Mikrokredite: Chance und Risiko

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Mikrokredite helfen Menschen mit innovativen Geschäftsideen aus der Armut. Doch das Finanzinstrument weist auch erhebliche Schattenseiten auf.

Wilson Sebude war vor zehn Jahren noch ein einfacher Ziegelmacher in Ngoma, einem kleinen Dorf im Zentrum Ugandas. Täglich schaufelte er in mühseliger Handarbeit Lehm aus dem Boden, presste ihn in Formen und brannte ihn zu Ziegeln. Im Jahr 2000 veränderte ein Mikrokredit von 170 Euro sein Leben. Gemeinsam mit seiner Frau baute er sich dadurch erfolgreich eine Baustoffhandlung auf und vergrößerte durch neun weitere Mikrokredite sein Geschäft. Dazu gehört heute auch noch eine Tischlerei und ein Schönheitssalon.

Im 4.000-Einwohner-Ort Ngoma war Sebude der Erste, der einen Mikrokredit bei "Rucref“ aufnahm. Die Mikrofinanzorganisation ist die einzige Bank im Umkreis von 70 Kilometern und betreibt auch Filialen in der Hauptstadt Kampala. Refinanziert wird das Institut durch die internationale Genossenschaft Oikocredit.

Erfolg für Alleinerzieherin

Ihre rund 36.000 Mitglieder und Organisationen stellen durch Einlagen ab 200 Euro das Kapital für Mikrokredite in Afrika, Lateinamerika, Asien und Europa zur Verfügung. Für ihre Beiträge erhalten die Anleger jährlich bis zu zwei Prozent Dividende. Diese sichere Rendite in Zeiten der Finanzkrise beruht nicht zuletzt auch auf der hohen Zahlungsmoral der Mikrokreditnehmer .

Auch Wilson Sebude hat seine Darlehen pünktlich zurückgezahlt. Bezüglich der Höhe der Raten und des Zahlungstermins wurde er von einem Kreditberater der Bank betreut. Als Sicherheit setzte Sebude seinen Grundbesitz ein, sorgte aber durch seine unterschiedlichen Geschäfte für eine breite Risikostreuung. Mit dieser Strategie ist er nicht allein.

Auch seine Nachbarin Carolyn Nabunya hat künftig zwei Einnahmequellen: ihren Trödlerladen, und die Vermietung von Zimmern an Besucher des wöchentlichen Viehmarktes. Das Haus befindet sich noch im Bau und wäre ohne Mikrokredite nicht möglich gewesen. Ebenso ihr Geschäft, das sie stetig vergrößert hat. Vor zehn Jahren schlug sich die selbstbewusste Alleinerzieherin zweier Mädchen noch als Kellnerin durch. Sie lachte, als ein Freund ihr zu einem Mikrokredit riet. Wer sollte ihr ohne Vermögen einen Kredit anvertrauen? Nabunya versuchte ihr Glück und überzeugte den Bankdirektor. Zehn Jahre und neun Kredite später ist sie stolz, dass sie mit ihrem Geschäft ihren Kindern eine gute Schulbildung finanzieren konnte. Das macht sich bezahlt. Ihre älteste Tochter Christine wird eine Hochschule besuchen. Die Mieterlöse sollen die Gebühren decken.

Schattenseiten von Mikrokrediten

Den beiden Nachbarn ermöglichten die Kleindarlehen bessere Lebensverhältnisse. Doch es gibt auch Negativbeispiele. Der Mikrofinanzsektor verzeichnet spätestens seit dem Friedensnobelpreis für den Mikrokreditpionier Muhammed Yunus und seiner Grameen Bank 2006 hohe Wachstumsraten. Der neue Hoffnungsmarkt lockt aber auch kommerziell orientierte Unternehmen an, die durch horrende Zinssätze von bis zu 90 Prozent hohe Renditen erzielen wollen. Statt für zukunftsreiche Projekte werden die Kredite auch für die Anschaffung von Konsumgütern vergeben. Hohe Mehrfachkredite treiben Kunden in den Ruin. Viele Schuldner sehen im Bankrott keinen anderen Ausweg als Selbstmord. Zum Schutz bedürftiger Menschen vor Kredithaien fordert der Vorstandsvorsitzende von Oikocredit Austria Peter Püspök daher ein UN-Gütesiegel für Mikrokredite(siehe Interview unten).

Das allgemeine Zinsniveau in Uganda liegt laut "Rucref“ zwischen 19 und 30 Prozent pro Monat. Private Geldverleiher verlangen für Kredite durchschnittlich zehn bis 20 Prozent Zinsen pro Monat. Das Mikrofinanzinstitut liegt mit drei Prozent Verzinsung pro Monat deutlich darunter. Die Konditionen setzen sich aufgrund des hohen administrativen Aufwands der abgelegenen Filiale in Ngoma und der hohen Inflationsrate von zwölf Prozent zusammen. Ohne die Einnahmen der Filialen in Kampala wäre das Kreditgeschäft in dem kleinen Dorf nicht finanzierbar und damit Veränderungen in Ngoma nicht möglich.

So tragen die innovativen Projekte zur Modernisierung bei. Durch Sebudes Geschäft muss Baumaterial nicht aus der zwei Stunden entfernten Stadt bezogen werden. Die von seiner Tischlerei hergestellten Sessel und Sofas sind im Dorf eine neuartige Modeerscheinung. Viele Kunden nutzen Betten, anstatt wie bisher Strohmatten oder kaufen das beliebteste Produkt seines Ladens: Türen.

Sebude hat seine Vergangenheit als Arbeiter nicht vergessen. Sein Geschäft hat er auf den Namen "Bivamontuyo“ getauft - das bedeutet Erfolg kommt durch Schweiß.

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