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Milch? Ist fad!

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Der Alkoholverbrauch", besagt der erste Wiener Ernährungsbericht, „trägt zur Energieversorgung der österreichischen Bevölkerung bei." Am meisten, so Wissenschaftlerin Hanni Bützler, bei leitenden Angestellten, Bauern und Arbeitern. Sie decken immerhin rund sieben Prozent des täglichen Kalorien-bedarfes mit Alkohol. Vorgegangen wird schichtspezifisch: Arbeiter trinken Bier, Selbständige und Bauern Wein. Bund 115 Liter Bier, 30 Liter Wein und vier Liter Spirituosen pro Kopf und Jahr verzeichnet die Statistik. (Die allerdings trügt, weil auch Kinder mitgezählt werden). Gefeiert wird jährlich mit 1,8 Liter Sekt oder Schaumwein.

limos, säfte und energetisches

„Die Österreicher trinken immer mehr alkoholfreie Erfrischungsgetränke", wurde kürzlich gemeldet. Den Markt teilen sich dafür immer weniger Anbieter: so werden 85 Prozent der heimischen Produktionsmenge an Limonaden, Säfte und Mineralwässer in nur acht Unternehmen abgefüllt. Insgesamt waren es im Vorjahr 1.870 Millionen Liter, davon 720 Millionen kohlensäurehältige Limos-,), (Marktführer; 'Coca-Cola). Die einzige, heimische Top-Marke, der gelbe Almdudler, muß sich mit neun Prozent Marktanteil begnügen. Der Durch-schnittsöster-reicher trinkt zirka 200 Liter an alkoholfreien Erfrischern im Jahr. Sollte derselbe schon vor sieben Jahren hier gewesen sein, hatte er damals noch um fast 70 Liter weniger konsumiert.

Auch die flüssigen Energie-Spender werden

heute mehr verbraucht. Seit 1987 die erste „Bed-Bull"-Dose in heimischen Begalen stand, sind 55 neue Marken dieser Art erschienen - und teils wieder verschwunden. Nach der Bundesrepublik Deutschland, so das britische Marktforschungsinstitut Zenith Int., ist Österreich der zweitgrößte Markt für „Bed Bull", „Dark Dog" und Co. geworden. Teils ersetzen die IsoDrinks den unmodern gewordenen Alkohol oder andere Gifte, die dem Sportgeist schaden. „Man trinkt sie nicht gegen den Durst," meint Sofie Karmasin, „sondern als fast kindliche Droge, die nach Gummibärlis schmeckt."

Die neuen Dosen mit der langen Aufschrift an dynamisierenden Zusatzstoffen bergen einen weiteren Begleitnutzen: sie sind Zeichen der Leistungsgesellschaft und des Guten, das man sich und seinem Körper tut.

Fachleute schätzen die Wirkung jedoch ähnlich der eines kleinen Mokkas mit einer Überdosis an Zucker. Gefahren für die jüngsten Konsumenten ortet der Kinderazrt Arnold Pollak. „Selbst wenn kein Koffein enthalten ist, sind die Getränke viel zu süß. Kinder sollten gegen den Durst an Wasser gewöhnt werden".

Rund 200 Liter

trinken die Österreicher jährlich an alkoholfreien Erfrischungsgetränken. Milch gilt dabei vor allem bei der Jugend als verpönt.

wein und bier

Schon 1985 verzeichnete das Handbuch des Falter-Verlages „Wien, wie es ißt", daß die „Weinkultur peinlich um sich greift". Plötzlich entstanden Lokale, in denen „man sein Kennertum durch die Konsumation von Renommierweinen manifestieren konnte". Auch zehn Jahre später belegte eine Studie des Instituts für Umweltforschung und Managementberatung ÖKONSUL, woran niemand zweifelte: Die Österreicher sind Weingenießer. Für neun von zehn Befragten ist Wein ein österreichisches Kulturgut. Immerhin 77 Prozent trinken dann und wann ein Glä-

sehen. Für 91 Prozent

gehört er zur Geselligkeit. Patriotismus zeigen vor allem Frauen beim Kauf des Rebensaftes: rund drei Viertel halten sich an heimische Marken. Erfreulich, so Josef Pleil, Präsident des Bundes-weinbauverbandes, daß sich, trotz Schleuderpreise, die Tetrapack nicht durchgesetzt habe. Der Trend geht vom Tropfen im Doppler hin zu Qualitätsweinen. Trotz allem schlägt sich der Weinkonsum nur mit rund 30 Liter in der Statistik nieder.

