Netzwerke als dritter Weg

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Ist Globalisierung ethisch? Oder ist sie vielmehr per se unethisch? helmut f. karner geht im folgenden Beitrag der Frage nach, wie gerecht die Globalisierung tatsächlich ist und welche Tugenden des Einzelnen sie erfordert.

In Zeiten der zunehmend freien Märkte, verschwindenden Grenzen und weltweiten Handels- und Finanzströme rufen immer mehr Menschen und Gruppierungen wie selbstverständlich nach mehr Ethik in der Globalisierung. Aber zu allererst stellt sich doch die Frage: Wie ethisch oder unethisch ist die Globalisierung per se eigentlich? Die Antwort: Sie ist beides.

Denn die zunehmende Globalisierung hat durchaus auch positive Beiträge zur Prosperität unserer Gesellschaft und der Würde der Menschheit erbracht: Gesellschaften, Länder haben heute erstmals die Chance zur Teilnahme am internationalen Marktgeschehen. Viele (mittel-, osteuropäische Länder, Südostasien) nützen sie durch engagierte, verlässliche Mitarbeit in der internationalen Arbeitsteilung und schaffen damit Prosperität. Sie ziehen (vorerst) hauptsächlich manuelle Arbeit aus den Hochlohnländern ab und tragen so zu einer gerechteren Verteilung der Arbeit weltweit bei. Wir im reichen Westen sollen nicht trauern über die von uns selbst veranlasste Abwanderung der Arbeit - wir haben sie durch das Leben des Wohlfahrtsstaates über seine Verhältnisse großteils nicht mehr leistbar gemacht.

Weltweite Umschichtungen

IBM hat vor acht Jahren eine Fabrik in Irland geschlossen, sie mit modernsten Investitionen mit 8.000 Mitarbeitern in Ungarn neu aufgebaut und jetzt wieder geschlossen, um sie nach China zu verlagern. Philips hatte einmal in Wien 14.000 Mitarbeiter, jetzt sind es noch knapp über 2.000. Der Großteil des ehemaligen Mitarbeiterstabes wurde nach Ungarn verlagert, dort wurden eben wieder 3.000 Mitarbeiter abgebaut, die Produktion geht nach China.

Unternehmen können ausweichen (auch vor der Ausbeutung durch den eigenen Staat), können ihr Risiko besser steuern, um die (leistbare, wertschöpfende, wettbewerbsfähige) Arbeit im Heimatland nachhaltig zu schützen. Wir können Richtiges am richtigen Ort produzieren, da hat die Globalisierung durchaus ihre Meriten. Der Bruder der Globalisierung heißt ohnehin Lokalisierung, und die steigt mit zunehmendem Anteil der Dienstleistungen und der Wissensgesellschaft.

Schaffen wir als dringendste Voraussetzung eines weiteren Fortschritts der Gerechtigkeit das Upgrade in der Bildung vor allem der Länder der dritten Welt, damit sie an der Wissensgesellschaft teilhaben können, dann haben wir wenigstens die Strukturen für Gerechtigkeit geschaffen.

Natürlich gibt es noch unendlich viel zu verbessern: Die Erdengüter sind für alle da - wer mehr erhalten hat, hat also eine zusätzliche Verpflichtung zum Teilen. Die geistige Not ist heute noch viel stärker als die materielle. Wenn im World Index of Happiness of Nations allerdings der erste westeuropäische Staat an 37. Stelle aufscheint, stellt sich auch die Frage, wie die Gerechtigkeit verlagert ist.

Nach dem Sozialethiker Johannes Schasching hat die Wirtschaftethik darauf zu achten, sachgerecht, menschengerecht und gesellschaftsgerecht zu sein.

Zur Sachgerechtigkeit: Noch stimmt vieles nicht in der weltweiten Transparenz. Der Verbrauch von Natur und Umwelt wird noch nicht mit den richtigen Preisen versehen und führt daher zu ungerechter Ausbeutung vor allem des Südens. Die Versuche, wirtschaftliche Wertschöpfung zu bewerten, werden mit zunehmender Bedeutung der immateriellen Vermögensgegenstände immer hilfloser. Bei der letzten Bewertung der tausend größten Wirtschaftsunternehmen der Welt ("Business Week 1000", Stand 30. 5. 2003) lag deren Marktwert beim 2,4-fachen des in den Bilanzen nachvollziehbaren Buchwertes, in der USA bei 3,4. In "besseren" Börsenzeiten lag dieses Missverhältnis bei über sieben. Das heißt: sechs Siebtel des Unternehmenswertes sind nicht genau nachvollziehbar, in den Bilanzen steht es als good will. Daher ist die Transparenz der Märkte nicht gegeben, vor allem nicht die hochgelobte - und als These für die Effizienz der Märkte herhalten müssende - Symmetrie der Information.

Aber: Die Transparenz der Märkte macht Fortschritte, die Diskussion über Corporate Social Responsibility, die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, hilft viel. Immer mehr Transmission der Geldvermögen in die Schaffung realwirtschaftlicher Wertschöpfung findet lokal über direkte Investitionen statt, nicht mehr über Börsen.

