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Mastkur für die Metropole
Das Verhältnis der Bundeshauptstadt Wien zur österreichischen Bundesregierung ist derzeit nicht gerade freundlich. Drei Faktoren treffen zusammen, welche den Strategen der sozialistischen Wiener Mehrheitsfraktion unruhige Nächte bereiten:
• Das Fußvolk der Partei verlangt von der Wieher SPÖ, ihre Mehrheit in der Bundeshauptstadt als Schützenhilfe für die parlamentarische Minderheit in die Waagschale zu werfen,
• die ÖVP war in allen Wahlgängen seit dem Gewinn zweier Gemeinderatsmandate am 25. Oktober 1964 in Wien erfolgreich
• und während man in Wien für die nächsten Gemeindewahlen im Jahre 1969 rüstet, gibt die ÖVP- Alleinregierung mehr Geld für die Bundeshauptstadt aus, als je eine Koalitionsregierung bewilligen wollte.
Da jedoch in Österreich ohnedies das Ansehen der Regierungspartei weitgehend auch die Wählerehtschei- dung in Landes- und Gemeindeangelegenheiten zu beeinflussen scheint, wird alles unternommen, die Regierung möglichst schlecht zu machen. Seit dem Ende der Regierungskoalition braucht die SPÖ dabei auch nicht mehr auf das eine oder andere eigene Ressort Rücksicht nehmen, sondern kann sich mit allen Freiheiten dem Ziel widmen, das für die SPÖ unangenehme Motto „ÖVP für Wien“ bei jeder passenden oder auch unpassenden Gelegenheit zu entblättern.
Dabei wird deutlich ein Schlußstrich unter die Koalitionszeit auf Bundesebene gezogen. Von sozialistischen Verkehrsministern, die den weiteren Ausbau der Wiener Schnellbahn ablehnten, ist ebensowenig die Rede wie vom Widerwillen einzelner sozialistischer Landeshauptleute gegen die Beachtung der Bundeshauptstadt. Die Wiener SPÖ scheute nicht einmal davor zurück, in einer dringlichen Anfrage im Wieher Landtag gegen die angebliche Benachteiligung Wiens durch den Bundeswasserwirtschaftsfonds zu protestieren, obwohl Wien seit Errichtung des Fonds im Jahre 1959 bis zum Jahre 1965 nicht einmal einen einzigen Antrag um Zuweisung von Fondsmitteln gestellt hatte. Ob Wien damals freiwillig verzichtete oder von den anderen sozialistischen Bürgermeistern dazu gezwungen wurde, ist nicht nachweisbar, doch hatten die sozialistischen Bürgermeister einen paktier ten Anteil voto 45 Prozent der Fondsmittel, die zwischen 1959 und 1965 immerhin von 95,5 auf 491,4 Millionen Schilling stiegen; von diesen hat jedoch Wien keinen Groschen beansprucht. Der erste Antrag Wiens an den Fonds wurde übrigens prompt nach der üblichen Frist bewilligt allerdings erst 1967.
Keine Rede von Aushungerung
Wien erwartet heuer 4,1 Milliarden Schilling aus dem Finanzausgleich, das sind um 380 Millionen mehr als 1967. Dazu flndeh sich im
Wiener Budget gut zwei Dutzend Positionen, für welche die Stadt Wien weitere Bundesmittel im Ausmaß von mehr als 840 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt bekommt, nämlich für den Wohnbau, für die Universitätskliniken, Lehranstalten usw.
Darüber hinaus gibt der Bund heuer mehr als 500 Millionen Schilling für Bauten in Wien aus, die man sich im Bundesbudget zusammensuchen muß: Für Wiener Bundesstraßen und Autobahnen, Hochschulbauten, Schulen uhd viele andere Projekte. Insgesamt sind derzeit Bundesbauvorhaben in Wien mit einem Gesamtvolumen von mehr als 3,2 Milliarden Schilling budgetmäßig veranschlagt oder im Bau. Dazu kommen nahezu 800 Millionen Schilling für die Errichtung des UNO- Zentrums im Donaupark, nahezu 100 Millionen Schilling für den Ausbau neuer Schnellbahnstationen und nicht zuletzt hat der Bund heuer auch 3,5 Millionen Schilling für die Wieher Festwochen beigesteuert.
Allein der Straßenbauaufwand des Bundes für Wien ist von zusammen 75,6 Millionen Schilling während der Jahre 1959 bis 1964 auf 278 Millionen Schilling allein im Jahre 1968 gestiegen.
