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Mittel der Kaufkraftsicherung

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Für die Aufrechterhaltung und Förderung der wirtschaftlichen Tätigkeit ist sowohl im binnenwirtschaftlichen Bereich als auch bei den außenwirtschaftlichen Beziehungen ein hohes Maß von Vertrauen erforderlich, das sich primär auf das Wissen um die Integrität der Partner gründet, im wesentlichen aber auch durch die von der Person des Kontrahenten unabhängigen Risiken bestimmt wird. Das Bestreben, sich gegen Zufälligkeiten in der Preis- und Kursentwicklung abzusichern, hat im kommerziellen Verkehr zur Entstehung von Termingeschäften geführt, die auf den Warenmärkten als „Heding“ und auf den Devisenmärkten als Terminoperationen in einzelnen Währungen gang und gäbe sind. Diese Techniken betreffen jedoch nur bestimmte, relativ kurze Zeitspannen und haben eine weitestmögliche Freizügigkeit im internationalen Güter-, Leistungs- und Zahlungsverkehr zur Voraussetzung.

Beide Momente, nämlich kurzfristige Dispositionen und das Fehlen von Restriktionen, sind für die Entwicklung des internationalen Wirtschaftsverkehrs nach dem zweiten Weltkrieg eher atypisch. Beim zwischenstaatlichen Güteraustausch ist ein Trend zu langfristigen Kontrakten unverkennbar, und im Bereich des Zahlungsverkehrs, namentlich aber im Kapitalsektor, bestehen trotz der Fortschritte der Liberalisierung noch erhebliche Hemmnisse. Wenngleich sich daraus für die Beziehungen zwischen den industrialisierten Staaten weniger unerfreuliche Rückwirkungen als im Verkehr der Industrie- mit den Entwicklungsländern ergeben, erhöht sich dennoch in jedem Falle das Risiko der wirtschaftlichen Transaktion, insbesondere im Währungssektor, das durch Termingeschäfte auf individueller Ba.sis nicht ausgeschaltet werden kann.

Eine beschränkte Sicherungsmöglichkeit zur Wahrung des Wertes einer Auslandsforderung, also der Kaufkraft im außenwirtschaftlichen Bereich, bot geraume Zeit hindurch im internationalen Güter- und Kapitalverkehr die Verwendung von bestimmten Währungen, Dollar und Pfund, die zufolge der Möglichkeit, sie für Zahlungen verschiedenster Art zu verwenden, nicht nur begehrte Objekte zur Auffüllung nationaler Devisenbestände waren, sondern auch als Handelswährungen dienten und selbst im bilateralen Verkehr noch heute als Drittwährungen einen prominenten Platz einnehmen. Allerdings haben sich bezüglich ihrer Rolle als internationaler Wertmaßstab verschiedene Änderungen ergeben. Durch die zur Jahreswende 1958'59 erfolgte Einführung der Ausländerkonvertibilität für die meisten europäischen Währungen und die spätere Übernahme der Konvertibilitätsverpflichtun-gen gemäß Artikel VIII des IFM-Abkommens besitzt der Dollar nicht mehr die ausschließliche Vorzugsstellung einer konvertiblen Währung (lediglich der Schweizer Franken hat sie früher auch gehabt, ohne jedoch international als Schlüsselwährung zu fungieren), sondern teilt diese Eigenschaften neben dem Pfund mit dem belgischen Franc, der D-Mark, dem französischen Franc, der italienischen Lira, dem holländischen Gulden, der schwedischen Krone und dem österreichischen Schilling.

Das zufolge der anhaltend passiven Zahlungsbilanz der USA und der periodischen Krisen des Pfund erschütterte internationale Vertrauen in die beiden Weltwährungen hat einen verstärkten Rückgriff auf andere Währungen, vornehmlich im Kapitalverkehr, bewirkt. Bei Auslandsanleihen ist die Einheitlichkeit von Emissionsplatz, Anleihewährung und Börsennotierung nur noch selten zu finden; Fremdwährungsobligationen werden zum Beispiel in London oder Brüssel begeben und fallweise in Luxemburg notiert, wobei der Anleihewährung oft nur nomineller Charakter zukommt. Die Wahl einer bestimmten

Hartwährung erfolgt weniger wegen eines effektiven Bedarfes an dieser Währung, sondern aus anderen Motiven, so um die Kreditwürdigkeit des Schuldners entsprechend zu dokumentieren, die Emission attraktiver zu machen oder die Zinskonditionen zu ermäßigen. Für Schuldner und Gläubiger ist dieses Vorgehen nicht unproblematisch, da hierdurch das Schicksal der Verpflichtung beziehungsweise Forderung an das währungspolitische Verhalten des Landes der Nominalwährung gekettet wird. Auch die Währungsbehörden jenes Landes, dessen Währung die „Ehre“ einer derartigen internationalen Rolle genießt, sind in der Regel wenig darüber erbaut, abgesehen davon, daß sie nicht konsultiert werden, bilden die mit der Beschaffung der Mittel und Bedienung der Anleihen verbundenen Devisenoperationen Störungsquellen an den Devisenmärkten und behindern das kreditpolitische Liquiditäts- und Zinssatzkonzept. So wandte sich die schweizerische Nationalbank anläßlich einer sFr-Anleihe in London energisch gegen eine weitere Benützung des Schweizer Franken hei Anleihen außerhalb der Schweiz.

