Mit taktvoller Präzision

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Effizienter, günstiger und überhaupt vorbildlich: In der Diskussion über die ÖBB-Reform wird von vielen Seiten die Schweiz als Vorbild genannt. Die Furche fragte nach, was bei den Eidgenossen besser läuft.

In den Medien hierzulande normalerweise kaum präsent, könnte man fast meinen, die Schweiz friste ein für Österreich eher unbedeutendes Dasein. Doch plötzlich sind Politiker und Experten voll des Lobes für den westlichen Nachbarn. Was ist passiert? Ganz einfach, Bahnreformen stehen an. Und da, heißt es, hätten uns die Eidgenossen einiges voraus. Schließlich standen die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) bis zum Jahr 1999 vor ähnlichen Problemen wie die ÖBB heute: rote Zahlen und ein Mitarbeiterstab, der durch das Arbeitsaufkommen in keiner Weise gerechtfertigt war. Mittlerweile sind die SBB erfolgreich reformiert: Vom Bundesbetrieb wurde die SBB zu einer Aktiengesellschaft im Eigentum des Bundes. Der Unterschied zu früher: "Wir schließen jetzt mit der Regierung alle vier Jahre eine Vereinbarung ab, welche Leistungen wir erbringen und welche Ziele wir erreichen müssen", erklärt SBB-Sprecher Roland Binz. "Im Gegenzug wird vereinbart, wie viel Geld wir vom Bund bekommen." Es muss effizient gewirtschaftet werden, denn mehr als den ursprünglich ausgehandelten Zuschuss gibt es vom Bund nicht.

Schweizer Präzision

Eines der vereinbarten Ziele ist zum Beispiel, dass 95 Prozent aller Züge maximal vier Minuten Verspätung haben dürfen. Es wird sogar noch übertroffen: Zu 80 Prozent rollen die Schweizer Waggons auf die Minute pünktlich in den Bahnhöfen ein. Eine jährliche Produktivitätssteigerung von fünf Prozent ist eine weitere Herausforderung, der sich die SBB stellen müssen. "Das geht nicht nur über Stellenabbau, sondern vor allem über technische Innovationen", erklärt Binz. Für das abgebaute Personal würden sozial verträgliche Lösungen gefunden. Und zwar nicht Frühpensionierungen wie in Österreich, betont der SBB-Sprecher: "Das Pensionsalter ist grundsätzlich 65 Jahre, wer früher geht, muss Abschläge hinnehmen." Zudem beträgt die reguläre Pension 60 Prozent des Aktivbezuges, im Gegensatz zur ÖBB-Pension in Höhe von 83 Prozent des letzten Gehaltes. Kein Wunder, dass sich die ÖBB-Renten mit jährlich 1,4 Milliarden Euro im Bundesbudget niederschlagen...

Dass Mitarbeiter-Abbau auch ohne Frühpensionierungen funktioniert, zeigte die SBB, die heute rund 12.000 Mitarbeiter weniger beschäftigt als noch vor zehn Jahren. Denn eine der Leistungsvereinbarungen mit der Regierung war, dass kein SBB-Bediensteter gekündigt werden sollte. Es wurde also, sofern nicht ohnehin die (reguläre!) Pensionierung anstand, im Unternehmen oder außerhalb eine Lösung gefunden, beschreibt Binz die Taktik.

Auch der Deckungsgrad der laufenden Kosten ist bei den SBB höher als bei den ÖBB. Wilfried Puwein, ÖBB-Aufsichtsrat sowie Verkehrswirtschafts- und Infrastrukturexperte des Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO), auf die Frage, was den Erfolg der SBB ausmache: "Sie haben ein besseres Management." Effizientere Planung mit kurz- und langfristigen Zielen und die genauere Kontrolle durch den Bund als Eigentümer seien die Gründe für den Vorsprung. Zudem würde schneller auf veränderte Umstände reagiert. Hierzulande dagegen sei es schwer, Reformen durchzusetzen. Näheres will Puwein nicht sagen, im Gegensatz zu Klaus Rießberger, Vorstand des Institutes für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft an der Technischen Universität Graz: "In Österreich ist die Bahn in einer Schwarz-Rot-Mühle. In der Schweiz ist sie ein intelligentes Unternehmen und keine Gewerkschaftsbahn wie hier."

Stolz auf die Bahn

Auch die Einstellung der Schweizer Bevölkerung sei eine gänzlich andere, betont Rießberger: "Bei uns ist man der Meinung, dass man von der Obrigkeit einen Bahntransport angeboten bekommt. Die Schweizer dagegen sind stolz auf ihre Bahn." Dem entsprechend besitzt ein Drittel aller Schweizer einen Halbpreispass, dagegen nur jeder zehnte Österreicher. Im Jahr 2002 beförderten die SBB 340 Millionen Fahrgäste, die ÖBB etwas mehr als die Hälfte (obwohl Österreich knapp eine Million Einwohner mehr hat).

Allerdings liegt die Österreichische Bahn nicht in allen Bereichen hinter der Schweiz. Im Güterverkehr, den der SBB-Geschäftsbericht 2002 als Problem deklariert, transportiert die ÖBB jährlich 23 Millionen Tonnen mehr auf der Schiene. Und das, obwohl die auf allen Schweizer Straßen zu entrichtende Schwerverkehrsabgabe den LKW-Verkehr wesentlich teurer macht.

Ein weiterer Unterschied zwischen hier und dort ist, dass nur die SBB, die fast nur Hauptstrecken befahren, dem Bund gehören. Daneben gibt es auf den Nebenstrecken eine Vielzahl kleiner Bahnen, die von den Kantonen oder Privaten betrieben werden, aber in die Fahrpläne perfekt eingebunden sind, was lange Wartezeiten auf einen Anschlusszug verhindert. "Die Schweizer haben alles verknüpft, jede halbe Stunde ein Zug überall hin", schwärmt Rießberger. Und auch die kleinen Bahnen seien rentabel.

In Österreich dagegen bestehe dringender Reformbedarf, um ähnlich erfolgreich wirtschaften zu können wie die Eidgenossen, mahnt der Experte. Allerdings fehlt ihm die Zuversicht: "Man müsste die Bahn aus dem politischen Streit herausnehmen, aber das wird wohl nicht gehen."

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