Das Marktforschungsinstitut „market" machte sich auf die Suche, wer denn nun die 800 Millionen Liter Gerstensaft im Jahr trinkt und warum. „Das Bier," so wurde festgestellt, „ist für die Österreicher ein gutes Mittelding zwischen Alkohol und Durststiller." Rund 60 Prozent trinken es täglich, 23 Prozent nur bei besonderen Anlaßen. Interessantes Objekt der begleitenden Medienanalyse wurde jenes Prozent der Befragten, die keine Meinung zum eigenen Bierkonsum hatten. Entstammte, wie die Tagespresse anmerkte, dieses Urteil selbst einer leichten Umnebelung?

Alkoholfreies Bier steht dafür bereits mit fast drei Litern in der Jah-res-Pro-Kopf-Statistik und ist bei Frau und Mann gleichermaßen beliebt. Am wenigsten allerdings bei jenen, die unter 10.000 Schilling im Monat verdienen, am meisten bei den höheren Einkommensgruppen.

trink- und mineralwasser

Von den rund 130 Litern Trinkwasser, die jeder Österreicher täglich verbraucht, werden nur etwa drei bis vier zum Kochen und Trinken verwendet. Der Best ist Gebrauchs- oder Kosmetikartikel, ein Gutteil kehrt in den Kreislauf über die Klospülung zurück. Als Durstlöscher, so belegt die Studie „über den Stellenwert und Image von Trinkwasser" (Anke Tölgyes), liegt es

- nach Fruchtsäften und Mineralwasser - an dritter Stelle der Beliebtheitsskala. Städter trinken es häufiger gegen den Durst als Landbewohner; am öftesten wird der Hahn geöffnet, „wenn sonst nichts anderes da ist".

„Wasser hat keine Marke", meint die Psychologien Sofie Karmasin, „und verkörpert daher auch keine Welt."

Das Image des Trinkwassers wurde in den siebziger Jahren vom Markenträger Mineralwasser besetzt. In einer von „Bömerquelle" in Auftrag gegebene Studie wurden „die im archaischen Gedächtnis vorhandenen Assoziationen des Produktes Wasser" ergründet. Drei besondere Eigenschaften wurden ihm hiebei zugeschrieben: Vitalität, Erotik und Kulinarik. Vermeintliche Werte, die heute gerne in der grünen Flasche - ob leicht perlend, mit Pfirsich-Flavour oder natur-pur - gekauft werden. Ende der sechziger Jahre trank man - vertrieben über Drogerien oder Ab-Quelle -nur rund fünf Liter Mineralwasser pro Kopf. Heute sind es schon rund 70 Liter.

milch, kaffee und tee

Bund 100 Liter Milch trinkt der Österreicher pro Jahr. Ein Teil davon wird wahrscheinlich in den Kaffee gegossen, der aus derzeit acht Kilo Bohnenkaffee pro Jahr und Nase gebraut wird. (Ergibt zirka 192 Liter etwas dünneren Frühstückskaffee). Bund drei Tassen Kaffee trinkt der Österreicher pro Tag: ob es nun eine Melange, ein Einspänner oder ein Kleiner Brauner ist, wäre eine Studie wert.

Schwarzer Tee hingegen hat immer noch eher elitären Charakter. Knapp über 200 Tassen leert man hierzulande davon, und ebensoviele Tassen Kräuter- und Früchtetees. Wie in allen Industrieländern, sinkt auch bei uns der Verbrauch an Milch. „Trotz mehr als ausreichender Eiweiß- und Fettzufuhr kann jedoch kein verminderter Konsum an Milch empfohlen werden, „ warnt der Wiener Ernährungsbericht. Milcheiweiß und

- fett sind hochwertig, der Kalziumbedarf wird zu zwei Drittel aus dem weißen Getränk und seinen Nebenprodukten gedeckt. Ein klares Imagedefizit hat Milch bei der Jugend. Laut einer Erhebung in Wien ist es als „angepaßtes, zahmes und häusliches Getränk", das bei der Freizeitgestaltung keinen Platz hat, eher verpönt. Unter dem Motto „White Energy" soll der Kuh als Getränkelieferant wieder ihr Platz zugeteilt werden ...

Die Autorin, Gabriele Müller,

ist freie Journalistin in Wien.

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