Gerade in den letzten Jahren hat der Bund um soviel mehr für Wien gelėistėt, daß man es vor den anderen Bundesländern gar nicht laut sagen dürfte, ohne rasch hinzuzufügen, daß ja die ganze Republik vom Ausbau der Bundeshauptstadt profitiert. Tatsächlich sind ja in den meisten Fällen die anderen Länder und Gemeinden die Konkurrenten Wiens — und nicht der Bund, wenn es um die Verteilung von Bundesmitteln geht. Als Sitz der Zentralstellen der Behörden, der Wirtschaft sowie des geistigen und kulturellen Lebens würde aber zweifellos ganz Österreich in Mitleidenschaft gezogen werden, müßte man sich in anderen Bundesländern nach München, Zürich oder Prag orientieren, weil Wien im „toten Winkel“ Europas läge.
Strategie für den Wahlkampf?
Darum dient eine aktive Politik der Regierung für Wien als Mittelpunkt einer Region, in der die halbe Bevölkerung dieses Landes lebt, für Wien als angesehene Hauptstadt der Republik und für Wien als europäische Metropole nicht einer Mastkur für einen funktionslosen „Wasserkopf“, sondern einem aussichtsreichen Zentrum, dessen neue internationale Anziehungskraft nicht den anderen Bundesländern etwas wegnehmen, sondern ihnen durch seine neue Ausstrahlungskraft ein Vielfaches der Investitionen wiederbringen könnte.
Deshalb hatte auch das „Wiener Memorandum“ mit zusätzlichen Wünschen der Hauptstadt an den Bund volle Berechtigung. Allerdings hat die Wiener Rathausmehrheit auch ÄI dieser Frage heute keinen Grund zur Klage, denn wenn auch noch einige Forderungen offen sind, wurden doch binnen Jahresfrist für die Hauptforderungen konkrete Zusagen gemacht:
• Das Netz der Bundesstraßen und Autobahnen in Wien wurde inzwischen auf mehr als 100 Kilometer erweitert. Nach dem Bau der dritten Donaubrücke hat der Bund im Rahmen dieses Konzeptes auch mit dem Bau der vierten Donaubrücke begonnen.
• Für den Bau der Wieher U-Bahn will der Bund etwa ein Drittel der
Baukosten des zentralen Grundnetzes beitragen.
• Am totalen Hochwasserschutz für Wien will sich der Bund mit 50 Prozent an den Kosten der reinen Zweckbauten beteiligen.
Diese Milliardenprojekte werden den Bund in den nächsten Jahren gewaltig belasten, das heißt, es werden alle Österreicher einen beachtlichen Beitrag für die Bundeshauptstadt leisten müssen. Verhandlungen über weitere Punkte sind im Gange. Es ist daher bedauerlich, daß die sozialistische Wiener Rathausmehrheit die Leistungen aller Österreicher ungefähr in jenem Ausmaß herabzusetzen versucht, in dem der Aufwand für Wien zu steigen begonnen hat.
Das Jubiläumsjahr 1968, in dem Wien auf ein halbes Jahrhundert als Hauptstadt der Republik zurückblik- ken kann, ist gewiß der denkbar ungünstigste Anlaß für diese Strategie, mit der man jedenfalls Wien nichts bringt, sondern nur neue innerpolitische Konflikte heraufbeschwört.
SOS ruft…
DAS GLÜCK ENDETE BALD,! Das Glück einer jungen Familie mit kleinen Kindern fand bald ein Ende. Beim Vaiter kam ein Leiden zum Ausbruch, das ihn arbeitsunfähig gemacht hat. Da keine Besserung eintreten wird, wurde um die Zuerkennung einer Invalidenrente eingereicht. Aus verschiedenen Gründen ist die Wartezeit sehr hart. Die Familie lebt in einer wirtschaftlichen Notlage. SOS möchte mit einer einmaligen Aushilfe beistehen und bittet für die Familie. Ruf: 4125.
Alle Hilfe an die SOS-Gemeinschaft in 1020 Wien, Obere Donaustraße 89, Telephon 35 43 25, Postsparkassenkonto SOS-Gemeinschaft Wien 94.206. Erlagscheine werden auf Wunsch zugesandt und sind aber auch den Erlagscheintaschen, die in den Postämtern hängen, zu entnehmen.
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