Nachher ist immer alles ganz klar

Werbung
Werbung
Werbung

Information, so hört man sinngemäß oft, sei für das Leben in einer Demokratie unverzichtbar. Dieser Gemeinplatzformulierung kann man schwer widersprechen. So manche Detail-Information trägt aber selbst für einen Medienkonsumenten, der "sinnerfassend lesen“ (bzw. hören/sehen) kann, bestenfalls zur Verwirrung auf höherem Niveau bei.

So werden beispielsweise im Tagesrhythmus in vielen Medien die Schwankungen der Aktienkurse "erklärt“. Dabei wird für jede Veränderung an den Börsen im Nachhinein ein "Grund“ erfunden. Wenn es hochgeht, sind es zwei. Einmal ist es die "gedrückte Stimmung“ der Investoren/"Spekulanten“/Börsenhändler wegen eines gerade veröffentlichten Index; dann ist es deren "Laune“, die durch die Performance an einer anderen Börse gehoben oder getrübt wurde. Beim naiven Rezipienten führt das allerdings bestenfalls zur Verwunderung über die Feinfühligkeit der "Händler“. Mit welchen Methoden diese ihre Entscheidungen treffen, wird selten thematisiert (automatisch? computergestützt? quantitativ abgesichert?). Das geschieht nur gelegentlich: Wenn z. B. irrtümlich eine Kommastelle vertauscht wurde und ein Händler eine Million Aktien (statt 100.000) auf einen Schlag verkauft und damit eine Panikreaktion an der Börse auslöst.

"Erklärungen“ post hoc sind nicht viel wert. Sie befriedigen lediglich das Bedürfnis jeder "Wirkung“ einen "Grund“ zuzuordnen. Gäbe es wirklich stichhaltige Gründe, die nicht ihrerseits auf komplexen Phänomenen beruhen, wären ja auch Prognosen möglich; deren Eintreffen wäre überprüfbar. So aber gaukeln "Erklärungen“ nur vor, dass die Medien die Ereignisse deuten können. Der schlichte Leser jedoch hat das Erlebnis: "Es ist alles ganz klar. Das Problem ist nur, ich kenn mich alle Augenblick net aus“ (J. N. Nestroy).

Der Autor ist Konsulent bei GfK Austria

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung