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Um "Ethischer Geldanlage“ gesellschaftlich und politisch Gehör zu verschaffen, nimmt der Wirtschafts- und Sozialethiker Klaus Gabriel die Mühen der Ebene auf sich. Das Gespräch führte Helmut Berg • Fotos: Claudia Berg

Seit 2010 ist der Theologe Klaus Gabriel Geschäftsführer des Vereins CRIC (Corporate Responsibility Interface Center) in Frankfurt, der größten Investorengemeinschaft für nachhaltige Geldanlage im deutschsprachigen Raum. Ursprünglich Bankkaufmann, wollte der gebürtige Innsbrucker Finanzvorgänge kritisch hinterfragen und wechselte die Perspektive.

Die Furche: Sie behaupten, Geldanlagen fallen in den Bereich der Moral. Ein diskussionswürdiger Ansatz, denn vielen Investoren genügt eine möglichst hohe Rendite. Wie überzeugen Sie Gewinnmaximierer?

Klaus Gabriel: Wirtschaftliche Aktivitäten sind nun mal in ein gesellschaftliches Ganzes eingebettet. Das wird dadurch deutlich, dass die Wirtschaft von Voraussetzungen lebt, die sie selbst nicht erzeugen kann, wie Vertrauen, Gerechtigkeit, soziale Sicherheit. Daraus entsteht für die Wirtschaft eine Verpflichtung, an diesen Voraussetzungen mitzuarbeiten, sie mitzutragen. Deshalb hat die Moral in der Wirtschaft Relevanz. Mit anderen Worten: Wirtschaft und Moral sind aufeinander angewiesen, sie bedingen sich gegenseitig. Dem Mainstream einer philosophisch-theologisch fundierten Wirtschafts-ethik genügt es nicht zu sagen: Hier habt ihr eine gesetzlich festgelegte Rahmenordnung und innerhalb dieser ist alles erlaubt, was nicht ausgesprochen verboten ist.

Die Furche: Diese Begründungsfiguren funktionieren ganz gut unter Anerkennung des von Ihnen erwähnten philosophisch-theologischen Paradigmas. Wer sich aber diesem Weltbild und Wertekanon nicht verpflichtet fühlt, agiert automatisch amoralisch?

Gabriel: Ja und nein. Denn einerseits leben diese moralischen Werte davon, als solche anerkannt zu werden, andererseits könnte man aus rein ökonomischem Nutzenkalkül zu dem Schluss kommen, dass Moral in der Wirtschaft wichtig ist, denn ohne Vertrauen gibt es keine wirtschaftlichen Prozesse.

Die Furche: Viele sagen, Gesetze reichen aus, um wirtschaftliches Agieren in erlaubt, verboten und grenzgängerische Gratwanderungen des noch Erlaubten einzuteilen.

Gabriel: Gesetze sind ja geronnene Moral. Wir definieren, ab wann amoralisches Verhalten sanktionierbar sein muss. Interessant ist aber diese Membran zwischen dem Moralischen und Gesetzlichen. Sie ist durchlässig und so verändern sich nicht nur moralische Vorstellungen, sondern auch Gesetze. Man hat die Finanzmärkte seit 30 Jahren mehr und mehr dereguliert. Das heißt, man hat Gesetze abgebaut und Regeln in den Bereich des Freiwilligen aufgehoben. Jetzt kommt man darauf, dass dieses freiwillige Einhalten von Regeln nicht ausreicht. Deshalb brauchen wir die Ethik. Sie reflektiert und hinterfragt das moralische Gefüge, ist der Motor für moralische Veränderung und für das Ausverhandeln von Regeln in der Gesellschaft. Diese können Gesetze sein oder Common Sense; genauso moralisch verpflichtend, aber eben nicht sanktionierbar.

Die Furche: Bei wirtschaftlichen Entscheidungen wird der Primat der Moral von jenem der Ökonomie nicht selten überstimmt. Die Güterabwägung scheint überfordert.

Gabriel: Das ist ein spannender Punkt, den wir bei CRIC aktuell diskutieren. Eine Kollision von Interessen liegt dann vor, wenn jemand aufgrund von Einhaltung moralischer Werte nicht auf Rendite verzichten will. Inwieweit ist es dem Individuum zumutbar, solche Entscheidungen treffen zu müssen? Ist der Primat der Ethik beispielsweise eingeschränkt, wenn es um maßgebliche ökonomische Interessen geht? Da gibt es gute Beispiele in Anlagerichtlinien institutioneller Investoren, wie Banken oder Pensionskassen. Da steht dann: Die Einhaltung von ethischen und nachhaltigen Kriterien ist angestrebt, insofern diese nicht in Konflikt mit ökonomischen Interessen treten. Da haben Sie das genaue Gegenteil. Hier herrscht der Primat der Ökonomie.

