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Mehr Banken als Greißler

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3000 Geldinstitute hat Österreich derzeit. Wenn es nach dem Willen der Banken geht, wird diese Zahl ab 1970 um ein Drittel wachsen. Nach dem Gründungsstopp im Jahre 1965 liegen nämlich bei der Sektion Geld-, Kredit- und Versicherungswesen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft in der Wiener Rotenturm- straße mehr als 1100 neue Filial- wünsche vor. Obwohl dieser Wunschkatallog noch geheimgehalten wird, erklärte man der „Furche“ aus Kreisen der Geldinstitute, „das hat es noch nie gegeben“.

Nur wenige Tage nach dem Welt- epartag, am 10. November, wird man sich in den Räumen dieser Sektion in Wien zusammenfinden, um über den größten Forderungskatalog, der je vorlag, zu verhandeln. Denn ein Drittel mehr Geldinstitute oder, als Nettozahl ausgedrückt, dann insgesamt 4000 Banken und Kreditinstitute würden in Österreich dafür Sorge tragen, daß Herr Österreicher nicht nur, jenem Slogan folgend: „die Bank um die Ecke“ hätte, sondern um jede Ecke ein Geldinstitut um den Kunden buhlen würde. So ist es nicht verwunderlich, daß man auch aus der Geldwirtschaft selbst Stimmen vernimmt, diie einsichtig meinen, eine derartige Gründungswelle könnte nicht nur die Rentabilität der einzelnen Institute gefährden, sondern auch das Image des Geldsektors beschädigen. („Welcher Wirtschaftssektor könnte sich auf einmal eine solche Neugründungs- und Filial- expansionswelle leisten?“ — Ausspruch eines führenden, wenn auch ungenannt sein wollenden Bankenmanagers.)

Am stärksten sind bei den Neugründungen die Sparkassen vertreten, die in ganz Österreich insgesamt 463 neue Zweigstellen haben möchten. Dazu kommt noch die Zentralsparkasse, die ihren fahrbaren Zweigstellenpark um 24 Fahrbushaltestellen erweitern will.

An zweiter Stelle, was die Zahl der Forderungen anbetrifft, liegt der Volksbankensektor, der für sich mit 230 Zweigstellenwünschen einen großen Nachholbedarf in Anspruch nimmt. Überraschend ist, daß nach den Banken mit 201 Forderungen für ganz Österreich die Raiffeisenkassen, die mit 2000 Außenstellen ohnehin das dichteste Netz haben, mit einer Forderung von 199 neuen Zweigstellen Mitte November den Konkurrenten gegenübertreten wollen. Die Raiffeisenkassen waren es nämlich, die bei der Diskussion um das Kreditwesengesetz, das nunmehr doch nicht mehr von dieser Regierung erledigt werden wird, gegen eine Freigabe der Filialen schärfstens zu Felde gezogen sind.

Wieweit kleinliches Prestigedenken oft die tatsächliche wirtschaftliche Notwendigkeit übertrifft, mag zeigen, daß

• in Salzburg insgesamt 94 Zweigstellenwünsche vorliegen, obwohl dieses Bundesland bereits gut versorgt ist,

• daß man in Oberösterreich, dem Bundesland mit einem der dichtesten Zweigstellennetze, gar 255 neue Kassen eröffnen will,

• daß Niederösterreich, ebenfalls bereits auf dem Geldmarkt gut betreut, 208 Kassenwünsche vorbringt,

• und daß schließlich Bregenz, wo auf nicht einmal 25.000 Einwohner bereits mehr als ein Dutzend Banken und Geldinstitue kommen, bei der neuen Gründungswelle vier weitere Bankfilialen erhalten würde. So wie Bregenz aber geht es vielen ändern Klein- und Mittelstädten, denn die Geldinstitutsinteressen, seinerzeit durch klare Aufgabentrennung entsprechend auseinandergehend, haben sich durch den Trend zur Universalbank auch bei allen Geldinstituten überlagert. So

• strebt die Bank für Arbeit und

Wirtschaft A. G. ein breiteres Zweigstellennetz an, um ihre Kunden aus Betrieben und Betriebsräten auch in der Klein- und Mittelstadt befriedigen zu können,

• die Raiffeisenkassen expandieren ihren Trend in den Stadtbereich,

• die Sparkassen wiederum wollen ländliche Bereiche ebenso erfassen, und auch die verstaatlichten Banken schließlich haben eine Ausweitung ihrer Zweigstellenbereiche schon bisher mit Nachdruck betrieben.

Daß solche Ausweitungsbestrebungen allerdings für den Geld- und Kredit- sektor nicht ohne Auswirkungen bleiben, hat sich schon innerhalb der letzten Jahre gezeigt. So erreichte man nur mit viel Mühe, nachdem die Sparkassen das Haben- und Zinsab- kommen gekündigt hatten, ein neues Agreement und auf dem Kreditsektor wurde via Personalkreditaktio- nen und Überziehungsmöglichkeiten der Konten ebenfalls der Konkurrenzkampf härter. Erst die Erhöhung der Bankrate brachte erstmals in dieser Lizitationspolitik einen Stopp. Optimisten allerdings, die meinen, derartige Forderungen nach 1093 neuen Zahl- und Zweigstellen könnten von den einzelnen Sektoren nur ausgeklügelt worden sein, um gegenüber der Konkurrenz Handelsobjekte zu haben, wurden spätestens vergangene Woche eines Besseren belehrt.

Aus der Bundeskammer sickerte nämlich durch, daß zu den 1100 bereits auf der Tagesordnung stehenden Wünschen 50 erweiterte Anträge nachträglich eingereicht wurden.

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