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Mit 20 schon ans Alter denken?

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Spare in der Jugend, so hast du im Alter. Entspricht das der Realität oder können sich nur AYohlhabende eine private Pensionsvorsorge leisten?

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Spare in der Jugend, so hast du im Alter. Entspricht das der Realität oder können sich nur AYohlhabende eine private Pensionsvorsorge leisten?

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Michael Theil, Assistenzprofessor an der Wiener Wirtschaftsuniversität, Institut für Versicherungswirtschaft, Abteilung Risikomanagement und Versicherungen, über den Zwang für junge Menschen, privat für ihre Pension vorzusorgen:

DIEFURCHE: Ist es ratsamfür einen jungen Menschen zwischen 20und30 Jahren, schon heute privat für seinen Lehensahend vorzusorgen? MICHA Kl. Tu KU,: In erster Linie hängt das mit den Umverteilungsmöglichkeiten des einzelnen zusammen. Die Frage ist: Wie sehr muß ich mich heute einschränken, damit ich später etwas habe? Sich heute etwas vom Mund abzusparen, um später ein bißchen mehr zu haben, ist keine Alternative. Jeder muß sich erst einmal überlegen, welche Umverteilungsmöglichkeiten ihm zur Verfügung stehen.

Zuerst einmal, wieviel wird benötigt, um den gegenwärtigen Lebensunterhalt zu bestreiten, und wieviel bleibt dann übrig, um es in die Zukunft zu transferieren? Bei den 20-bis 30jährigen scheint mir eine private Pensionsvorsorge nach den Entscheidungsgrundlagen, die sie haben, nicht sinnvoll. Denn in diesem Alter haben die meisten andere, aktuellere Probleme. l)li:Fl UCIIK: .Das wuiersprwht doch doch der aktuellen Diskussion

Tu KU.: Risikopolitisch gesehen wird die gegenwärtige Diskussion nicht zum richtigen Thema geführt. Wesentlich wichtiger sind Fragen, die unmittelbarer die Erfüllung der aktuellen Bedürfnisse betreffen. So ist es zum Beispiel wichtiger, daß man für seine Kinder eine Überbrückungshilfe schafft, falls einem selbst etwas zustößt. Auch eine Haushaltsversicherung ist wichtig: Im Falle eines Rohrbruches, bei dem die Wohnung der Nachbarn beschädigt wird, kann man jetzt und sofort große Probleme bekommen, wenn man für den Schaden nicht aufkommen kann. Ein weiterer Aspekt ist natürlich auch, daß kaum jemand imstande ist, abzuschätzen, wie sich das System, in dem wir leben, und der Geldwert in zehn, fünfzehn oder gar vierzig Jahren verändern. Selbst große Unternehmen können nicht mit völliger Sicherheit vorausplanen. Mit diesem Unsicherheitsfak-tor müssen wir leben ...

Das Gefühl der Angst, in diesem Fall der Zukunftsangst, schärft den Blick auf unsere Probleme nicht.

Ganz im Gegenteil: Ängste vernebeln den Blick auf das Wesentliche. So verzerrt eben auch die laufende Diskussion den Blick auf die wirklichen Bedürfnisse der Menschen.

DIEFURCHE: Was benötigen die 20- bis 30jährigen?

THEIL: Versicherungen haben eigentlich erst in den letzten Jahren damit begonnen, sich an Kundengruppen zu orientieren. Lange Zeit haben sie stark produktorientiert gedacht, das heißt, man ist vom Produkt ausgegangen und hat sich überlegt, für wen das Produkt interessant sein könnte. Heute sieht man sich die Leute und das Spektrum ihrer Sicherheitsbedürfnisse an, bevor Produkte angeboten werden. Man geht das Problem also nachfrageorientiert an. Ich glaube, die 20- bis 30jährigen sind nicht unbedingt Kunden für Pensionsvorsorge und Lebensversicherungen. Die sind viel eher an Kranken-, Unfall-, KFZ- oder Haushaltsversicherungen interessiert. Denken Sie daran, welch riskante Sportarten man in dieser Altersgruppe ausübt. Allgemein gehen Angebot, aber auch Nachfrage sicher in diese Bichtung.

DIEFURCHE: Ist es ratsamer, sich aufdie Gegenwart zu konzentrieren? iTlII-'.ll,: Das hängt vom verfügbaren Einkommen ab und das gilt für jede Altersgruppe. Für Haftpflichtangelegenheiten gerüstet zu sein, erscheint mir wichtiger als die Sorge um die ferne Zukunft.

Nehmen wir ein Beispiel: Bis zu einem gewissen Zeitpunkt leben Sie allein, dann kommen Kinder. Nun gibt es einen Zeitraum von etwa 20 Jahren, in dem sie weniger verfügbares Einkommen haben als vor der Geburt Ihrer Kinder und nachdem die Kinder Selbständigkeit erlangt haben. In diesem Zeitraum ist es für Sie wichtig, daß Ihre Kinder für den Fall der Fälle abgesichert sind, bevor sie auf eigenen Beinen stehen, und dafür bieten sich Bisikolebensversicherungen an. Wenn die Kinder dann selbständig sind, haben Sie wieder mehr Geld zur Verfügung, vielleicht auch ein höheres Einkommen. Das ist eher der Zeitpunkt für eine Pensionsvorsorge. mefurchk: Ist es dann nicht schon ein bißchen spät?

THEIL: Abhängig vom verfügbaren Einkommen hat man dann sicherlich einen größeren Spielraum als ein Berufsanfänger. Ich meine, daß das eher der Zeitpunkt ist, um eine private Pensionsvorsorge zu treffen, gerade dann, wenn Kinder da sind. Zu einem früheren Zeitpunkt hat man wahrscheinlich viel größere Schwierigkeiten, sich die monatlichen Versicherungsbeiträge abzusparen. Außerdem ist es auch ganz natürlich und legitim, sich auf die Unterstützung der eigenen Kinder zu verlassen, wie das früher ja auch in unserer Gesellschaft üblich war.

Solange man nicht über ein gewisses Einkommen verfügt, muß man sich auf die momentanen Bedürfnisse konzentrieren. Ich glaube, das ist weniger ein Batschlag an die Generation zwischen 20 und 30, sondern vielmehr eine Notwendigkeit, die sich aus ihrer Lebenssituation ergibt. Das gilt vor allem für jene jungen Leute, die - wie das heute vielfach üblich ist -nur auf Werkvertragsbäsis arbeiten. Vermutlich können eher wenige unter ihnen Geld für eine private Pensionsvorsorge aufbringen.

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