Lösungen für die Krisen finden

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Das neunte Weltsozialforum begann diese Woche im brasilianischen Belem. Eine Veranstaltung, die alle zwei Jahre versucht, als Gegenpol zum Weltwirtschaftsforum in Davos aufzutreten. Die Hoffnungen sind groß, gerade in turbulenten Zeiten Lösungen zu finden.

Antworten finden auf die aktuellen Krisen in der Welt: Das ist der Anspruch, den sich das neunte Weltsozialforum (WSF) gibt, das am vergangenen Dienstag im brasilianischen Belém eröffnet wurde. Die Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum in Davos (siehe Artikel unten) verbuchte 92.000 Anmeldungen berichtet Hermann Dworczak, Aktivist beim Austrian Social Forum, Dienstag Früh aus Belem.

DIE FURCHE fragte im Vorfeld Christian Felber, Mitbegründer des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac Österreich, was er sich vom WSF erwartet: "Die Verbindung der drei Krisen: Finanz- und Wirtschaftskrise, Energie- und Klimakrise, Lebensmittel- und Hungerkrise." Für Felber haben diese drei großen Krisen der Zeit, die allesamt in den vergangenen Jahren das öffentliche Interesse stark auf sich zogen, ein und denselben Ursprung: Die Globalisierung des Kapitalismus oder anders: die kapitalistische Globalisierung.

Den Süden stärken

Deshalb sei es wichtig, dass das Forum in Belém nicht nur schöne Worte findet, sondern vor allem die vielen Bewegungen in den Ländern des Südens stärkt. Denn laut Felber seien viele Menschen im Süden der Welt zwar der Meinung, dass man den Kapitalismus überwinden müsse, obwohl der Süden ihn selbst nie gelebt hat. Viel Symbolik liegt für den Attac-Gründer in dem Umstand, dass das Forum im Amazonas-Gebiet abgehalten wird, ein Gebiet, das zu einem Viertel von indigener Bevölkerung belebt wird, ohne dass sie ihren Lebensraum zerstören.

Matthias Reichl, per Eigendefinition Friedens-, Sozial- und Umweltaktivist im Unruhestand, erhofft sich vom WSF das Aufzeigen von Alternativen zu den allgemein gültigen Systemen in der Wirtschaft und dem Sozial- und Umweltbereich. Die Notwendigkeit und Berechtigung für Treffen wie jenes in Belém begründet Reichl damit, dass Kritiker und Warner letztlich Recht gehabt hätten. Die Wirtschafts- wie die Umweltkrise sind trotz aller mahnenden Stimmen im Vorfeld eingetreten.

Reichl spricht nicht nur von Kritik am neoliberalen System, sondern vom Kapitalismus als Ganzem. Auch er tritt für eine Alternative ein, denn dieses System habe, wie man nun sehe, nicht funktioniert. Er verstehe deshalb nicht, warum Milliardenpakete geschnürt werden, um diese in ein nicht akzeptables Finanzsystem einzubringen, wenn auf der anderen Seite dieses Geld im Sozial- und Umweltbereich fehle.

Wie sinnvoll sind nun solche Treffen, wenn nur schöne Worte herauskommen, aber die Entscheidungsträger kaum ein offenes Ohr für die entwickelten Alternativvorschläge haben? Ganz so will das Südwind-Redakteur Werner Hörtner nicht stehen lassen, denn es wäre vermessen zu erwarten, dass die Entscheidungsträger die ausgearbeiteten Vorschläge sofort übernehmen würden. Es sei in den vergangenen Jahren gelungen, durch Treffen wie das Sozialforum so viel Aufmerksamkeit zu erregen, dass die Machthaber, die sich in Davos treffen, den Ernst der Situation erfasst haben und auch offen für alternative Lösungsvorschläge sind. Es sei aber durch die Struktur der Konzerne nicht so leicht möglich, diese einfach 1:1 umzusetzen.

Bewegungen entstehen

Die internationale Kleinbauern-Bewegung Via Campesina ist ein konkretes Projekt, das aus den Treffen der oft belächelten "Weltverbesserer" hervorgegangen ist, sind sich Reichl und Hörtner einig. Insgesamt gibt diese Bewegung Millionen von Menschen - darunter viele Landlose - eine Stimme.

Das Weltsozialforum findet seit vier Jahren im Zwei-Jahres-Rhythmus statt, selbst in Krisenzeiten wie diesen. Der Grund liegt für Hörtner darin, dass es kontinentale und nationale Foren gibt, denen Zeit gegeben wird, um die Inputs aus den Weltforen reifen zu lassen. Felber sieht dies nicht anders; so ist für ihn ein zweijährliches Pilgern zum WSF nicht notwenig, wenngleich das eine Mal in Porto Alegre für ihn eine wichtige Erfahrung war: "Sobald aber dieser Geist getankt ist, ist es gut, dezentral weiterzuarbeiten." Felber schwebt in weiterer Folge ohnehin ein "kleines Universum" in jeder Gemeinde vor, in der globales Bewusstsein und globales Lernen gepflegt wird und wo die Menschen lernen, wie man sich globalpolitisch einbringen kann. Dort müssten die Hauptaktivitäten stattfinden, während man sich ab und zu bei größeren Treffen auch auf persönlicher Ebene austauschen sollte.

Was schlussendlich die Welt verändert, kann auch Reichl nicht beantworten, aber die Hoffnung sterbe zuletzt. Wichtig sei für ihn, Hoffnungen und Visionen aufzuzeigen, die lebbar sind, und dass den Menschen nicht Illusionen eingeredet werden, die nur Scheinbefriedigungen darstellen und von den eigentlichen Hoffnungen ablenken.

www.fsm2009amazonia.org.br

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