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Im Rahmen des Abkommens über den weltweiten Handel mit Dienstleistungen sollen Arbeitnehmer aus Drittstaaten in der EU tätig werden dürfen. Gegner fürchten, der Arbeitsmarkt vertrage das nicht.

Die Arbeiterkammer ist dagegen. Der Gewerkschaftsbund auch. Und zahlreiche andere Organisationen sind nicht minder beunruhigt. Aber in Zeiten, in denen die Debatte um die Pensionsreform Seiten und Sendeminuten der österreichischen Medien füllt, übermittelte die Europäische Union von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt eine Liste nach Genf. Adressat: die Welthandelsorganisation (WTO). Inhalt: die Bereiche, in denen die EU-Staaten bereit sind, im Rahmen des Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS, siehe Kasten) ihre Märkte für andere WTO-Mitglieder zu öffnen.

Angst um den Arbeitsmarkt

Vor allem die möglichen Auswirkungen dieser Angebote auf den Arbeitsmarkt bereiten Arbeiterkammern und Gewerkschaften Sorgen. Denn künftig sollen Fachkräfte aus Drittstaaten für bis zu drei Jahre in die EU und somit auch nach Österreich entsandt werden können, um Dienstleistungen zu erbringen. Auch eine Entsendung zur Ausbildung und Karriereförderung ist vorgesehen. Vor allem Entwicklungsländer wie Indien oder lateinamerikanische Staaten hatten zuvor in ihren Forderungslisten an die EU die Öffnung der Grenzen für Fachkräfte im Dienstleistungsbereich gefordert. Betroffen davon sind, sollten sich die EU und die anderen WTO-Mitgliedern auf die angebotenen Bereiche einigen, rund zwanzig Branchen vor allem in unternehmensbezogenen Dienstleistungsbereichen und freien Berufen. Etwa Architekten, Übersetzer, Ziviltechniker, Forscher, Steuerberater, Rechtsanwälte, Ingenieure und Umweltdienstleister.

Nach dem ursprünglichen Zeitplan hätte die Liste mit den Offerten bereits Ende März bei der WTO eingelangt sein sollen. Doch sie wurde erst Ende April übermittelt. Denn die EU-Staaten konnten sich zu lange nicht auf eine gemeinsame Position hinsichtlich der Dienstnehmer-Entsendung einigen. Der Grund: Angst vor einer Verschärfung der in den meisten Mitgliedsstaaten ohnehin schon tristen Arbeitsmarktsituation. Einige Länder forderten daher eine Bedarfsprüfung, bevor die Entsendung von Arbeitskräften genehmigt wird. Andere wollten eine Quotenregelung. Auf dieser beruht nun auch die Einigung. Wobei die Ausgestaltung der Quote noch keineswegs klar ist. Die Kommission forderte ursprünglich, die Anzahl der aufzunehmenden Fachkräfte anhand der Bevölkerungszahl der jeweiligen Länder zu berechnen, was etwa die Arbeiterkammern ablehnen. Sie fordern eine flexible, nach Branchen gegliederte und auf die nationalen Bedürfnisse abgestimmte Quotenregelung. Offizielle Äußerung der Kommission zu diesem Vorschlag gibt es bis dato keine.

In einer Aussendung der Arbeiterkammer Wien kritisiert deren Präsident Herbert Tumpel die GATS-Angebotsliste als "weiteren Schritt zur Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für billige Arbeitskräfte aus dem Ausland." Denn, erklärt der Arbeiterkammer-Referent für Außenhandelspolitik, Werner Raza, gegenüber der Furche: "Die Liberalisierung betrifft vor allem Branchen, in denen der Lohn der wesentliche Kostenfaktor ist. Und ein indischer oder brasilianischer Ingenieur verdient bei gleicher Qualifikation nur einen Bruchteil dessen, was ein Österreicher verdient." Der Durck auf das Lohnniveau werde also durch den erhöhten Wettbewerb steigen. Raza hält es auch für möglich, dass dadurch heimische Unternehmen vom Markt gedrängt werden könnten, die die Dienstleistungen nicht zu den selben Konditionen anbieten können wie ausländische. "Letztlich wird die Arbeitslosigkeit steigen", befürchtet der GATS-Experte.

Zwar ist die Aufnahme von Fachkräften daran gebunden, dass Arbeitnehmerrechte nicht unterlaufen werden. "Aber es ist in der Praxis kaum zu kontrollieren. Und es gibt keine Haftung der österreichischen Auftraggeber dafür, dass der Arbeitnehmer korrekt beschäftigt wird", so Raza.

Dass im Gegenzug auch österreichische Fachkräfte in den außereuropäischen Raum entsandt werden könnten, glaubt Raza nicht. "Mir ist kein ähnlich weitreichendes Angebot zur Öffnung des Dienstleistungshandels seitens eines anderen WTOStaates bekannt."

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