Friseurin Lehre - © Foto: Aw Creative / Unsplash

Mit Coaching fit für die Lehre

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Trotz Mangel an Facharbeitern gibt es zu wenig Lehrstellen. Für Egon Blum sind jedoch überbetriebliche Ausbildungen kein Ersatz für eine Lehre.

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Trotz Mangel an Facharbeitern gibt es zu wenig Lehrstellen. Für Egon Blum sind jedoch überbetriebliche Ausbildungen kein Ersatz für eine Lehre.

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Erstmals können über 100.000 Lehrlinge bei der Nationalratswahl zu den Urnen gehen. Welche politische Gruppierung zu dem Thema Jugendarbeitslosigkeit und Chancenperspektiven überzeugende Lösungen anbieten kann, wird mit Sicherheit einige Wählerstimmen gewinnen. Allein, derzeit ist es im Wahlkampf noch recht ruhig um die Lehre. Und dies, obwohl die indirekt Betroffenen wie Eltern und Verwandte von Lehrlingen bzw. Lehrstellensuchenden durchaus an der Problematik Interesse zeigen dürften.

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Das Thema bekam in den vergangenen Wochen eine zusätzliche Brisanz, da vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres mehr als 10.000 Lehrstellen fehlen. Ebenso ist der Mangel an Fachkräften weiterhin eine Herausforderung für die österreichischen Betriebe. Hier kann die Lehre helfen, den Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb zu verteidigen, da sie die Basis für ein ausreichendes Fachkräfte-Angebot schafft.

Lehrstellen gesucht

Für den Lehrlingsbeauftragten der Bundesregierung, Egon Blum, stellt sich die Situation so dar: Auf der einen Seite gibt es die Unternehmen, die ausbilden möchten, aber keine geeigneten Lehrlinge finden. Auf der anderen Seite mahnt die Arbeitnehmerseite ein, dass die Wirtschaft mehr Lehrlinge aufnehmen soll. So wie mehr überbetriebliche Ausbildungsplätze angeboten werden müssen. Als Lösung für diejenigen Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz in der Privatwirtschaft bekommen, die aber dennoch einen Lehrberuf ergreifen möchten.

Die fehlenden Lehrstellen durch überbetriebliche Ausbildungsplätze auszugleichen, ist für Blum keine Lösung. Für ihn steht Prävention statt Reparation im Mittelpunkt. Nichts anderes als Reparatur seien Ausbildungszentren oder Ersatzmaßnahmen für eine Lehre. Diese kommen auch oft zum Tragen, wenn Jugendliche in einer Lehre scheitern, da sie trotz Pflichtschulabschluss nicht bereit dafür sind.

Vorwiegend haben jene Jugendlichen Schwierigkeiten in der Lehre, die mit schulischen oder sozialen Problemen kämpfen.

Für Blum liegt die Ursache in der Argumentation, dass jene, die nicht in einer Lehre gehalten werden können, ohnehin eine Ersatzausbildungsmaßnahme bekommen würden. Vorwiegend haben jene Jugendlichen Schwierigkeiten in der Lehre, die mit schulischen oder sozialen Problemen kämpfen. Schwierigkeiten, die vor dem Lehrbeginn schon bestanden.

Warum das Problem heute eklatanter zu Tage tritt als noch vor einigen Jahren, erklärt Blum damit, dass früher 18,4 Prozent nach der Pflichtschule keine Lehre gemacht haben. Heute sei der Anteil nur noch bei vier Prozent. "Wir haben 14 Prozent mehr in der Lehre, die früher nicht da waren."

Mehr Lehrlinge im Land

Faktum ist, dass Lehrlinge mit Schwierigkeiten beim sinnerfassenden Lesen und in den Grundrechenarten trotzdem in eine Lehre aufgenommen werden und schnell scheitern. Zusätzlich können seit 28. Juni Lehrlinge leichter gekündigt werden. Obwohl bereits jetzt bis zu 24 Prozent der Lehrlinge vor Abschluss der Lehre gekündigt werden. Blum fordert daher ein vorgelagertes Coachingsystem, um präventiv zu handeln. Mit dessen Hilfe solle eine Potenzialanalyse über die beruflichen Fähigkeiten der Jugendlichen erstellt werden.

Dies sollte spätestens bei den 14- bis 15-Jährigen in der Pflichtschule geschehen, am besten aber noch früher. Das heißt aber nicht, dass manche kurzerhand länger in der Schule bleiben sollen: "Wenn ein Schüler einmal mit der Schule abgeschlossen hat, dann ist da nicht mehr viel zu machen."

Es gehe Blum nicht darum, dass alle Hauptfächer nachgeholt werden müssen. Aber wenn es möglich wäre, mit besseren Deutschkenntnissen eine Lehrstelle zu finden, die dem Schüler gefallen würde, dann soll dieser vor allem in Deutsch gefördert werden. "Mit dem Ziel der Lehrstelle vor Augen wird dieser Schüler sich verbessern und die Lehrstelle antreten und einen Abschluss machen", ist Blum überzeugt.

Dies könne, wenn es sein muss, auch mittels Einzelunterrichts geschehen. All dies koste weniger als die nachgelagerten Ersatzausbildungsmaßnahmen, wie die überbetriebliche Ausbildung, die pro Person 12.000 bis 14.000 Euro pro Jahr kostet. Aber auch während der Lehre sollten die Lehrlinge begleitet werden, damit diese nicht aus der Ausbildung fallen. Um beim Beispiel Sprache zu bleiben, kann sich Blum einen begleitenden Deutschunterricht während der Lehre durchaus vorstellen.

Trotz allgemeiner fehlender Lehrstellen in Österreich sucht der Tourismus derzeit händeringend nach Lehrlingen (!). Dies macht Thomas Reisenzahn, Generalsekretär der Hoteliervereinigung, vor allem daran fest, dass die Betriebe im Tourismus stark expandieren und dass vor allem die 4- und 5-Stern-Hotellerie gut ausgelastet ist. Dass der Dienstleistungsbereich vor allem im Tourismus einen schlechten Ruf habe und deshalb wenige Jugendliche eine Lehre im Hotel- und Gastgewerbe antreten, lässt Reisenzahn nicht gelten.

Branchen mit Zukunft

2007 waren über 14.800 Lehrlinge im Tourismus beschäftigt. Das sind annähernd so viele wie in der Industrie, die 16.000 Lehrlinge ausbildete. Nein, der Ruf der Branche könne nicht verantwortlich sein, sondern, die Tatsache, dass viele Gesellen nach der Lehre ins Ausland gehen, um internationale Berufserfahrung zu sammeln.

Um die Lücke bei den offenen Stellen zu schließen, wünscht sich Reisenzahn eine Lockerung des Zugangs zum Arbeitsmarkt von Facharbeitern aus den neuen EU-Ländern. Denn nicht nur Köche sind gefragte Schlüsselkräfte, ebenso Restaurantfachkräfte. Doch diese fallen noch nicht unter jene Berufsgruppen, die bis zu einer gewissen Quote in Österreich arbeiten dürfen.

Auch als Zukunftsbranche sieht sich die Solarindustrie, und sie nützt den Jammer über fehlende Lehrstellen, um auf sich aufmerksam zu machen und Schüler für den Beruf des Solartechnikers zu begeistern. Mehr als 1000 zusätzliche Mitarbeiter sucht die "Sonnen-Branche" in den kommenden zwei Jahren. Ein Großteil davon soll durch neue Gesellen gedeckt werden.

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