kommission zählt das AMS zu den besten Arbeitsmarktservices. Und was in Zeiten des rigiden Sparens in Budgets zu betonen ist: Überall in Europa werden die Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik zurückgefahren. Wir hingegen werden 2012 gleich hohe Mittel zur Verfügung haben wie heuer.

Die Furche: Welche Projekte verfolgen die Arbeitsmarktpolitik und das Förderungswesen?

Kopf: Unser Weg ist, im Aufschwung zu qualifizieren! Es besteht ein Mangel an Fachkräften. Die beste Methode, Arbeitslosigkeit zu vermeiden, ist Bildung und Qualifikation. Fertigkeiten laufend à jour zu halten, gilt für jedermann in jedem Beruf, denn Berufsbilder entwickeln sich weiter. Zudem setzen wir in schwächerer Konjunktur auf Lohnzuschüsse, denn lange Arbeitslosigkeit ist sozial gefährlich. Mögliche Folgen sind Entwöhnung vom Arbeitsleben, Anschlussverlust, Depressionen. Wir fördern Beschäftigungsprojekte, aus denen Arbeitslose nach mehreren Monaten wieder in den normalen Arbeitsmarkt zurückkehren können. Wichtig ist weiters, die regionale Mobilität etwa durch Zuschüsse für Kinderbetreuung zu unterstützen.

Die Furche: Was sind die aussichtsreichen Qualifikationen von morgen - eigentlich schon von heute?

Kopf: In unserem Skills-Projekt analysieren wir alle Stelleninserate in Medien und unsere Stellenausschreibungen. Das ergibt ein Bild, wie sich die Anforderungen an die Kenntnisse in den Berufen entwickeln. Beim Installateur geht es heute neben Gas und Wasser auch um Erdwärme. Lagerarbeiter kommen nicht mehr ohne Lagerlogistik-EDV-Kenntnisse aus und so weiter. In Branchenclustern haben wir mit Entwicklungschefs von Unternehmen die wichtigsten fachlichen und sozialen Skills analysiert. Genannt werden Flexibilität, Lernfähigkeit, Interesse an Neuen und Bereitschaft zu interkulturellem Lernen. Ausbildungen mit Zukunft liegen in den Bereichen Information, Medien und Kommunikation sowie Bildung: Wir brauchen mehr Menschen, die unterrichten können. Weitere Bereiche sind Miniaturisierung, Nanotechnologie, Robotik. Weiters erfordert die demografische Entwicklung immer mehr Pflegeberufe. In den Zukunftsthemen wie Energietechnologie und Umweltressourcen brauchen traditionelle Berufe wie Maurer neue Qualifikationen und es entstehen ganz neue Jobs wie Abfallrecycler.

Die Furche: Was brachte die Öffnung des Arbeitsmarktes?

Kopf: Wir profitieren von der Ostöffnung. Von den 100.000 ausländischen Beschäftigten sind 20.000 neue, ein Teil aus der Legalisierung. Das haben wir erwartet, das ist gut verkraftbar. Es gibt keine Verdrängungseffekte.

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