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Mochovce ist noch nicht tot

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Der Kredit der EBRD zur Finanzierung von Mochovce wurde aufgeschoben. Ein Gesinnungswandel in Bratislava ist aber nicht in Sicht.

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Der Kredit der EBRD zur Finanzierung von Mochovce wurde aufgeschoben. Ein Gesinnungswandel in Bratislava ist aber nicht in Sicht.

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Mochovce ist tot”, „ERRD will nicht mehr hinter dem Projekt stehen”, „Mochovce oder EU-Reitritt?” - die letzten Entwicklungen bringen das umstrittene slowakische Kernkraftwerk Mochovce wieder auf die Titelseiten der Zeitungen. In Wien zumindest. Nicht aber hier in Rratislava. Da wecken ganz andere Ereignisse die Aufmerksamkeit der Leser: Die .Spaltung im Arbeiterverband beispielsweise, die staatlichen Eingriffe in privaten Investmentgesellschaften, eine Affäre und der damit zusammenhängende Rücktritt des Geheimdienstchefs.

Die Slowaken erwarten jedenfalls keine wesentliche Veränderung der Kernkraftwerkspolitik ihrer Regierung: „Wir wollen Mochovce so bald wie möglich fertigstellen. Mit jedem

Tag des Aufschiebens entgehen der Slowakei große Summen Geldes”, heißt es in der letzten Stellungnahme des Kabinetts Meciar.

Wie, wann und vor allem um welchen Preis geschieht diese Fertigstellung? Diese Frage ist noch unbeantwortet. Der für Ende März vorgesehene Entscheid der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) über eine Kreditgewährung wurde auf Ansuchen der solwakischen Regierung in letzter Minute aufgeschoben. Ein Angebot des tschechischen Unternehmens und Hauptlieferanten Skoda Prag ermöglicht es nämlich jetzt der Slowakei, sich eine günstigere Alternative auszusuchen. Man hofft, sich durch ein Engagement der Tschechen ein Drittel der AKW-Baukosten zu ersparen. Die Tschechen haben der Regierung Meciar nämlich ein deutlich billigeres Angebot samt Finanzierung gemacht. „Neue Möglichkeiten sind aufgetaucht, und wir möchten sie ausnützen. Keiner sollte uns jetzt etwas unterstellen, nur weil wir uns marktwirtschaftlich verhalten”, sagte daher auch der slowakische Wirtschaftsminister Jan Ducky in einem Interview mit der Tageszeitung „Smena”. „Alle anderen tun es genauso.” Der Europäischen Rank für Wiederaufbau und Entwicklung werde dieses Projekt Gewinn bringen, sagte Ducky, denn der Kredit werde samt Zinsen zurückbezahlt. „Wir werden diese Rank nicht überzeugen, an der Mochovce-Finanzierung teilzunehmen. Wozu denn? Es liegt doch in ihrem eigenen Interesse.”

Die Teilnahme von Skoda Praha am Mochovce-Projekt ist nicht neu, denn diese Firma spielte auch in den ursprünglichen Rauplänen eine große Rolle. Das Unternehmen sollte fast alle technologischen Anlagen liefern und zusammenbauen, um mit der Hilfe des franzöischen Konzerns Electricite de France (EdF), Rayernwerk und Siemens das Kernkraftwerk in Retrieb zu nehmen. Die französischen und deutschen Firmen sollten sich besonders auf den Si-cherheits- und Managementbereich konzentrieren.

Ist der Westen zu teuer?

Im neuen Vorschlag geht es darum, das westliche Management durch tschechisches und slowakisches zu ersetzen. Schon seit Reginn der Zusammenarbeit zogen Slowaken und Tschechen die Kostenansprüche der westlichen Partner in Zweifel. „Ein Topmanager bei Skoda bezieht das halbe Einkommen einer deutschen Assistentin - und das alles ist im Projektpreis eingerechnet”, sagte Frantisek Horky von Skoda Prag in der slowakischen Wirtschaftszeitung „Trend”. „Wir könnten da 30 Prozent an Investitionen ersparen.” Er meinte außerdem, daß die sicherheitstechnischen Verbesserungen slowakische und tschechische Experten auch selber machen können. Man haben Dukovany und Temelin gebaut und könnte auch Mochovce fertigbauen. Horky hält es für möglich, den ersten Rlock in Mochovce schon Ende 1997 in Retrieb zu nehmen.

Für die Slowakei ist das Angebot der Tschechen übrigens besonders günstig, weil diese daran - im Unterschied zur ERRD - keine Redin-gungen wie Strompeiserhöhungen oder die Schließung von Rohunice fordern. In Jaslovske Rohunice hat

übrigens die Versorgungsgesellschaft Slovenske Elekträrne in letzter Zeit rund zwei Milliarden Schilling in Sicherheitsmaßnahmen investiert. Man hat dort kein Interesse daran, dieses Kraftwerk zuzusperren.

Kein Wunder, daß der slowakische Finanzminister Sergej Kozlik jetzt von der ERRD günstigere Kreditbedingungen verlangt, wenn auch diese anderen Finanzierungsmöglichkeiten vorhanden sind. Der Westen solle sich sogar über das starke marktwirtschaftliche Denken des ehemaligen kommunistischen Staates freuen, heißt es in der Slowakei. Denn längst ist klar, daß es um Geld geht. Und um Einfluß. Es ist schon länger klar, daß Mochovce für die Franzosen und Deutschen ein Musterbeispiel für die zukünftigen Rau-und Umbaumaßnahmen in mehreren mittel- und osteuropäischen Kernkraftwerken werden sollte. Rei-de haben ziemlich viel in ihre Lobbyarbeit bei der ERRD investiert und sind jetzt enttäuscht.

Auch andere Länder haben Interesse daran, am Rall zu sein. Die USA, Tschechien, das technologisch starke Japan - und vor allem Rußland. Die Russen haben ihre Kernkraftwerk-Technologien wesentlich verbessert. Es wird davon gesprochen, daß sie bereits westliches Sicherheitsniveau haben, aus Konkur-

renzgründen werde darüber im Westen jedoch geschwiegen. Sie seien darum bereit, jede Chance auszunützen, um ihr Image zu verbessern.

Die einzigen, die nicht am Rall sind, scheinen die Österreicher zu sein. Meinen sie, bei einer tschechischen Firma oder bei der russischer Regierung wären ihre Chancen viel größer als in Europäischen Rank für Wiederaufbau und Entwicklung oder Euratom, Einfluß auf den Rau von Mochovce zu nehmen? Österreich muß die Übernahme des Projekts durch Tschechen und Russen als ein Signal deuten, daß der Kampf gegen Mochovce keinen Sinn mehr hat. Außenminister Alois Mock gab ja auch bereits zu, „ein völliger Verzicht auf diese Energieform ist nicht durchzusetzen”. Diente es nur der Reruhigung der öffentlichen Meinung in Österreich, als er kürzlich forderte, die Kernkraftwerke bei den Nachbarn sollten das westliche Sicherheitsniveau unbedingt erreichen? Für einen EU-Werberstaat wie die Slowakei muß das ja sowieso nahezu selbstverständlich sein.

Die Worte von Rundeskanzler Franz Vranitzky, daß das Verschieben der Entscheidung den ERRD über den Kredit für Mochovce ein riesiger Sieg der österreichischen Politik sein soll, klingen hier in der Slowakei ziemlich komisch ...

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