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Mitverantwortung für Verarmung
Hoffnung für 1,3 Milliarden Menschen, die mit weniger als einem Dollar pro Tag leben: Mit einem Prozent des Welteinkommens ließe sich extreme Armut bis zum Jahr 2020 ausrotten, sagt der Entwicklungsbericht.
Hoffnung für 1,3 Milliarden Menschen, die mit weniger als einem Dollar pro Tag leben: Mit einem Prozent des Welteinkommens ließe sich extreme Armut bis zum Jahr 2020 ausrotten, sagt der Entwicklungsbericht.
Wirtschaftswachstum garantiert Wohlstand. Und: Entwicklungsländer sind meistens selbst schuld, daß sie arm sind. Zwei weit verbreitete Irrtümer, gegen die das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) mit anschaulichen Fakten in Form des „Human Development Report” zu Felde zieht. Anders als andere Dokumente des UN -Papiertigers referiert der „Bericht über die menschliche Entwicklung” (erhältlich um DM 39,- bei: Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, Tel 0049/228/21-3646, Fax -7492 Dw.) keine diplomatisch verklausulierten, vagen Theorien. Er wird nicht in der Zentrale der Organisation in New York, sondern von Entwicklungsexperten außer Haus geschrieben. Statt nur das Pro-Kopf-Einkommen in einem Land heranzuziehen, erfaßt der Bericht auch - teilweise erstaunliche - Daten zur Versorgung der Bevölkerung mit Bildungs- und Gesundheitsdiensten. Der „Human Development Index” (HDI), eine Entwicklungsbewertung von 175 Ländern nach mehrheitlich sozialen Kriterien, ist Herzstück des Beports. Die Reihung, der eine Kombination von gewichtetem Pro-Kopf-Einkommen, Brutto-Einschulungs-quote und Lebenserwartung zugrundeliegt, sieht dieses Jahr - wie in den vorangegangenen - Kanada an der Spitze, gefolgt von Frankreich und Norwegen. Österreich weist zwar ein ähnliches Pro-Kopf-Einkommen wie die Grande Nation auf, liegt aber wegen geringerer Lebenserwartung nur auf Platz 12. Von den Industriestaaten kommen die Reformländer auf die niedrigsten Werte, mit Tadschikistan und anderen Ex-Sowjet-Republiken am Schluß.
Alarmierende Trends
Seit 1990 jährlich aktualisiert, gibt der HDI mittlerweile auch Trends wieder. Und die sind alarmierend: Nie zuvor ist der Stand der menschlichen Entwicklung gegenüber dem Vorjahr in so vielen Ländern (30) gefallen wie heuer.
Ein neu eingeführter Armutsindex erfaßt den Bevölkerungsanteil eines Entwicklungslandes, der eine Lebenserwartung unter 40 Jahren hat, die Analphabetenrate, den Prozentsatz an untergewichtigen Kindern unter fünf Jahren sowie an Menschen ohne Zugang zu Gesundheitsdiensten und sauberem Trinkwasser. Bei dieser Berechnung liegen Trinidad und Tobago, Kuba und Chile in Front, Sierra Leone, Niger und Burkina Faso halten die rote Laterne, nicht zufällig gleichzeitig jene Länder, die auch ein bei gröberer Ungleichbehandlung von Frauen abgewerteter Entwicklungsindex ganz am Ende führt.
Schulden-Mühlstein
Alarmierend die Dimension des Problems Armut: Die Zahl der Menschen, die täglich mit umgerechnet weniger als einem US-Dollar auskommen müssen, hat sich seit 1987 um 100 Millionen Personen auf 1,3 Milliarden erhöht.
Dabei käme die Ausrottung der extremsten Armutsformen - das ist die gute Nachricht - gar nicht teuer. Mit einem Prozent des Welteinkommens könnte Armut bis zum Jahr 2020 ausgemerzt sein, so die Berechnungen des Berichts. Gerade 0,2 Prozent des Welteinkommens wären nötig, um alle Menschen in den Entwicklungsländern die nächsten zehn Jahre mit grundlegenden sozialen Diensten zu versorgen. Die 20 am stärksten verschuldeten Staaten durch sozial gewidmete Entschuldung vom „Mühlstein um ihren Hals” zu befreien und zur Selbsthilfe zu befähigen, würde rund 5,5 Milliarden Dollar oder etwa soviel wie der Bau von Euro-Disney und weniger als ein Stealth Bomber kosten.
Daß diese Länder nicht einfach selbst schuld an ihren Schulden sind, klingt auch im UNDP-Bericht durch. Vor allem die USA und die EU müssen sich scharf für ihre mit hohen Agrarzuschüssen erkaufte Dominanz auf dem Weltmarkt für landwirtschaftliche Produkte kritisieren lassen: „Diese Förderungen in den reichen Ländern treffen die Entwicklungsländer hart. Erstens werden die Preise niedrig gehalten, sodaß sie wenig für ihre Waren bekommen. Und zweitens werden sie von den Lebensmittelmärkten in den reichen Ländern ausgeschlossen.” Drittens aber, so der Bericht weiter, seien lokale Lebensmittelproduzenten Dumpingmethoden durch billige Importe ausgesetzt. Damit werden die Unabhängigkeit bei der Versorgung und bescheidene Exportbemühungen untergraben.
Fairere Handelsbedingungen zählen daher ebenso zu den empfohlenen Maßnahmen wie der leichtere Zugang zu Privatkapital. Diese Grundlage für jegliche unternehmerische Initiative kommt auch kaum mehr aus der sogenannten Entwicklungshilfe. Bilaterale Gelder für Projekte machen gerade noch 0,28 Prozent der Bruttoinlandsprodukte der Industrieländer aus: der niedrigste Wert, seit 1970 - kaum in einem Land je erfüllte - Zielquoten festgesetzt wurden.
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