Die Furche: Ist dagegen ein moralisches Kraut gewachsen?

Gabriel: Ich denke, ja, denn es gibt ja bereits Dinge, in die wir nicht investieren dürfen, wie in Drogenkartelle oder in die Mafia, weil das eben gesetzlich verboten ist. Hier wurden moralische Erkenntnisse in den Gesetzesrang erhoben. Jetzt geht es darum, andere moralische Erkenntnisse, die wir von unserem Gewissen her als bindend empfinden, mit Normen zu regeln. Beim Umweltschutz war es ja auch so. Lange Zeit galt es als bloß rühmlich, sich für den Erhalt der Natur einzusetzen, bis man erkannt hat, dass es dafür gesetzliche Regeln braucht. Jetzt gibt es Umweltgesetze und Umweltverträglichkeitsprüfungen. Wir stellen als Plattform CRIC die Forderung an die Politik, die prinzipiell auf anderen Ebenen schon getroffenen Verpflichtungen auch auf den Investmentbereich auszudehnen.

Die Furche: Findet Ihre Forderung bei österreichischen Politikern Unterstützung?

Gabriel: Es ist leider auffallend, dass es quer durch alle politischen Parteien kaum ein Bewusstsein zu solchen Fragen gibt. Einige Parteien hörten uns an, für andere ist es eher ein Soft-Thema, das mehr oder weniger als private Liebhaberei angesehen wird. Man erkennt nicht, dass das, was jetzt auf den Finanzmärkten passiert, auch eine zutiefst ethische Komponente hat und sieht das Problem eher individualethisch. Doch das greift im Hinblick auf das Gemeinwohl zu kurz. Ethisches Investment könnte ein Hebel für eine Neuorganisation der Finanzmärkte sein. Auch hinsichtlich der Bewusstseinsbildung der Bevölkerung, weil damit die richtige Frage gestellt wird: Wozu investieren wir Geld? Welchen Sinn hat das?

Die Furche: Sie fordern, dass Investment sozial-, kultur-, und naturverträglich sein soll. In Deutschland haben die Grünen dieses Thema für sich entdeckt, warum gelingt das nicht in Österreich?

Gabriel: Für Österreichs Grüne, so mein Eindruck, ist das Geld-Thema per se "pfui“. Etwas Schmutziges, mit dem man nichts zu tun haben will. Die grundlegende Frage, die sich dabei für mich stellt: Warum ist es so schwer, die politische Wirkkraft des Themas Nachhaltigkeit bei Geldumgang zu erkennen und dementsprechende Anreize und Lenkungsmaßnahmen zu ergreifen? Die Grünen denken offenbar, dass Investment immer nur mit Spekulantentum zu tun hat.

Die Furche: Warum haben Deutschlands Grüne beim Thema Nachhaltigkeit am Finanzmarkt die Nase vorn?

Gabriel: Man könnte meinen, vor zwei verschiedenen grünen Welten zu stehen. Vor allem der finanzpolitische Sprecher der deutschen Grünen, Gerhard Schick, hat sich eine große Expertise erworben. Es gibt regelmäßige Treffen mit gesellschaftlichen Akteuren, die etwas zu den Themen ethischer und nachhaltiger Finanzmarkt zu sagen haben. Die Ergebnisse fließen in den politischen Diskurs und Gestaltungswillen ein, dessen Zukunftsträchtigkeit erkannt wurde. Für das Gemeinwohl bedeutet dies enorme Einsparungen und Synergien.

Engagierte Aktionäre und ihre Möglichkeiten

Die Plattform CRIC bietet ethisch interessierten Investoren Information, Vernetzung und praktische Umsetzungsmöglichkeit ihrer Vorhaben. Mitglieder sind kirchliche Investoren, Hilfswerke, NGOs, Stiftungen und Unternehmen aus dem Finanzbereich. Aber Privatpersonen nehmen an den Veranstaltungen und Lehrgängen zum Thema nachhaltige Geldanlage teil und zeigen Interesse an dem von CRIC angewandten "engagement process“. Darunter versteht man den aktiven Wertpapierbesitz. Ethisch orientierte Aktionäre nehmen dabei ihr Recht in Anspruch, bei Jahreshauptversammlungen von Aktiengesellschaften oder im Dialog mit Unternehmensleitungen ethische Werte aktiv einzufordern. Alleine können Privatanleger, so ihr Aktienanteil an einem Unternehmen eine gewisse "kritische Masse“ nicht überschreitet, nur begrenzten Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen. Mithilfe der Anlegerplattform CRIC kann Druck auf das Management eines Unternehmens aufgebaut werden. Somit sind Aktien nicht nur Geldanlage, sondern auch probate Instrumente der Mitbestimmung und Mitgestaltung wirtschaftlicher Aktivitäten. (h.b.)

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