Letztes Aufbäumen der Freunde fossiler Energie

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Der Konflikt zwischen Vertretern der fossilen Energieindustrie und Befürwortern erneuerbarer Alternativen hat einen neuen Schauplatz gefunden: Schiefergas. Jetzt auch in Österreich.

An der Thematik des sogenannten Schiefergases wiederholen sich vertraute Argumentationsmuster. Während die einen den volkswirtschaftlichen Nutzen und Unabhängigkeit von Erdgaslieferanten wie Russland oder dem Iran ins Treffen führen, kontern die Gegner mit den Gefahren der Schiefergasförderung für Umwelt und Gesundheit. Jetzt hat die Debatte auch Österreich erreicht. Der Erdölkonzern OMV möchte eine große Lagerstätte im Weinviertel anzapfen - geschätzte 240 Milliarden Kubikmeter. Noch diesen Sommer sollen zwei Probebohrungen Aufschluss über das tatsächliche Potenzial geben. Die Kosten dafür werden mit 130 Millionen Euro veranschlagt.

Chemisch betrachtet ist Schiefergas dasselbe wie herkömmliches Erdgas. Doch während Erdgas vergleichsweise einfach aus unterirdischen Hohlräumen gepumpt werden kann, entzieht sich Schiefergas konventionellen Fördermethoden. Schiefergas befindet sich in mehreren Tausend Metern Tiefe innerhalb von Schichten aus Tonstein. Um es zu fördern, verwendet man eine sehr aufwändige Methode - das sogenannte Fracking. Dabei wird erst senkrecht in die Tiefe und anschließend waagrecht bis in die gashaltigen Gesteinsschichten gebohrt. Dann wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in das Bohrloch gepresst. Dadurch entstehen im Gestein Risse und Klüfte, aus denen das Gas entweicht und dann durch die Rohrleitungen an die Oberfläche gelangt. Der Sand dient dazu, die aufgesprengten Risse offen zu halten, wenn der Druck nachlässt. Die - teils hoch giftigen - Chemikalien werden benötigt, um im Wasser vorhandene Bakterien abzutöten, die sonst Gesteinsporen verstopfen und den Gasfluss damit behindern würden. Mindestens die Hälfte dieses Flüssigkeitsgemisches kommt wieder nach oben und muss als Sondermüll entsorgt werden. Zusätzlich birgt das Verfahren etliche Risiken. So können Spuren des Chemiecocktails oder auch Gas selbst ins Grundwasser eindringen. Das Bohrloch wird zwar in den Grundwasser führenden Schichten mit Zement abgedichtet. Doch im Internet kursieren zahlreiche Videos von Häusern in der Nähe von Schiefergasbohrungen, aus deren Wasserhähnen brennbares Wasser fließt. Auch die Ressourcennutzung des Fracking scheint verschwenderisch. So werden pro Bohrung mehrere Millionen Liter Wasser verbraucht. Immer wieder wird die Förderung von Schiefergas mit Erdbeben in Verbindung gebracht. Diese Gefahr sei jedoch gering, meinen Experten. "Bei tiefen Bohrungen, wo Flüssigkeit unter hohem Druck eingepresst wird, sind immer kleinere seismische Aktivitäten möglich“, sagt Wolfgang Lenhardt, Leiter der Abteilung Geophysik der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). "Das ist bekannt, aber nicht bedrohlich für die Bevölkerung.“

Öko-Variante des Fracking

Weltweiter Vorreiter der Exploration von Schiefergas sind die USA. Zehn Prozent des Gasverbrauchs werden dort aus der eigenen Förderung von Schiefergas gedeckt. In Europa bohren Großbritannien und Deutschland bereits nach Schiefergas. Polen möchte ebenfalls ins Fördergeschäft einsteigen. In Frankreich und Bulgarien ist Fracking verboten. Sollte Österreich unter die Schiefergas-Förderländer gehen, würde ein derzeit entwickeltes umweltfreundliches Verfahren eingesetzt, versichert die OMV, ohne weitere Details zu verraten. Bekannt ist nur, dass dieses "Clean Fracking“ statt Chemie Maisstärke verwenden soll. Allerdings kann auch ein umweltverträglicher Flüssigkeitsmix im Gestein vorhandene Chloride, Schwermetalle oder radiaktive Elemente nach oben spülen. Für Stefan Moidl, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Windkraft Österreich und naturgemäß Gegner fossiler Energieträger, ist in der Frage um Schiefergas die Politik gefordert. "Die OMV ist ja kein rein privates Unternehmen, sondern zu einem wesentlichen Teil in Staatsbesitz“, meint er. "Dadurch erhält die Schiefergas-Thematik eine energiepolitische Dimension.“ Die heimische Politik ist jedoch gespalten. Während das Wirtschaftsministerium das Engagement der OMV begrüßt, ist das Lebensministerium dagegen. Jedenfalls solange man die Umweltauswirkungen nicht abschätzen kann. Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll wiederum fordert eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für Schiefergas-Bohrungen. Derzeit unterliegen diese lediglich dem Mineralrohstoffgesetz, das der OMV Bohrungen ohne UVP erlaubt.

Selbst vor dem Hintergrund steigender Energiepreise und zur Neige gehender fossiler Reserven stellen Kritiker die Wirtschaftlichkeit der Schiefergasförderung infrage. "Der Förderaufwand ist viel höher als bei herkömmlichem Erdgas und das Endprodukt damit auch teurer“, meint Werner Zittel vom deutschen Energieberatungsunternehmen Ludwig-Bölkow-Systemtechnik. So kosten ein Kilometer Bohrung rund zwei Millionen Euro. Zudem sinkt die Förderrate eines Bohrlochs innerhalb eines Jahres um etwa 80 Prozent. Um dies auszugleichen müssen deshalb in kurzen Abständen immer neue Bohrstellen geöffnet werden - bis irgendwann Schluss ist.

Zittel schätzt, dass das Schiefergasvorkommen im Weinviertel bestenfalls ein Jahr lang den österreichischen Gasverbrauch decken könne - die OMV spricht von 30 Jahren. "Die Schiefergas-Förderung ist ein Akt der Verzweiflung seitens der klassischen Energiekonzerne“, sagt Zittel. Ein letztes Aufbäumen einer Industrie, die ihre Felle davonschwimmen sieht.

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