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Langsames Wachsen: jährlich 0,43 Prozent

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Die Bevölkerungszahl wird von etwa 7,1 Millionen im Jahr 1961 auf 7,7 Millionen im Jahr 1980, das ist um etwa acht Prozent zunehmen. Die jährliche Wachstumsrate von 0,43 Prozent nimmt sich in einer Welt, in der — vor allem in den Entwicklungsländern — Wachstumsraten von mehr als zwei Prozent nicht selten sind, recht bescheiden aus. Ein Blick auf die letzten fünf Jahre (1958 bis 1963) zeigt, daß Österreich in Europa von den Ländern, für die Angaben verfügbar waren, die niedrigste Wachstumsrate hatte.

So wichtig Globalzahlen über die Bevölkerungsdynamik sind, erhalten Bevölkerungsvorausberechnungen doch erst dann ihren vollen Wert, wenn sie die zu erwartenden Veränderungen in den einzelnen Altersgruppen aufzeigen.

Die Zahl der Fünf- bis unter Fünfzehnjährigen — das entspricht ungefähr der Zahl der Kinder im schulpflichtigen Alter — wird von etwa

1.0 Millionen im Jahre 1961 auf

1.2 Millionen im Jahr 1970 und

1.3 Millionen im Jahr 1980 an- steigen! Konsequenzen daraus für Österreichs Schulpolitik, darunter besonders für den Bedarf an Lehrkräften und Schulraum, liegen auf der Hand.

Die Zahl der Fünfzehn- bis Zwanzigjährigen wird bis 1970 um rund 40.000 zurückgehen, 1975 aber um etwa 40.000 höher liegen als 1961, während 1980 um über

100.000 Jugendliche mehr zu erwarten sind, als es 1961 gegeben hat!

Das Rentengespenst

Die Zahl der Personen im Alter von 65 Jahren und darüber wird von rund 870.000 im Jahr 1961 auf 1 Million im Jahr 1970 anwachsen; bis 1980 ist ein weiterer Zuwachs von etwa 50.000 zu erwarten. Der Anteil der Personen dieser Altersstufe wird sich von 12 Prozent

(1961) auf 14 Prozent (1970) erhöhen und dann bis 1980 unverändert bleiben, das heißt, jeder siebente Österreicher wird 65 Jahre oder älter sein! Die Probleme, denen wir uns heute hinsichtlich der sozialen, gesundheitlichen und menschlichen Betreuung unserer „Alten“ gegenübersehen, werden daher in der nächsten Zukunft nicht nur nicht abklingen, sondern noch an Bedeutung zunehmen.

In diesem Zusammenhang ist es naheliegend, die quantitativen Auswirkungen einer Herabsetzung des Rentenalters von 65 auf 60 Jahre für Männer und 60 auf 55 Jahre für Frauen abzuschätzen, wobei hier die Schätzung von der demographischen Komponente, das ißt von der Veränderung der Zahl der Personen in diesen Altersstufen, ausgeht. 1961 wurden 336.000 Männer im Alter von 65 Jahren und darüber gezählt (die Zahl der Sechzigjährigen und älteren belief sich auf etwa 522.000); 1965 werden etwa 551.000 Männer 60 Jahre und älter sein, 1970 rund

570.000, das heißt, die Zahl der Männer im rentengenußberechtigten Alter (vom demographischen Standpunkt aus) wird 1970 um rund

234.000, das sind fast 70 Prozent, höher sein als 1961! Für 1975 wird mit einer etwa gleichen Zahl von Männern im Alter von 60 Jahren nicht wachsen, sondern im großen und ganzen konstant bleiben wird; ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wird bis 1975 von 62 Prozent auf 57 Prozent zurückgehen, bis 1980 aber wieder auf 59 Prozent ansteigen.

Eine zusammengefaßte Darstellung der Bevölkerungsentwicklung bis 1980 enthält die obige „Übersicht 1“.

In der Zusammensetzung der „Erwerbsfähigen“ wird eine gewisse Verjüngung eintreten, da die Zahl der Fünfzehn- bis Fünfundvierzig- jährigen bei beiden Geschlechtern ansteigen, die Zahl der 45- bis 65 jährigen Männer bis 1980 beziehungsweise der 45- bis 60jährigen Frauen bis 1975 kontinuierlich zurückgehen wird (auch 1980 wird diese Zahl noch kleiner sein als 1961). Die demographische Be lastungsquote wird sich bis 1975 um rund 20 Prozent erhöhen!

Die „demographische Belastungsquote“, das ist die Zahl der Nichterwerbsfähigen auf 1000 Erwerbsfähige, wird sich von 617 im Jahr 1961 in den nächsten Jahren

200.000 kleiner sein als 1961. Bei den Frauen wird die Zahl der Erwerbsfähigen 1970 um 350.000 die Zahl von 1961 unterschreiten. Dies muß naturgemäß eine Verschlechterung der „Belastungsquote“ zur Folge haben. Die bis 1975 vorauszusehende Verschlechterung in der Relation Erwerbsfähige-Nicht-mehr- Erwerbsfähige wird durch die sozialpolitischen Maßnahmen daher verschärft und muß durch Ausweitung der Produktion beziehungsweise Erhöhung der Produktivität aufgefangen werden.

Abbau des Frauenüberschusses

Eine weitere für unsere Gesellschaft sehr wichtige Entwicklung bahnt sich im zahlenmäßigen Verhältnis der beiden Geschlechter zueinander an. Während 1961 schon ab der Gruppe 30 bis 35 das weibliche Geschlecht stärker besetzt ist als das männliche, wird diese Nachwirkung der Verluste im zweiten Weltkrieg stufenweise abgebaut und das Einsetzen des Frauenüberschusses die Alterspyramide hinauf- wandem. 1980 werden bis zur

Altersgruppe 45 bis unter 50 mehr Männer vorhanden sein als Frauen! Dies wird günstige Auswirkungen auf die Heiratsaussichten der Mädchen haben, zugleich aber auch die Frage der Einstellung der Gesellschaft zur außerhäuslichen Berufstätigkeit verheirateter Frauen zur Diskussion stellen.

Die Problematik wird noch dadurch verschärft, daß die Anzahl der Erwerbsfähigen — wie erwähnt

— sich nur wenig verändern wird, ja bei einer Berücksichtigung der sozialgesetzlichen Maßnahmen und in Anbetracht des Z es zu einer Erhöhung des Berufseintrittsalters Infolge verlängerter schulischer Ausbildung mit einer Verringerung zu rechnen ist. Eine Erweiterung des Arbeitskräftevolumerts könnte daher nur durch Zurückgreifen auf Reserven erfolgen, wobei die verheirateten Frauen das wichtigste Reservoire bilden würden.

Diese Beispiele zeigen bedeutende Aufgaben auf, denen sich die österreichische Wirtschafts- und Sozialpolitik in den nächsten Jahren gegenübersieht. Die Bevölkerungs- berechniung des österreichischen

Statistischen Zentralamtes bildet einen wichtigen Baustein bei den Bemühungen um sachliche Lösungen und sollte gleichzeitig auch zur „Verwissenschaftlichung“ des politischen Stiles beitragen.

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