Mobil in die Sackgasse

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Keine Anzeichen für eine Änderung der Verkehrspolitik. Verständlich, denn die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Signale stehen auf Grün für mehr Mobilität.

Schlechte Nachrichten im kürzlich veröffentlichten Emissionsbericht des Umweltministeriums: Wieder ein Anstieg bei den CO2-Emissionen - plus vier Prozent. Hauptverursacher war der Verkehr. Seine Emissionen liegen mittlerweile rund 50 Prozent über jenen des Jahres 1990, dem Referenzjahr für die Klimaschutz-Vereinbarungen von Kyoto. Sie sehen vor, dass Österreich bis 2010 seine Emissionen um 13 Prozent zu verringern habe.

Das Faktum ist bekannt. Seit Jahren wird darüber geschrieben und in umweltbewegten Medien geklagt. Expertenrunden entwerfen Konzepte für einen zukunftsträchtige Verkehr. Und Politiker geben kund und zu wissen, sie seien sich ihrer Verantwortung bewusst.

Fragt sich nur: Wird sich da Entscheidendes ändern? Kaum, wie eine nüchterne Betrachtung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten erkennen lässt. Sie zeigt nämlich, dass alle Weichen in Richtung mehr Verkehr gestellt sind. Allein durch die internationalen Vereinbarungen entstehen laufend größere Wirtschaftsräume. In Europa ist die EU die treibende Kraft, auf Weltebene ist es die Welthandelsorganisation.

Im Zeitalter billigen Erdöls lassen sich die damit eröffneten Möglichkeiten auch verwirklichen. Für die meisten Halb- und Fertigprodukte fallen die Transportkosten nicht wirklich ins Gewicht. So wird es möglich, Güter über den halben Globus zu befördern.

Auch die Weltbank leistet durch entsprechende Finanzierung ihren Beitrag zu dieser Entwicklung. Im letzten Jahrzehnt flossen rund 13 Prozent ihrer Kredite in den Transportsektor, zwei Drittel davon in den Ausbau von Straßen. Damit ist ein weiteres Kennzeichen der Mobilität angesprochen: der überdurchschnittliche Anstieg des Straßenverkehrs. Er findet weltweit statt und alle Prognosen rechnen mit einer Fortsetzung des Trends. Er ergibt sich nicht zuletzt auch daraus, dass weiterhin mehr Geld in den Straßen- als in den Bahnausbau gesteckt wird. Verständlich wird dies, wenn man berücksichtigt, welche Bedeutung dem Auto als Wirtschaftsfaktor zukommt: Von hohen Verkaufszahlen hängen nicht nur Auto- und Erdölmultis - unter ihnen die weltweit größten Unternehmen -, sondern auch deren Zulieferer, der Straßenbau sowie der gesamte Wartungs- und Reparatursektor ab.

Diese Schlüsselstellung verdankt dieser Wirtschaftszweig der seit Jahrzehnten anhaltenden Nachfrage nach Autos. An den wachsenden Fahrzeugpark hat sich die Infrastruktur mittlerweile angepasst - und zwar so, dass der Mensch immer weniger ohne Auto auskommt. Das ist eine Folge der Entflechtung von Arbeits- und Lebensraum, der Übersiedlung von Einkaufszentren und Arbeitsplätzen an die Peripherie der Agglomerationen und der Zersiedelung von deren Umfeld. Der öffentliche Verkehr der Städte ist da überfordert. Und so wird die Freiheit, die der Autobesitz suggeriert, zum Zwang, der zunehmend schwerer abzuschütteln sein wird.

Dieser Zwang zur Mobilität hat aber nicht nur wirtschaftliche Aspekte, er entspricht einer Grundhaltung der Gesellschaft, wie Johann Günther in seinem Buch "Die neue Mobilität der Gesellschaft" (Studien Verlag, Innsbruck 2002) anhand von Beobachtungen illustriert. Mobilität erweist sich als Ergebnis und Erfordernis einer Gesellschaft, in der sich rasant die Grundgegebenheiten ändern. Sie ist die Folge der konsequenten Suche nach neuen, wirksameren Lösungen für gegebene Aufgaben, der systematischen Infragestellung des jeweils Bestehenden.

Eine enorme Beschleunigung habe die rasante Entwicklung der Datenverarbeitung gebracht, und zwar in den verschiedensten Sektoren: in der Bildung, im Gesundheitswesen, im Freizeitverhalten... Besonders deutlich werde das Phänomen im Bereich der Beschäftigung, die sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert hat: Die landwirtschaftliche Tätigkeit spielt in unseren Breitegraden eine nur mehr marginale Rolle, die Industriebeschäftigung schrumpft und der Dienstleistungssektor boomt.

Wirtschaftliche Aktivität sei immer weniger von Standortfragen, von Rohstoff-Ressourcen abhängig, meint Günther, ja, immer weniger auch von technischen Anlagen. Auch sie seien immer leichter zu transferieren. Und je mehr sich das Wirtschaften in den Bereich der Dienstleistungen verschiebe, umso weniger sei es ortsgebunden. Auf diese Weise entstünde heute der Typus des "Arbeitsnomaden", ausgerüstet mit Handy, Laptop und einem Know-how, das fortwährend ergänzt werden müsse.

Keine Frage, dass die Trends in diese Richtung weisen. Ob sie auf Dauer durchzuhalten sind, ist fraglich. Denn die Beschleunigung von Vorgängen setzt voraus, dass die Infrastruktur, die das Geschehen trägt, funktionsfähig bleibt. Gerade die wachsenden Verkehrs- und Umweltprobleme der Industriestaaten lassen jedoch erkennen, dass die fortgesetzte Forcierung von Mobilität an Grenzen stoßen muss.

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