Mit Ethik (nicht) rechnen

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Ethische Unternehmenswerte und die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft: Bei einer Veranstaltung in der Reihe "Welche Werte braucht die Wirtschaft" diskutierten Vertreter aller drei Gruppen.

Fast schon gehört es zum guten Ton bei großen Firmen, neben dem Bilanz-auch einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen, meist als Hochglanzbroschüre von eindrucksvollem Umfang, in der für alle Öffentlichkeit nachzulesen ist, welchen Werten sich das Unternehmen verpflichtet fühlt und welche gemeinnützigen Organisationen es finanziell oder ideell gefördert habe. Aber soll man den Unternehmen ihre ethischen Standards tatsächlich abkaufen?

Thomas Maak, Forschungsdirektor am Institut für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen in der Schweiz, befürchtet, dass es sich in sehr vielen Fällen "nur um einen opportunistischen Ansatz der Wirtschaftsethik handelt. Viele Unternehmen setzen sich mit dem Thema auseinander, investieren auch viel, aber eben unter strategischen Aspekten." Also nur, weil Ethik derzeit gut fürs Geschäft ist. Und eben nur solange das so bleibt. Das sei zwar immer noch besser als den "Maulwurf-Ansatz" zu wählen, der in der Ansicht bestehe, Unternehmen hätten ihre Aufgabe allein dadurch erfüllt, dass sie finanziell gewinnbringend wirtschafteten. Aber auch Opportunismus habe bei Ethiküberlegungen keinen Platz.

Nicht, weil Ethik Geld bringt

Bei der Veranstaltung "Welche Werte braucht die Wirtschaft" im Rahmen der Veranstaltungsreihe zu Fragen der Wirtschaftsethik von Respact Austria und dem Österreichischen Netzwerk Wirtschaftsethik in Kooperation mit der Furche vergangenen Mittwoch in Wien wurde über notwendige ethische Grundwerte für Unternehmen und die Rolle von Zivilgesellschaft und Politik diskutiert. Maak plädierte bei seinem Einführungsvortrag dafür, sich nicht von opportunistischen Überlegungen leiten zu lassen, sondern Ethik unabhängig von Rentabilitätsüberlegungen ins Unternehmen zu integrieren. Denn auch wenn sich Ethik rechne, sei es der falsche Ansatz, mit diesen Überlegungen an das Thema heranzugehen: "Die Stakeholder haben keine strategischen, sondern moralische Anforderungen an das Unternehmen. Daher darf man diesen Forderungen nach Ethik und Moral nicht mit Strategie begegnen."

Wolle man sich ernsthaft mit ethischen Standards auseinandersetzen und sie auch zu einem unabdingbaren Teil der Unternehmensphilosophie machen, stellten sich jedoch fünf große Herausforderungen, erklärte Maak:

"Die Anspruchsgruppen (Stakeholder) wie Mitarbeiter, Lieferanten, Aktionäre, Kunden, aber auch etwa künftige Generationen: Sie sind keine homogene Vereinigung, sondern haben unterschiedliche Ansprüche, die unterschiedlich begründbar sind. So fordert etwa der Umgang mit Mitarbeitern andere Regeln als die Bedachtnahme auf künftige Generationen.

"Diversität: Verschiedene Kulturen und Religionen, aber auch Geschlechter und Altersgruppen müssen unter Umständen unterschiedlich behandelt werden, um ihnen gerecht zu werden.

"Ethik: Hier stellt sich beispielsweise die Frage nach Lohngerechtigkeit, nach Menschenrechten, Arbeitsstandards und ähnlichem im eigenen Unternehmen, aber auch bei Lieferanten. Auch der Umgang mit Korruption fällt in diese Kategorie. Beispiel Japan: Viele große Unternehmen haben in ihrem Verhaltenskodex verankert, dass Mitarbeiter keine Geschenke annehmen dürfen, um Korruptionsverdacht von vornherein zu verhindern. Dieses Ansinnen birgt allerdings Probleme: In Japan etwa ist es üblich, zu bestimmten Feiertagen teure Geschenke zu machen und zu erhalten. Eine Ablehnung dieser Tradition würden japanische Geschäftspartner als Brüskierung empfinden. Unternehmen stehen also vor der Herausforderung, die Traditionen und Gebräuche in verschiedenen Ländern jeweils zu berücksichtigen, müssen sie aber auch mit ihren moralischen Werten in Einklang bringen.

"Nachhaltigkeit: Wie wird mit Umwelt und Ressourcen umgegangen? Welche Folgen haben technische Errungenschaften wie die Gentechnik?

"Humanität: Es stellt sich die Frage, wofür Unternehmen denn nun tatsächlich verantwortlich sind. Müssen sie sich im Kampf gegen Hunger, Armut und Aids engagieren und gegen korrupte Regierungen auftreten?

