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Millionen warten au Familien

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In Wien ist es schwer als Familie finanziell r gefördert zu werden, auch wenn das Einkommen deutlich unter der Armutsgrenze liegt.

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In Wien ist es schwer als Familie finanziell r gefördert zu werden, auch wenn das Einkommen deutlich unter der Armutsgrenze liegt.

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Durchschnittlich 20.808 Schilling beträgt das Einkommen eines Wiener Haushalts (Ausländer nicht mitgerechnet). Dies ist das Ergebnis einer IFES-Untersu- chung, die sich im neuen Wiener Familienbericht 1994 niederschlägt. Die 20.808 Schilling sind für Vizebürgermeisterin Ingrid Smejkal ein Grund zur Freude. Bei der Präsentation des neuen Wiener Familienberichts darauf angesprochen, daß Durchschnittseinkommen niemals berücksichtigen, wieviele Personen mit einem Einkommen auskommen müssen und viele Familien trotzdem in Armut leben, meinte die Vizebürgermeisterin, die überschüssigen Mittel beim Wiener Familienzuschuß zeigten, „daß die Wiener Familien nicht hineinfallen und genügend hohe Einkommen haben .

Tatsächlich wurden beim Wiener Familienzuschuß 1993 von den bud- getierten 55 Millionen Schilling lediglich 9,734.963 Schilling an die Familien ausbezahlt..

Die IFES-Studie „Soziale! und ökonomische Deprivation in Wien“ vom Jänner dieses Jahres, auf die sich Smejkal beruft, zeigt bei genau er Lektüre die verfehlte, Doppelverdiener begünstigende Familienpolitik, die sich nicht nur im Steuersystem, sondern auch bei den Fördermaßnahmen der Gemeinde Wien zeigt: „Den größten Einkommenszuwachs konnten jene Haushalte, in denen es zwei Einkommensbezieher gibt, erreichen, deren Anteil zudem auch in Relation zu den anderen Haushalten gewachsen ist.“

Wie die Studie weiter zeigt, ist „der Anteil der Armen und Armutsgefährdeten in den Familien-Haus- halten unverändert hoch geblieben.“ So gibt es im Haushaltstyp Vollfamilie eine Steigerung von 15 auf 16 Prozent Armutsgefährdurig zwischen 1985 und 1993.

Mit anderen Worten: Für die normale Vollfamilie hat sich die Situation kaum gebessert. Durch die ideologisch einseitige Ausrichtung der sozialdemokratischen Stadtverwal - tung auf die Erwerbstätigkeit beider Eltern geraten die Familien, die ihre Kinder selbst betreuen, unter die Räder. Gäbe man ihnen nur einen Bruchteil des Geldes, das für die Kinderbetreuungseinrichtungen ausgegeben wird, könnte der Familienzuschuß von einem Notnagel für Allerärmste zum Förderinstrument der Mehrzahl der Familien werden.

Ohne Ausländer gerechnet lebt ein Viertel der Wiener Haushalte mit einem Einkommen, das unter einem gewichteten Pro-Kopf-Einkommen von 8.870 Schilling liegt. Dabei nimmt IFES an, „daß sich das Armutspotential in Wien lediglich von den Inländern zu den Ausländern verschoben hat und bezogen auf die Bevölkerung in Wien insgesamt deutlich größer — und seit 1985 wohl sogar eher mehr denn weniger gewachsen — ist.“

Bemerkenswert ist das Außer- Acht-Lassen der Ausländerhaushalte in Wien deshalb, weil sich ihre Anzahl von 1985 41.600 bis 1993 88.100 mehr als verdoppelt hat. Da der Wiener Familienzuschuß auch den Ausländerfamilien zusteht, die bereits drei Jahre ihren ordentlichen Wohnsitz in Wien haben, ist nicht einzusehen, warum man gerade sie bei Armutsberechnungen außer acht läßt. Fürchtet sich die sozialdemokratische Rathausmehrheit vor ausländerfeindlicher Propaganda?

Wie der Katholische Familienverband der Erzdiözese Wien hervorhob, liegt der Grund, daß die Wiener Familien nicht unter die Anspruchsgrenzen des Wiener Familienzuschusses fallen, nicht darin, daß die Wiener Familien so reich geworden sind, sondern an antiquierten Richtsätzen als Berechnungsgrundlage der Familienarmut, unfairer Berechnung des Monatseinkommens nach Jahreszwölftel und nicht nach -vierzehntel, verwirrenden Tabellen der Richtlinien für den Familienzuschuß und unzureichender Information der Gemeinde Wien.

Während 1993 die Armutsgrenze bei 7.000 Schilling gewichtetes Pro- Kopf-Einkommen lag, verwendete die Gemeinde Wien den alten Satz für Ausgleichszulagenempfänger von 6.500 Schilling. Auch 1994 wurde diese Armutsgrenze von 6.500 Schilling beibehälten, obwohl der Richtsatz auf 7.500 Schilling angehoben wurde.

Eine weitere Verschärfung tritt durch die Berechnung des Monatseinkommens als Jahreszwölftel ein, während die Ausgleichszulage vier- zehnmal bezahlt wild. Durch diese Berechnungsmethode wird der antiquierte Richtsatz von 6.500 Schilling gewichtetes Pro-Kopf-Einkommen zu einem Jahreseinkommen von 78.000 Schilling hochgerechnet. Das reale Vierzehntel beträgt nur mehr 5.571 Schilling, liegt also fast zweitausend Schilling unter dem . Existenzminimum von 1994. Dadurch wird die Zahl der Anspruchsberechtigten drastisch reduziert.

Findet keine Aktualisierung des Familienzuschusses statt, der im letzten Landtagswahlkampf von den Sozialdemokraten stolz plakatiert wurde, ist sein Tod nur eine Frage der ^Zeit. Aus diesem Grund kämpft der Katholische Familienverband für

■ die jährliche Anhebung der Zuschußhöhen und Anspruchsgrenzen des Wiener Familienzuschusses entsprechend dem ASVG-Richtsatz für den alleinstehenden Ausgleichszulagenempfänger;

■ die Umstellung der Tabellen des Familienzuschusses auf Familiengröße und Jahresvierzehntel statt wie bisher Jahreszwölftel unter anteilsmäßiger Einrechnung der Sonderzahlungen;

■ eine detaillierte, allgemein verständliche und zielgruppengenaue Information über den Wiener Familienzuschuß, wie sie beispielsweise über Geburt^kliniken, Kinderambulatorien, Kinderärzte, Beratungsstellen et ceterea möglich wäre.

Der Autor ist Generalsekretär des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese fVien

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