7090225-1994_26_21.jpg
Digital In Arbeit

Modell „Arbeit für alle "

19451960198020002020

Ohne Beispiel ist die steirische Initiative „Arbeit für alle" von Katholischer Aktion, Wirtschaftsund Arbeiterkammer.

19451960198020002020

Ohne Beispiel ist die steirische Initiative „Arbeit für alle" von Katholischer Aktion, Wirtschaftsund Arbeiterkammer.

Werbung
Werbung
Werbung

Begonnen hatte es mit einer Horrormeldung: Anfang des Jahres kletterten die Arbeitslosenzahlen in der Steiermark auf den höchsten Stand seit 1945 (siehe Grafik). Auch wenn sich die Situation seither wieder zum Besseren gewendet hat - Ende Mai waren in der Steiermark 31.187 Personen als arbeitslos vorgemerkt; um 4.188 Personen weniger als Ende April (minus 11,8 Prozent), beziehungsweise um 1.983 Personen weniger als Ende Mai 1993 (minus sechs Prozent) -für die gesellschaftlich relevanten Kräfte des Landes war dies Grund zum Handeln.

In einer in Osterreich bislang einzigartigen Aktion starteten die Katholische Aktion, die Wirtschaftskammer und die Arbeitskammer die Initiative „Arbeit für alle".

„Ich halte es für selbstverständlich und für einen Auftrag unseres Glaubens, am Schicksal der Menschen aktiv Anteil zu nehmen", erörtert Diözesanbischof Johann Weber im Fl'rche-Gespräch seine Beweggründe: „Und vielleicht konnten wir dazu beitragen, daß bei dieser Aktion gesellschaftliche Kräfte zusammengefunden haben, die sonst nicht miteinander auftreten würden. Da kommt uns sicher ein gewisser Vertrauensvorschuß zugute."

Die Aktivitäten der Katholischen Aktion seien nicht als parteipolitische Aktion zu verstehen: „Im Gegenteil - es geht nicht um Politik, sondern um die Anliegen aller Menschen dieses Landes, um die Solidarität untereinander." Er selbst, so Bischof Weber gegenüber der Furche, habe es in seiner Jugend am Beispiel von Eltern von Mitschülern erlebt, was es bedeute, „ausgesteuert" zu sein; dies dürfe sich nicht mehr wiederholen: „Bei der Arbeitslosigkeit geht es um mehr als um die Frage der materiellen Absicherung, es geht um das Gefühl ,nicht mehr gewollt und nicht gebraucht' zu sein."

Mit den Forderungen „Arbeit schaffen - Arbeit umverteilen - Arbeit teilen" wurde der Mai 1994 zum „Aktionsmonat" erklärt. Dazu gab es eine Plakatkampagne in der ganzen Steiermark, begleitend wurde ein Thesenpapier erstellt, um die öffentliche

Diskussion anzuregen und Problembewußtsein zu schaffen. Unterstützt wurde - und wird - die Aktion vom neugeschaffenen Medienverbund der steirischen Tageszeitungen (Kleine Zeitung, Kronen Zeitung, Neue Zeit) und des ORF-Landesstudios.

Bisheriger Höhepunkt der Aktion „Arbeit für alle" war ein „Arbeitsgipfel" mit Arbeitskammer-Präsident Erich Schmid, Wirtschaftskammer-Präsident Franz Gady und dem Präsidenten der Katholischen Aktion Steiermark, Heiner Herzog am 15. Juni in Graz. Beschlossen - und teilweise bereits verwirklicht -wurde ein koordiniertes Maßnahmenbündel:

■ Eine „Lehrstellenbörse" der steirischen Ausbildungsbetriebe, die an allen Bezirksstellen der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer, den Berufsinformationszentren sowie in den Pfarren kostenlos erhältlich ist (Ende Mai standen in der Steiermark 808 offenen Lehrstellen 659 vorgemerkte Lehrstellensuchende gegenüber).

■ Eine kostenlose „Jobbörse"

in allen Bezirksstellen der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer, dem Arbeitsmarktservice und in den Pfarren, um Angebot und Nachfrage auf dem steirischen Arbeitsmarkt besser zur Deckung zu bringen.

■ Eine „Unternehmerakademie" (geplanter Start im Herbst 1994) soll ambitionier-te Steirerinnen und Steirer dabei unterstützen, den Schritt in das Unternehmertum zu wagen und neue Arbeitsplätze zu schaffen.

■ Die Schaffung eines „Telekommunikationszentrums" am WIFI, um auch im Zeitalter der „Datenautobahnen" mit der internationalen Entwicklung Schritt halten zu können.

■ Anfang 1995 soll auch eine „Qualifikationsdatenbank" installiert werden, um auf dem Arbeitsmarkt die nachgefragte Qualifikation mit der angebotenen Qualifikation besser aufeinander abstimmen zu können.

Im zweiten Halbjahr 1995 sollen schließlich die Angebote der steirischen Erwachsenenbildungs-Institutionen in Form einer „Weiterbildungsdatenbank" vernetzt und auch allen Arbeitslosen zugänglich gemacht werden.

Die Initiatoren der Aktion „Arbeit für alle" verständigten sich auch auf ein Forderungsbündel, das sich vor allem auch an die verantwortlichen Politiker auf Landesund auf Bundesebene richtet: Gefordert wird etwa die Bekämpfung der Altersarbeitslosigkeit durch die Senkung der Lohnnebenkosten für über 50jährige Arbeitnehmer sowie durch die Aufhebung der Altersklausel (40 Jahre) für die Aufnahme in den öffentlichen Dienst.

Weiters wird angeregt, die Kriterien für Förderungen aus dem „Mittelstandsfonds" des Landes Steiermark zu ändern, sodaß auch Mittelbetriebe (mit 25 bis 50 Mitarbeitern), deren Jahresumsatz 50 Millionen Schilling nicht überschreitet, gefördert werden können. Und schließlich regt die Aktion „Arbeit für alle" die rasche Verwirklichung diverser Infrastrukturmaßnahmen an, etwa den forcierten Ausbau von Studentenheimen, den Bau des Semme-ring-Basistunnels, die Inangriffnahme des Projekts „Koralmbahn" sowie die beschleunigte Schließung der noch offenen Lücken im Autobahnnetz.

Nicht nur Bischof Weber zieht ein positives Zwischen-Resümee der Aktion, auch die Sozialpartner sind voll des Lobes für diese neuartige Form der Zusammenarbeit. Arbeiterkammer-Präsident Schmid: „Grundsätzlich ist die Katholische Aktion ein idealer Gesprächspartner. Sie hat in der Aktion ,Arbeit für alle' ihre soziale und moralische Kompetenz als Brückenbauer zwischen den verschiedenen Positionen bewiesen. Wir sollten nicht abstreiten, daß es Gegensätze gibt. Gegensätze beleben. Wesentlich ist, daß wir uns alle gemeinsam dazu bekannt haben, für die Menschen dieses Landes einzutreten." - Und Wirtschaftskammer-Präsident Gady geriet beim „ArbeitsgipfeL" ins Schwärmen: „Im phasenweise atemberaubenden Finale dieses Jahrtausends ist uns -damit meine ich Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und Katholische Aktion - mit österreichischem Maßstab gemessen so etwas wie ein modernes gesellschaftliches Märchen geglückt!"

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung