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Mehr büffeln und daneben noch arbeiten

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Es war keine große Überraschung, als Sozialdemokraten und Volkspartei ihr Sparpaket für die Universitäten vorstellten, denn mit Einschnitten im Bildungsund Sozialbereich war zu rechnen. Doch über das Ausmaß und die Qualität mancher Sparmaßnahmen gab es dennoch Verwunderung. Worum geht es?

Die Familienbeihilfe, die ursprünglich Eltern dazu diente, ihren Kindern auch eine universitäre Ausbildung zu ermöglichen, steht im Mittelpunkt der Sparmaßnahmen. Sie wird in Zukunft nur mehr für die Dauer der Mindeststudienzeit sowie zwei „Toleranzsemester" ausbezahlt. Das sind bei den meisten Studienrichtungen acht plus zwei Semester. Damit soll die Durchschnittsstudiendauer, die je nach Studienrichtung zwischen zwölf und 18 Semestern liegt, gesenkt werden.

Einem Entwurf für ein neues Fa-milienlastenausgleichsgesetz (FLAG) ist zu entnehmen, daß der Leistungsnachweis, der bisher mit acht Wochenstunden pro Jahr fixiert war, der Regelung, die bei Stipendien angewandt wird, angepaßt werden soll. Diese sieht einen Leistungsnachweis, wieder abhängig von der Studienrichtung, zwischen acht und 40 Wochenstunden jährlich vor - für die gesamte Dauer des Studiums. Die Familienbeihilfe wird außerdem nur mehr bis zum 26. Lebensjahr ausbezahlt, ausgenommen sind Studenten, die ihren Präsenz beziehungsweise Zivildienst bereits abgeleistet haben.

Laut Statistik studieren lediglich zwischen zehn und 15 Prozent in der Mindeststudienzeit plus zwei Semester. Das bedeutet für die restlichen 80 bis 85 Prozent einen Verlust von 1.850 Schilling monatlich. Damit verbunden ist der Kinderabsetzbetrag, der nicht „abgesetzt" wird, sondern direkt mit der Familienbeihilfe ausbezahlt wird. Eltern erhalten für ein

Kind 350 Schilling, für zwei 525, für drei und mehr 700 Schilling monatlich.

Für viele gar nicht merkbar ist die kostenlose Mitversicherung, die Studenten bei ihren Eltern genießen. Auch diese fällt mit dem Verlust der Familienbeihilfe weg. Für die günstigste Selbstversicherung für Studenten sind bei der Wiener Gebietskrankenkasse 448,80 Schilling im Monat zu bezahlen.

Eine Maßnahme, die alle trifft, egal in welchem Semester, ist die Streichung der Freifahrt auf öffentlichen Verkehrsmitteln. Studenten müssen daher eine Jahresnetzkarte kaufen, die in Wien 4.700 Schilling kostet. Auch die ÖBB-Pendlerfreifahrt wird abgeschafft. Studenten, die Tag für Tag von Niederösterreich zu ihrer Wiener Uni pendeln, müssen mit jährlichen Mehrkosten von 2.600 bis 8.300 Schilling rechnen. Komplettiert wird diese Sparmaßnahme im Verkehrsbereich mit der Streichung des ÖBB-Halb-preisausweises. Ein Umweltticket im Ersatz dafür kostet 1.080 Schilling jährlich.

Für Studenten, die schon an ihre Zukunft und ihren Lebensabend denken, ist der sogenannte „Pensionszeit-nachkauf" besonders dramatisch. Insgesamt können sechs Schul- und Studienjahre für die Pension „nachgekauft" werden, allerdings nur bis zum 35. (Frauen) bzw. 40. Lebensjahr (Männer). Die Preise für diese Zeit wurden nun auf insgesamt rund 350.000 Schilling angehoben und steigen jedes Jahr mit dem Index. Zum Zeitpunkt des Pensionsnachkaufs werden diese Jahre inflationsbedingt rund 650.000 Schilling kosten.

Neben den sozialen Einschnitten sind die Studenten natürlich auch von den Einsparungen im Personalbereich betroffen. Der Aufnahmestopp für Beamte bedeutet, daß freiwerdende Stellen nicht nachbesetzt werden. Einige Universitäten, allen voran die Wiener Wirtschaftsuniversität, haben bereits angekündigt, aus Personalmangel ab Oktober 1996 keine Lehrveranstaltungen mehr für Erst-semestrige anzubieten; Das käme einem Aufnahmestopp für Studenten gleich.

Der Aufnahmestopp hat aber natürlich auch Auswirkungen auf die Berufschancen vieler Akademiker, die auf einen Arbeitsplatz im öffentlichen I liebst gehofft hatten.

Wo liegen nun die Kritikpunkte? Universitäten, Akademikervereinigungen und Studentenvertreter schlagen in die gleiche Kerbe: Das Sparpaket ist ein Belastungspaket für Akademiker. Es wird erwartet, daß Österreich mit seiner ohnehin niedrigen Akademikerrate nun das Schlußlicht im europäischen Vergleich über-hehmen wird.

Mag die Leistungsanbindung von Sozialleistungen durchaus berechtigt sein, ist sie im vorliegenden Fall nicht durchdacht. Denn vielen Studenten ist es jetzt schon unmöglich, ohne Nebenjob ihr Studium zu finanzieren. Neben dem Studium zu arbeiten, bedeutet in den meisten Fällen auch, Semester zu verlieren. Studenten, die auf die Sozialleistungen, die nun gestrichen werden sollen,-, angewiesen waren, müssen dies durch mehr Arbeit neben dem Studium wettmachen. Und das kostet wieder Zeit für das Studium. Diese Problemspirale wurde durch das Sparpaket nicht weggebracht, sondern verstärkt.

Auch die so oft angekündigte Treffsicherheit der Sparmaßnahmen ist nicht gegeben: Das Sparpaket trifft vor allem jene, die bisher Mühe hatten, sich ihre Ausbildung zu finanzieren.

Sind die rund 13 Prozent der Studenten, die derzeit Stipendien beziehen, kaum vom Sparpaket betroffen, trifft es die „untere Mittelschicht" und die Familien gewaltig: Mehr-Kinder-Familien, die aufgrund der Einkommen der Elternteile keine staatlichen Unterstützung genießen, aber durch die Gesamtbelastung für die Familienerhaltung nur mehr das Studium eines Kindes finanzieren können. Der Nachkauf von Ausbildungsjahren für die Pension trifft Akademiker im 35. beziehungsweise 40. Lebensjahr, also in einer Zeit, in der Eltern ohnehin die größten finanziellen Belastungen haben. Gänzlich aus den Augen verloren haben dürfte die Bundesregierung strukturelle Reformmaßnahmen. Die enormen Kosten, die die schwerfällige Bürokratie im Universitätsbereich verursacht, bleiben unangetastet.

In diesen Tagen laufen an vielen österreichischen Universitäten umfassende Protestmaßnahmen von Professoren, Assistenten und Studenten an. Sie verlangen Verhandlungen über einzelne Punkte im Sparpaket, wenn auch viele von ihnen den finanziellen Gesamtumfang des Sparpakets bereits akzeptiert haben.

Die Bundesregierung wäre gut beraten, die Sparmaßnahmen im einzelnen noch einmal zu überdenken und durch sinnvollere zu ersetzen.

Der Autor ist

freier Mitarbeiter der Furche.

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