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Moderne Währungspolitik

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Sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene ist die Währungspolitik stärker in den Mittelpunkt der Diskussionen gerückt. Diese Entwicklung ist zu begrüßen, auch wenn die Ansichten fallweise stark differieren und die einzelnen Standpunkte nicht immer frei von subjektiven Interessen verfochten werden. Die Hauptpunkte, auf die sich die Erörterungen konzentrieren, sind im einzelstaatlichen Bereich die Richtigkeit des währungspolitischen Kurses und auf weltweiter Ebene die Frage, inwieweit das gegenwärtige internationale Währungssystem reformbedürftig ist.

Während letztere Frage erst seit einigen Jahren aktuell geworden ist und in der breiten Öffentlichkeit behandelt wird, sind die Überlegungen hinsichtlich der Gestaltung und Angemessenheit des nationalen währungspolitischen Kurses eine permanente Angelegenheit der Währungsbehörden, obgleich ihre Maßnahmen erst dann diskutiert werden, wenn sie den Zweck, nämlich stärker wirksam zu werden, erreichen. Daß die restriktiven Schritte in der jüngsten Vergangenheit fast überall in verstärktem Umfang als erhebliche Einengung empfunden werden, erklärt sich aus dem konjunkturellen Gleichschritt vieler wirtschaftlich bedeutender Länder, der seinerseits wieder die Folge der intensiven Verflechtung der einzelnen Volkswirtschaften ist. Das allgemeine wirtschaftliche Wachstum hat sich im vergangenen Jahr merklich verringert, doch ist dieser Prozeß keinesfalls als ein Schwächezeichen, sondern als Rückkehr zu normalen Bedingungen anzusehen, also eine Frucht der Bemühungen vieler Länder, einer übermäßigen Expansion entgegenzuwirken. Für das laufende Jahr ist anzunehmen, daß die gegenwärtigen konjunkturellen Bedingungen als Ganzes keine grundlegende Änderung erfahren werden und das Volumen des Güter- und Leistungsaustausches noch weiter, wenn auch in mäßigerem Umfang, expandieren wird. Angesichts des Zollabbaues im Zuge der europäischen Integration bedeutet dies, daß der internationale Wettbewerb härter werden wird und intensivere Anstrengungen namentlich für die österreichische Wirtschaft zur Behauptung der Stellung auf den Weltmärkten erforderlich sein werden.

Für die Währungsbehörden aller Länder, deren Politik restriktive Züge aufweist, erhebt sich somit die Frage, ob und in welchem Ausmaß Lockerungen angebracht erscheinen. Hiezu ist vorerst festzustellen, daß sich die Notenbanken bei der Gestaltung ihrer Politik von der binnenwirtschaftlichen Entwicklung, bei der Wahl ihrer Mittel jedoch von bestimmten außenwirtschaftlichen Rücksichten leiten lassen. Der wirtschaftliche Ablauf war in diesen Ländern durch das Auftreten von stärkeren Spannungen im Preis- und Lohngefüge sowie einem Mißverhältnis zwischen privater und öffentlicher Nachfrage gekennzeichnet. Die Aktionen der Notenbanken bezweckten, die von der monetären Seite ausgehenden Auftriebstendenzen zu bekämpfen, sie konnten aber nur in beschränktem Umfang auf das den politischen Einflüssen stärker ausgesetzte Verhalten der öffentlichen Hand und die Verhandlungen der Sozialpartner Einfluß nehmen. Für einen Abbau der Restriktionen der Währungspolitik, wie er verlangt wird, ist als erste Voraussetzung im binnenwirtschaftlichen Rahmen eine bessere Abstimmung zwischen Angebot und Nachfrage erforderlich, kurz ein konjunkturgerechteres Verhalten aller am wirtschaftlichen Produktionsprozeß Beteiligten. Daß seitens der österreichischen Nationalbank den Erfordernissen der Wirtschaftslage entsprechend Rechnung getragen wird, zeigen die Maßnahmen des vergangenen Jahres. Der im wesentlichen aus einer witterungsbedingten Verteuerung der Agrarprodukte resultierende Preisauftrieb wurde ebensowenig wie die — im Interesse des wirtschaftlichen Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit vertretbare — umfangreiche Kreditexpansion zum Anlaß von Restriktionen, sondern lediglich zu einer Umgruppierung im kreditpolitischen Einsatz der Instrumente genommen, allerdings unter verstärkter Bedachtnahme auf ihren Liquiditätseffekt. Das Auslaufen der Bindungen von Auslandsguthaben wurde durch eine Anhebung der Mindestreservesätze kompensiert und die expansive Wirkung der Senkung der von den Instituten zu beobachtenden Liquiditätssätze durch die Verpflichtung zu Reinvestitionen der freiwerdenden Mittel in Geldmarkt- schatzscheinen, BIZ-Wechseln und Auslandsguthaben aufgewogen. Wohl hat die Nationalbank im Interesse einer besseren Überbrük- kung temporärer Liquiditätsanspannungen der Institute eine Erleichterung bzw. Verbilligung des Lombards verfügt, die Aussichten für eine grundlegende Lockerung der Restriktionen werden jedoch von der weiteren Entwicklung der binnenwirtschaftlichen Liquidität und der Wiederherstellung des wirtschaftlichen Gleichgewichts abhängen.