Um den aufgezeigten Schwierigkeiten zu begegnen, wurde eine neue Technik, nämlich Anleihen mit Optionsklauseln in bezug auf die bei der Zeichnung und beim Schuldendienst verwendeten Währungen, praktiziert, die jedoch keine größere Verbreitung gefunden hat. Bei wirklich freier Währungswahl des Gläubigers für Kapital- und Zinsenrückzahlungen bürdet diese Anleiheform dem Schuldner ein schwer überblickbares Risiko auf und hat bei den erforderlichen Devisenbeschaffungen des Schuldners ähnliche nachteilige Rückwirkungen auf die Devisenmärkte beziehungsweise auf die Liquiditätslage des Landes, dessen Währung benötigt wird. Eine Einengung der Möglichkeiten zur Wahl der Währung bei Aufbringung des Kapitals oder bei Bedienung der Anleihe mindert jedoch den Wert der Optionsklausel.

Als neuer Weg wurde deshalb von belgischen Instituten für internationale Emissionen die Verwendung einer Rechnungseinheit propagiert, die in Anlehnung an die von der EZU verwendete Konstruktion den Goldfeingehalt des Dollar als Bezugsgröße nimmt. Die Rechnungseinheit stellt jedoch keine “GöTdRTaüsel dar, sondern lediglich die Grundlage für die Paritätsstruktur der einzelnen EZU-Währungen zum Dollar. Die ziemlich komplizierte abstrakte Konstruktion und der problematische Berechnungsmodus im Falle von Paritätsänderungen hat diesen Emissionen wenig Breite zu verschaffen vermocht.

Zieht man das Resümee aus den Bestrebungen zur Sicherung der externen Kaufkraft von Forderungen, so ist festzustellen, daß keine befriedigende Lösung für dieses Problem gefunden wurde. Auch im binnenwirtschaftlichen Sektor hat es nicht an Versuchen gemangelt, eine stabile Wertbasis — namentlich im Interesse der Aufbringung langfristigen Kapitals und des Sparens — zu schaffen. Die gebräuchlichsten Formen waren Gold-und Indexklauseln. Während die Goldklausel nur vereinzelt gesetzlich zulässig ist, haben indexgebundene Anleihen (Lebenshaltungskostenindex, Index bestimmter Güterpreise) nd Sparguthaben beziehungsweise Glei-tende-Löhne-Klauseln als Mittel der Kauf-kraftsicherung verschiedentlich stark von sich reden gemacht. Vom Standpunkt der Währungspolitik aus kann der Effekt solcher Konstruktionen nur negativ beurteilt werden: Sie halten die Inflationsmentalität dauernd wach, untergraben das Vertrauen in die Währung und haben keinen wesentlichen Einfluß auf die Erhöhung des Sparvolumens. Zweifellos ist in unserer heutigen Wirtschaftsentwicklung ein inflationistischer Keim zu bemerken. Betrachtet man die Rate der Geldwertverschlechterung in den letzten zehn Jahren, so zeigt sich, daß eine weltweite Geldwerterosion stattgefunden hat, deren Ausmaß von 1,4 Prozent jährlich, wie im Falle der USA, über Sätze von 2,1 Prozent, wie im Falle Deutschlands, 2,7 Prozent im Falle Österreichs, 4,4 Prozent im Falle Frankreichs bis zu mehr als 20 Prozent bei den südamerikanischen Staaten reicht.

Die Schuld an dieser Entwicklung hat nicht zuletzt die Überbetonung des Wachstumsdenkens, die das Bewußtsein der notwendigen Stabilhaltung des Geldwertes zurückgedrängt hat. Gegen diesen Prozeß gibt es keine Sicherung des einzelnen Individuums durch Patentformeln. Eine stabile Währung und eine ungeschmälerte Kaufkraft sind die Frucht eines verantwortungsbewußten wirtschaftspolitischen Konzepts. Es erscheint daher zweckvoller, die Bemühungen aller nicht nur auf die Ersinnung neuer Möglichkeiten zur Kaufkraftsicherung in einer Welt der schleichenden Inflation zu verwenden, sondern im Wege der Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene die Voraussetzungen für einen stabilen Geldwert zu schaffen.

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