Zur Menschengerechtigkeit: In der Wissensgesellschaft (die in den OECD Ländern bereits 70% der Menschen beschäftigt) hat sich die Würde des Menschen (er "investiert" sein Humankapital in das Unternehmen, nicht umgekehrt) bereits emanzipiert: Es gibt das "Arbeitgeber zu Arbeitnehmer"-Paradigma nicht mehr, das "Eltern-Kind"-Verhältnis ist einem "Erwachsenen-Erwachsenen"-Verhältnis gewichen. In der Arbeitswelt der manuellen Arbeit muss jedoch noch viel an Schutz und Würde geschehen.

Zur Gesellschaftsgerechtigkeit: Je lokaler gewirtschaftet wird, desto natürlicher und instinktsicherer sind die Feedbackmechanismen. Je persönlicher unternehmerisches Wirken erkennbar wird, desto transparenter. Je anonymer, je globaler, desto mehr Gelegenheiten gibt es zum Ausbruch in die Unanständigkeit. Je weniger reguliert wird, desto mehr kommen natürliche Regeln zum Durchbruch. Je mehr in freien Netzwerken geschieht, je mehr der Staat als Unternehmer, als Regulator, als Förderer an den Rand gedrängt wird, desto mehr geschieht Prosperität, Gerechtigkeit und Solidarität.

Nehmen wir die Definition von der Ethik als "Auf der Suche nach dem guten Leben", so bin ich der festen Meinung, dass die Globalisierung, immer mehr gesunden selbststeuernden Mechanismen (und nicht den unkontrollierbaren der Finanzwirtschaft) unterliegend, uns allen, vor allem aber den Menschen aus der Dritten Welt, zunehmend mehr dieses "gute Leben" ermöglichen wird.

Ethisches Verhalten wird globalisiert. Und zwar nicht notwendigerweise aus ethischen Antriebskräften, sondern aus Reinigungsmechanismen der Märkte. Coca Cola geht unglaublich sauber mit dem Sourcing von Rohstoffen um, seit der Konzern bei der Beschaffung von Orangen für seine Produkte der Kooperation mit der CIA in Chile verdächtigt wurde. McDonalds ist beschädigt durch ungerechtfertigte Vorwürfe der Kinderarbeit.

Märkte schaffen Effizienz, nicht Effektivität (das heißt, sie tun nicht notwendigerweise das Richtige). Märkte produzieren Marktführer, die zu Monopolen neigen. Der Staat hat in seiner Aufgabe, Effektivität zu verantworten und Wettbewerbsgerechtigkeit zu sichern, versagt (siehe News-Verlag). Die neue Realität sind Netzwerke, die im freien Spiel auch auf Gerechtigkeit und Solidarität achten. Und die erfolgreichsten Organisationen auch wirtschaftlicher Wertschöpfung heute sind nicht Unternehmen, sondern "Voluntary Non Profit Organisationen". Jedes börsennotierte Unternehmen schaut mit seinen läppischen Renditen neidisch auf die Wertschöpfungsfähigkeit der Caritas oder des Roten Kreuzes.

Dank der Skandale an den Börsen ist Corporate Social Responsibility (CSR) zu einem erfreulichen Versuch der Unternehmen geworden, freiwillig soziale, gesellschaftliche und Umwelt-Verantwortung zu übernehmen.

Ethik ohne Alternative

Der Weltethos ist mit seinen vier unverrückbaren Weisungen auf dem Durchmarsch:

* Verpflichtung auf eine Kultur der Gewaltlosigkeit und der Ehr furcht vor dem Leben.

* Verpflichtung auf eine Kultur der Solidarität und eine gerechte Wirtschaftsordnung.

* Verpflichtung auf eine Kultur der Toleranz und ein Leben in Wahrhaftigkeit.

* Verpflichtung auf eine Kultur der Gleichberechtigung und die Partnerschaft von Mann und Frau.

Halten wir uns an die Kardinaltugenden Gerechtigkeit, Klugheit, Mäßigung und Starkmut, in Verbindung mit den Seligpreisungen der Bergpredigt, und unsere Entscheidungsinstinkte werden geschärft. Folgen wir Rupert Lay in seinem Vorschlag, nicht nur Gehorsam, Pünktlichkeit, Ordnung, Disziplin, Zuverlässigkeit zu pflegen, sondern auch Zivilcourage, Kreativen Ungehorsam und Konfliktfähigkeit als Fähigkeit, notwendige von überflüssigen und lösbare von unlösbaren Konflikten zu unterscheiden, überflüssige Konflikte zu meiden, notwendige Konflikte mit einem Minimum an psychischem, sozialem und zeitlichem Aufwand zu lösen und mit unlösbaren leben zu lernen.

Mit diesem Beitrag werden wir die Ethik in die Globalisierung bringen - weil es eine Alternative dazu nicht gibt.

Der Autor ist Unternehmensberater und Spiritus Rector des Föhrenberg-Kreises.

www.foehrenberg.at

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