Die Sorge um eine adäquate Liquidität findet auf internationaler Ebene ihre Parallele in den Studien, wie das internationale Währungssystem verbessert werden soll. Es besteht nach wie vor allgemeine Überzeugung, daß die sogenannte internationale Liquidität, also die Summe aller den Notenbanken zur Begleichung der Debetsalden im zwischenstaatlichen Zahlungsverkehr zur Verfügung stehenden Mittel, ausreichend ist, wenn auch einzelne Länder über einen Mangel und andere über einen Überfluß klagen. Grundsätzlich wird von der internationalen Währungsordnung verlangt, daß sie elastisch genug sei, um eine gesunde wirtschaftliche Expansion zu gestatten, anderseits soll sie aber doch so straff sein, daß sie ein ungebührlich langes Andauern von Ungleichgewichten verhindert, das heißt, den wirtschaftlichen Korrekturprozeß bestmöglich fördert.

Über die Dringlichkeit der Reform mag man verschiedener Meinung sein, eines steht jedoch fest: Kein noch so kunstvoll konstruiertes System wird auf die Dauer funktionieren können, wenn die Teilnehmer die Spielregeln nicht einhalten. Für das System des Gold- Devisen-Standards bedeutet das, weisen Gebrauch von dem gebotenen Ausmaß an wäh- rungs- und wirtschaftspolitischer Autonomie zur Beeinflussung des wirtschaftlichen Geschehens zu machen. In Währungsbelangen hat sich dank der Zusammenarbeit der Notenbanken in dieser Beziehung vieles gebessert. Hingegen läßt die internationale Abstimmung des wirtschaftspolitischen Konzepts, vor allem aber der Rangfolge der anzustrebenden Ziele, noch vieles zu wünschen übrig. Die Selbstdisziplin ist aber einmal die conditio sine qua non für das gegenwärtige Währungssystem, und ein Verzicht, sie zu üben, bedeutet ä la longue entweder einen Zusammenbruch des Systems oder die Wahl einer Währungsordnung mit Zügen einer starren Automatik, welche den Anpassungsprozeß erzwingt.

Die Grundannahme muß daher in jedem Falle sein, eine bewußte Inkaufnahme von Zahlungsbilanzdefiziten über längere Zeiträume hinweg nicht einmal in Betracht zu ziehen, sondern vielmehr den wirtschaftlichen Anpassungsprozeß zum Ausgleich der Zahlungsbilanz im Sinne einer Beschleunigung zu verbessern und bei einer Neuordnung den derzeit verwendeten Mechanismus in weitem Umfang zu übernehmen und zu ergänzen. Die nationale Währungspolitik wird in einem solchen System weder überflüssig noch unabhängig. Im Gegenteil, die bisher gepflogene Form der Kooperation wird eher noch vertieft und darüber hinaus der Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder die Verpflichtung auferlegt werden, die ihren Aktionen durch das System gezogenen Grenzen besser zu beachten, um eine Expansion der Wirtschaft und eine Ausweitung des internationalen Güter-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs zu ermöglichen, wie sie uns das bestehende System in den zwanzig Jahren seiner Existenz seit Kriegsende gestattet hat.

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