Maak betont, dass die Klärung dieser Frage und die Etablierung von ethischen Standards auf allen Unternehmensebenen Chefsache sei. Maak: "Der ceo ist nicht nur Chief Executive Officer, sondern auch Chief Ethics Officer."

Wirtschaft für die Menschen

Als Beispiel für die Etablierung von sozialen und ökologischen Werten ins Unternehmensleitbild nannte auf der Veranstaltung Johannes Attems, Vorstandsmitglied der Österreichischen Kontrollbank, sein Unternehmen und führte unter anderem an, dass Projekte einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen würden, bevor die Kontrollbank etwa eine Exportgarantie übernehme.

Auch Friedrich Macher, Vorstand des Logistikanbieters Kühne und Nagel, stimmte der Notwendigkeit ethischer Kriterien für das Wirtschaften zu und brachte sie auf die Formel des Sozialethikers Johannes Schasching: Unternehmen müssten menschengerecht, gesellschaftsgerecht und sachgerecht wirtschaften. "Wenn man sich in der Wirtschaft klar wird, dass die Wirtschaft für die Menschen da ist und nicht umgekehrt, dann erledigen sich viele Probleme von selbst", meinte Macher.

Allerdings dürfe man nicht die gesamte Verantwortung einem Teil aufbürden. Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik seien die drei Säulen der Gesellschaft und hätten daher alle ihre Aufgaben für die Gesellschaft zu erfüllen. Dabei müsse vor allem die Zivilgesellschaft als Korrektiv auftreten: "Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften wollen, werden durch die Politik zu wenig vor denen geschützt, die nur das schnelle Geld machen wollen." Daher sei die Zivilgesellschaft ein wichtiges Korrektiv.

Die Politik ist zu schwach

Dass nicht die Politik diese Aufgabe übernehmen könne, bedauerte die Gemeinderätin und Klubobfrau der Wiener Grünen, Maria Vassilakou: "Die Politik sollte die stärkste dieser drei Säulen sein, sie hat aber in den letzten Jahren alles dafür getan, dass sie die schwächste wurde." Denn auch sie will nicht allein auf den guten Willen der Wirtschaft vertrauen: "In Österreich besteht die schöne Tradition, dass die Wirtschaft für die Gesellschaft Verantwortung übernimmt. Aber soziale Spielregeln sind leicht zu umgehen. Die Politik hat daher die Verantwortung, verbindliche Regeln aufzustellen und für ihre Einhaltung zu sorgen." Durch den Trend "Mehr Privat, weniger Staat" könne sie das allerdings immer weniger, daher werde die Rolle der Zivilgesellschaft immer wichtiger, sie erreiche die Konsumenten und könne mit dieser "Macht" im Hintergrund vieles bewegen. Allerdings, ergänzte Vassilakou, dürften die Möglichkeiten der ngos auch nicht überschätzt werden: "Man muss schon fragen, wie weit der Konsument überhaupt finanziell und organisatorisch in der Lage ist, die richtigen Konsequenzen zu ziehen."

Verlässliche Konfliktpartner

Christian Neugebauer, Herausgeber des ngo-Magazins Glocalist, betonte demgegenüber, dass die Zivilgesellschaft als wichtiger Teil der Gesellschaft ihre Bedeutung in der Vergangenheit vor allem durch zwei große Verdienste gezeigt habe: "Durch die Französische Revolution hat die Zivilgesellschaft den modernen Staat geschaffen. Und sie hat zum Fall des Kommunismus beigetragen. Heute steht sie vor ähnlich großen Herausforderungen." Er betonte das großteils gute Einvernehmen zwischen Wirtschaft und Zivilgesellschaft. "Die NGOs lehnen Unternehmen ja nicht grundsätzlich ab, solange sie ökologisch und sozial gerecht wirtschaften", meinte Neugebauer. Nur wenn das nicht der Fall ist, sei die Zivilgesellschaft ein verlässlicher Konfliktpartner.

Weniger gut dagegen bewertet Neugebauer die Zusammenarbeit mit der Politik und vermisst die notwendige Unterstützung: Fehlende Spendenabsetzbarkeit und die Tatsache, dass die ngos nicht umsatzsteuerabzugsfähig seien, machten ihnen das Leben schwer. "Auch als wir bekannt gegeben haben, dass wir einen Rat der Zivilgesellschaft ins Leben rufen werden, haben wir von den Unternehmen nichts Negatives gehört. Es waren nur Politiker, die mich angerufen und gefragt haben, ob wir wahnsinnig seien."

Diese Seite entstand in Kooperation mit Respact Austria www.respact.at

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