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Mehr als nur Schnupperkurse

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Die Europäische Union hat 1996 zum Jahr des „lebensbegleitenden Lernens" erklärt. Wer sich in Osterreich permanent weiterbilden will, stößt allerdings auf Probleme: Zwar werden bereits eine Fülle von Kursen, Seminaren und Lehrgängen abgehalten, um den bereits im Beruf stehenden Akademikern, aber auch Nichtakademikern mit entsprechender beruflicher Erfahrung, die Chance zu geben, ihr Wissen auf den neuesten Stand zu bringen.'' Doch vom einheitlichen Abschluß bis zur Titelfrage gibt es eine Fülle von Unterschieden und Ungereimtheiten.

Der Gesetzgeber verpflichtet die Universitäten im Hochschulstudiengesetz zur Weiterbildung der Absolventen. „Doch dies war bisher eher die Ausnahme, denn die Regel", stellt Verfassungsrechtler Manfried Welan, ehemaliger Rektor der Wiener Universität für Bodenkultur, fest. Seine Kritik: „Man hat in den sechziger Jahren ,Ja' zur Massenuniversität gesagt, aber nicht ,Ja' zur Weiterbildung. Daher gibt es in Osterreich auch keine Weiterbildung nach Konzept." International betrachtet, steckt Österreich im Fort-und Weiterbildungssektor in den Kinderschuhen.

Vor einem Jahr ist in Krems mit der Donau-Universität das erste Zentrum für postgraduale Studien in Österreich gegründet worden. Im Vergleich zu den anderen zwölf österreichischen Universitäten besitzt die Donau-Universität einen gesetzlichen Sonderstatus: Sie ist direkt dem Wissenschaftsminister unterstellt, besitzt eine weitgehende Unabhängigkeit in finanziellen Angelegenheiten und finanziert sich auch über Studiengebühren und Drittmitteln.

Die jüngste heimische Universität hat mit speziellen Problemen zu kämpfen: So ist etwa die Anerkennung eines postgradualen Studiums als „Master"-Studium mit einheitlichem Abschluß eine der Forderungen, die die Vizepräsidentin der Donau-Universität , Ingela Bruner, an das Wissenschaftsministerium stellt. „Diesbezügliche Verhandlungen laufen", ist vom Pressesprecher des Wissenschaftsministers, Wolfgang Fingernagel, zu hören. Allerdings dürfte der Minister hier auf Schwierigkeiten stoßen. Denn was „postgradual" bedeutet, welche Studien als postgradual oder als Master-Studium anerkannt werden sollen, daran scheiden sich die Geister.

Einige Universitäten wehren sich gegen die Vergabe von „Masters-De-grees". Sie fürchten eine Herabsetzung des Magister-Titels, zumal der „Master" international bekannter und teilweise anerkannter ist, als das österreichische Magisterium. Die Master-Studien dauern aber wesentlich kürzer und sind mitunter auch leichter. Jene Universitäts-Institute hingegen, die bereits Hochschullehrgänge anbieten, streben massiv nach dem Masters-Degree. Denn deren Absolventen schließen zur Zeit mit dem Titel „akademisch geprüft" ab. Mit diesem Abschluß kann außerhalb der Grenzen Österreichs aber niemand etwas anfangen.

Nur die Diplomatische Akademie in Wien hat bisher über eine eigene Bundesverordnüng das Recht zugesprochen bekommen, den Master-Titel offiziell vergeben zu dürfen. „Genau hier setzt unsere Kritik ein", meint Peter Fida vom Zentrum für Europäische Integration an der Donau-Universität: „Eine Akademie, die keine Universität ist, darf, wir dürfen nicht." Daher nützt seine Abteilung gesetzliche Freiräume und vergibt ihren Absolventen ein Diplom, das zwar nicht zum Führen des Master-Titels berechtigt, aber explizit darauf hinweist, daß die erlangte Qualifikation dem einer Master-Ausbildung entspricht. Diesen Weg beschreitet auch der MRA-Lehrgang (Master of Business and Administration) der Donau-Universität. Die Wirtschaftsuniversität Wien wiederum nützt die Möglichkeit der Kooperation mit ausländischen Universitäten, etwa der Universityof North Carolina: Die Absolventen erhalten den Masters-De-gree der Partner-Universität.

Ada Pellert vom Institut für inter- """ disziplinare Fortbildung und Forschung hat sich in ihrem gemeinsam mit Manfried Welan herausgegebenen Buch „Die formierte Anarchie" (siehe furche 13/1996) mit dem Thema „Wissen als Produktionsfaktor" beschäftigt. Auch sie sieht die Titelfrage als wesentlich an: „In der zunehmend internationalen Konkurrenz ist es sicher ein Nachteil, den Master-Titel nicht vergeben zu können." Es werde immer wichtiger, daß eine Ausbildung auch im Ausland zuor-denbar und anerkannt ist.

