Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Massive Benachteiligung
Der gegenwärtige Ausgleich der Familienlasten benachteiligt die den „traditionell-romantischen“ Vorstellungen entsprechende Familie massiv.
Der gegenwärtige Ausgleich der Familienlasten benachteiligt die den „traditionell-romantischen“ Vorstellungen entsprechende Familie massiv.
Im Vorspann zur Titelgeschichte der „Wirtschaftswoche“ (29/94) wird behauptet: „Während immer mehr Geld in die Erhaltung der traditionellen Familie fließt, leben immer mehr Österreicher kinderlos oder als Alleinerzieher“, und daran ist die Frage geknüpft: „Zahlen die Österreicher für ein Ideal, das es gar nicht mehr gibt?“ Sein Autor steht sichtlich unter dem Alptraum, heute werde eine Form der Familie besonders begünstigt, die er offenbar als „Auslaufmodell“ betrachtet.
Unter traditioneller Familie ist wohl eine Familie gemeint, in welcher 1. die Eltern miteinander verheiratet sind, 2. die Mutter während der für das Kind besonders wichtigen ersten Jahre auf Erwerbstätigkeit verzichtet, die 3. mehrere Kinder hat, und die 4. als Gipfelpunkt traditioneller Familienidylle - in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt.
Die heute bestehende Individualbesteuerung geht von der Einkommenssituation des Familienerhalters aus: sein Einkommen ist Gegenstand der Besteuerung, er ist aber nicht notwendigerweise Empfänger der auf die Familie abgestellten staatlichen Transferzahlungen (Kinderabsetzbeträge und Familienbeihilfen), es sei denn er wäre zufällig Bezieher der letzteren. Die Transferzahlungen werden jedenfalls ganz unabhängig von seiner Person und seiner Steuerleistung gewährt.
Was hat das für die traditionelle Familie im einzelnen zur Folge?
Zu 1: Auf Grund des zivilrechtli chen Ehevertrages verpflichtet der Gesetzgeber zur einklagbaren Unterhaltsleistung und respektiert - wenigstens im Prinzip - auch diese Verringerung der steuerlichen Leistungsfähigkeit beim unterhaltspflichtigen Ehepartner durch die Gewährung eines sogenannten Alleinverdienerabsetzbetrages, wenn sich die Partner auf eine Arbeitsteilung von Erwerb und Haushalt geeinigt haben. Dieser Absetzbetrag führt zu einer Senkung der Steuerschuld des Alleinverdieners.
Das ist aber kein Vorrecht der traditionellen, durch Ehe verbundenen Eltern: Obwohl der Alleinverdienerabsetzbetrag nach dem Gesetzeswortlaut die gesetzlichen Unterhalts- Verpflichtungen abgelten soll, erhalten auch die „untraditionellen“ Familien, deren Eltern nicht verheiratet sind, dieselbe steuerliche Behandlung, obwohl es hier keine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung gibt!
EINKOMMENSDEFIZIT
Zu 2: Der Alleinverdienerabsetzbetrag soll eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung abgelten, die wohl mindestens in der Höhe des Existenzminimums des nicht erwerbstätigen Ehegatten anerkannt werden muß. Der Steuergesetzgeber gewährt den „untraditionellen“ erwerbstätigen Ehegatten mit Hilfe des allgemeinen Steuerabsetzbetrages (je 8.840 Schilling) ein steuerfreies Existenzminimum von je 84.200 Schilling jährlich. Diese Steuerfreiheit versagt er hingegen dem „traditionellen“ Partner, der zum Beispiel der Kinder wegen auf eine eigene Erwerbstätigkeit verzichtet. Die Steuerschuld des Alleinverdieners, der gerade beide Existenzmini- ma verdient, verringert sich nur um 8.840 Schilling plus dem Alleinverdienerabsetzbetrag 5.000 Schilling.
Zu 3: Der sogenannte Familienlastenausgleich ist nach dem Willen des Gesetzgebers der Ausgleich der finanziellen Mehrbelastung, die sich aus der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung des (der) Familienerhal- ter(s) ergibt. Die heutige Gestaltung des Lastenausgleichs gleicht paradoxerweise umso weniger aus, je größer die Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder ist.
Während das Existenzminimum des nicht unterhaltspflichtigen Steuerzahlers unbesteuert bleibt, hat ein Steuerzahler, der für einen nicht erwerbstätigen Ehegatten und ein Kind zu sorgen hat und nicht mehr verdient als die Existenzminima aller Familienangehörigen (bei plausibler Gewichtung und nach Abzug der vom Staat geleisteten Kinderabsetzbeträge und Familienbeihilfen) bei einem Kind immer noch jährlich 23.912 Schilling, bei zwei Kindern 33.512 Schilling und bei drei Kindern 42.408 Schilling jährlich aus diesem Einkommen an Steuern zu leisten. Bei unzureichendem Ausgleich der Lasten liegt es auf der Hand, daß das Einkommensdefizit mit steigender Kinderanzahl steigt.
Zu 4: Trotz prinzipiell gleicher gesetzlicher Verpflichtungen beider Elternteile zur Unterhaltsleistung für ihre Kinder ohne Rücksicht auf einen gemeinsamen Haushalt werden die „traditionell“ Zusammenlebenden durchgehend diskriminiert: Die diversen Absetzbeträge zusammengenommen, erhalten sie gegenüber nicht Zusammenlebenden bei einem Kind um 9.200 Schilling, bei zwei Kindern um 15.500 Schilling und bei drei Kindern um 23.500 Schilling jährlich weniger als getrennt Lebende. Wenn der Alleinerzieher wie der nicht erwerbstätige Ehegatte kein eigenes Einkommen bezieht, beträgt die Schlechterstellung der im gemeinsamen Haushalt Zusammen- lebenden immer noch 6.200, 9.500 beziehungsweise 20.500 Schilling.
Dieser Befund zeigt doch wohl unmißverständlich, daß „die Österreicher“ nicht für die „Erhaltung der traditionellen Familie“ zahlen, sondern daß diese im Gegenteil systematisch diskriminiert wird.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!