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Nahversorgung bedeutet mehr Lebensqualität

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Die Zukunft der Industriegesellschaft wird im ländlichen Raum entschieden!” Diese Aussage machte der bekannte Zukunftsforscher Hans Millendorfer.

Der ländliche Raum hat sich durch die Jahrhunderte zu einem stabilen Faktor der Gesellschaft entwickelt. Die Strukturen hatten das „menschliche Maß”. Wohnen, arbeiten, einkaufen, leben waren in zumutbarer Reichweite. Durch den Mangel an wirtschaftspolitischen Visionären und durch die kurzsichtig und kurzfristig denkende Gesellschaft veränderten sich die Strukturen zunehmend zum Negativen. Noch vor 20 Jahren gab es in Österreich über 20.000 Lebensmittelgeschäfte und über 7.000 Fleischhauer. Bei den Lebensmittelhändlern sind wir derzeit weit unter der Hälfte angelangt, bei den Fleischern unter einem Drittel. Dies hat natürlich weitreichende Auswirkungen auf die regionalen Absatzmöglichkeiten der Bauern, auf die Einkaufsmöglichkeiten der Konsumenten und auf die Arbeitsplatzsituation. Die Aushöhlung des ländlichen Raumes durch Bauernsterben, Gewerbeschließungen, Arbeitsplatzverlust, Pendlerschicksal, Verkehrsstaus, ökologische Probleme, Identitätsverlust schreitet fort.

Konsumenten, Arbeitnehmer, Gewerbetreibende und Bauern müssen von der Politik „lebensfreundliche” Rahmenbedingungen verlangen, die zu einem neuen Aufschwung im ländlichen Raum führen. Gleichzeitig müssen die genannten Partner selbst alle ihre Möglichkeiten zur positiven Beispielswirkung nutzen.

SPKS (Studiengruppe für Projekte zur Erneuerung der Strukturen) in Schlierbach arbeitet an einem Pilotprojekt „Kooperation Gewerbe - Bauern” mit folgenden Zielen:

■ Erhaltung und Förderung der noch vorhandenen Klein- und Mittelstrukturen;

■ Entwicklung neuer Absatzmöglichkeiten für die Bauern; j

■ Aufrechterhaltung und Verbesserung der Nahversorgung;

■ Eindämmung der Verkehrsflut - ökologische Neuorientierung;

■ Verbesserung der Voraussetzungen für einen „sanften 'Tourismus”;

■ Umsetzung der Brüsseler Parole des „Europa der Begionen” in die Praxis.

Wichtigster Punkt bei der Realisierung diesr Ziele ist die Bewußtseinsbildung: Denn wenn der Käufer nicht will, daß es in Zukunft auch Bauern und örtliche Kaufgeschäfte geben soll, haben wir keine Chance.

Die Chancen steigen mit der Vielfalt des Angebotes von regionalen Spezialitäten. Die Innovative Erzeugergemeinschaft Kremstal (IEK) hat auf ihren Märkten Schlierbach und Kirchdorf über 650 verschiedenartige Spezialproduk-te entwickelt. Zur qualitativen Unterscheidung haben 50 Bauern den jüngsten und kleinsten Bioverband Österreichs unter der Dachmarke „Hofmarke” gegründet. Die Spitzenprodukte „Hofmarke Wildhendl”, „Hofmarke Bioschwein” und „Hofmarke Bio-Rind” werden bestens angenommen.

Nur persönliche Überzeugung durch Resuch am Bauernhof schafft Vertrauen. Schlierbach ist der einzige Ort Österreichs, der ein eigenes Exkursionsservice für Konsumenten anbietet. Durch Besichtigung, Erklärung und Verkostung wird so manches Einkaufsverhalten geändert.

Das Pilotprojekt startet mit zehn gewerblichen Partnern und Bauern. Der Probelauf ist gemacht und ermutigt. Die Ergebnisse werden in der Folge publiziert und multipliziert. Diese Initiativen aus der Basis kommen zu einer Zeit, wo ein möglicher Zusammenbrach der „Groß-strakturen” den Ruf nach „small is beautiful” wieder hörbar macht.

Der Autor ist

Präsident von SPKS und Ohmann des Hofmarke-Dachverbandes für biologische Landwirtschaft und üirektvernarktung. t

Steuerliche Umverteilung zu den Familien

„Die Familien müssen steuerlich bessergestellt werden”, fordert Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer. Bei der kommenden Steuerreform muß eine Umverteilung zu den Familien stattfinden. Mit allem Nachdruck verlangt der Ö VP-Landesparteichef ein steuerliches Existenzminimum für jedes Familienmitglied. „Die Entscheidung zu einer Familie darf nicht den Weg in die Armut bedeuten”, betont Pühringer, Darüber hinaus plädiert er für die Einführung eines Kinderbetreuungsschecks.

„Die Familien sind das wichtigste, bedeutendste und umfassendste soziale Netz, das unsere Gesellschaft hat”, spricht Pühringer die Leistungen zum Beispiel im Bereich der Kindererziehung und bei der Pflege älterer Menschen an. „Was hier die Familien leisten, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden und wäre für die öffentliche Hand nie finanzierbar”, stellt Pühringer fest, der für sie nun den „gerechten Lohn der Gesellschaft” einfordert. Bei der kommenden Steuerreform muß eine Umverteilung zu den Familien gemacht werden.

Zentrale Forderung: Ein steuerfreies Existenzminimum für jedes Familienmitglied. In Deutschland wurde dies mit einem Freibetrag von rund 35.000 Schilling jährlich bereits verwirklicht. „Sorgepflichten müssen im Steuersystem berücksichtigt werden”, verlangt der Landeshauptmann. Daß die Zeit drängt, beweist die Mikrozensus-Statistikvon 1993. Demnach müssen knapp 20.000 oberösterreichische Familien mit einem Pro-Kopf-Einkommen von unter 6.200 Schilling leben. „ Es darf keine Frage sein, ob man sich Familie leisten kann”, erklärt Pühringer.

Zudem verlangt die ÖVP Oberösterreich die Einführung eines Kinderbetreuungsschecks. Alle Mütter und Väter, bei denen ein Kind unter vier Jahren im gemeinsamen Haushalt wohnt, sollen pro Monat 6.000 Schilling als Betreuungsscheck erhalten. In diesem Betrag sind auch die bisherigen Leistungen wie Karenzgeld oder Sondernotstandshilfe enthalten. Darüber hinaus ist man sozialversichert. Besucht das Kind eine Betreuungseinrichtung, wird der Scheck dort abgegeben. Wird es zu Hause von Vater oder Mutter betreut, bleibt der Familie das Geld. „ Damit wäre erstmals eine echte Wahlfreiheit gegeben, und viele Eltern müßten nicht mehr aus finanziellen Zwängen arbeiten gehen”, ist Pühringer überzeugt, Weiters würde damit die Kinderbetreuung von der Gesellschaft als Arbeit anerkannt werden. Oberösterreich bietet dem, Bund an, dieses Modell im Rahmen eines Pjlotversuchszu erproben.

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