Sollte die Titelfrage nicht geklärt werden, meint Ingela Bruner, „müssen wir die Qualität unserer Kurse und Lehrgänge so stark vermarkten, daß Die österreichische Wirtschaft würde sich über ein flächendeckendes Angebot an Akademikerweiterbildung oder Weiterbildungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter der Unternehmen freuen. Klaus Schedler, stellvertretender Geschäftsführer und Fachbereichsleiter für Bildungsplanung am Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft: „Das wäre toll. Aber leider gibt es in Österreich diesbezüglich keine Kultur." Gerade die berufsbegleitende Weiterbildung ist in seinen Augen für die Wirtschaft wichtig. „Sie müßte allerdings wirklich berufsbegleitend sein, das heißt, sie darf nicht zu lange dauern. Ich meine damit ein Wochenendseminar oder eine berufsbegleitende Ausbildung über maximal ein Semester."

Von postgradualen Aufbaustudien hält Klaus Schedler weniger. Er meint zwar, daß Zusatzqualifikationen die Chancen, einen Job zu bekommen, verbessern, warnt aber: „In Zeiten des angespannten Arbeitsmarktes ist die Verlockung groß, an den Universitäten zu bleiben und sich zusätzlich, sozusagen auf Verdacht, zu qualifizieren. Doch danach kämpft man am Arbeitsmarkt mit den selben Problemen."

Er rät den Absolventen: „Bein in den Arbeitsmarkt, auch wenn es schwierig ist und erst nach einigen Jahren Weiterbildung." Eine Zusatzausbildung gleich nach der Universität hält er für nicht zielführend: „Wenn zum Beispiel ein Techniker in eine Führungsposition kommt und sich Managerqualitäten aneignen muß, ist er zwischen 35 und 38 Jahre alt. Zu diesem Zeitpunkt braucht er die Zusatzausbildung und nicht Jahre vorher."

Genau darauf zielt die Donau-Universität ab: „ Berufsbegleitende Kurse und Seminare von einem bis 17 Tagen Dauer sind ein wesentlicher Bestandteil unseres Angebotes", erklärt Vizepräsidentin Bruner, die auch Nicht-Akademikern den Zugang zur postgradualen Weiterbildung öffnet. „Für uns zählt die Beife und die kann ein Studium sein, aber auch entsprechende berufliche Praxis."

An der Donau-Universität hat sich eine Form der postgradualen Ausbildung etabliert, die sowohl Zusatzqualifikation zum Primärstudium, als auch für Praktiker zugänglich ist: die Europäische Journalismus Akademie (EJA). In vier Semestern wird in über 2.000 AVochenstunden sowohl theoretisches, als auch praktisches Wissen im Print-, Badio- und TV-Bereich gelehrt. EJA-Gründer und Professor am Institut für Publizistik in Wien, Maximilian Gottschlich, meint, daß die Studierfähigkeit der Menschen bis zum 30. Lebensjahr am größten sei und gerade in dieser Zeit das notwendige Basiswissen angeeignet werden könne. Er hält dies für wichtig, da sich „die Managementpositionen immer mehr verjüngen". Gottschlich ist davon überzeugt, daß es höher qualifizierte junge Menschen am Arbeitsmarkt leichter haben, weil sie mobiler sind. Den traditionellen Universitäten schlägt er vor, die Ausbildung im postgradualen Bereich Zentren wie der Donau-Universität zu überlassen. „An einer Massenuniversität ist eine qualitativ hochwertige postgraduale Ausbildung ohnehin nicht möglich", weiß der AViener Publizistik-Professor - eine Ansicht, die die Wiener Institute nur ungern hören: Sie sind der Meinung, daß sie im Bereich der Weiterbildung firm und aufgrund der vorhandenen Infrastruktur geeigneter sind.

Auf alle Fälle sind sowohl die traditionellen Universitäten, als auch die Donau-Universität und andere Post-graduate-Anbieter gefordert. Denn selbst wenn Gottschlich der Meinung ist, daß die „Diplomstudien derzeit ohnehin nur Schnupperkurse sind", plant AVissenschaftsminister Budolf Schölten im Zuge der neuen Studienreform eine Aerkürzung der Erststudiendauer - nicht zuletzt, um den Absolventen die Möglichkeit einzuräumen, sich in einer gleichbleibenden Studiengesamtdauer eine weitere zusätzliche Qualifikation anzueignen. Im Zuge dieser Beform könnte der postgradualen AA'eiterbildung ein neuer Stellenwert zukommen.

Eine Übersicht bietet die Broschüre „Weiterbildung an Universitäten und Hochschulen" des Bundesministeriums für Wissenschaft, Verkehr und Kunst.

Der Autor ist freier Journalist.

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