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Netzwerken gehört die Zukunft

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Österreichs Industrieexport wird wieder spürbar steigen. Immer häufiger sind statt einzelner Produkte ganze Systemlösungen gefragt.

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Österreichs Industrieexport wird wieder spürbar steigen. Immer häufiger sind statt einzelner Produkte ganze Systemlösungen gefragt.

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Eine kleine Kärntner Firma hat ein elektronisches Alarmsystem für die Hochseeschiffahrt entwickelt, bei dem im Falle von Seenot Signale von einer Rettungsboje über Satellit und Erdfunkstelle zum Rettungssender übermittelt werden können, so daß Hilfseinsätze weit schneller anlaufen können als bisher. Zunächst wurde dieses Seenotsystem von Deutschland angekauft, jetzt denken die Kärntner schon an Exporte nach Ostasien und Australien. Eine langwierige, systematische Arbeit auf einem für das Binnenland Österreich recht ungewöhnlichen Gebiet beginnt ihre Früchte zu tragen.

Exporterfolge können in Marktnischen mit hochtechnologischen Erzeugnissen erreicht werden, wie dieses Beispiel zeigt. Allerdings werden im Ausland neben Einzelprodukten immer häufiger ganze wirtschaftliche Komplexe und Systemlösungen gewünscht, deren Lieferung nur durch die Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen - oft aus verschiedenen Branchen - möglich ist. Diese werden meist durch einen General-Unternehmer repräsentiert. So wurden Krankenhäuser in Malaysia, in China, auch im Irak, von Österreichern errichtet, ein weiteres in Indonesien soll im kommenden Sommer betriebsbereit sein. Nur die eigentlichen Bauarbeiten werden von örtlichen Unternehmen ausgeführt, die Planung, die Zulieferungen (Stromversorgung, medizinische Geräte und Apparaturen, mitunter auch Laboreinrichtungen) und selbst die Einschulung des dortigen Personals erfolgt von Österreich aus.

Firmenkonsortien dieser Art treten seit einiger Zeit auch im Kraftwerksbau und im Verkehrswesen (Eisenbahn und Straßentunnel, Flugplätze, Hafenanlagen) auf, wobei mit den Baufirmen vor allem Maschinenfabriken und nicht zuletzt Planungsgesellschaften zusammenarbeiten. Gerade im Planungsexport liegen aber noch ungenützte Möglichkeiten.

Österreichische Zivilingenieurbüros sind nur selten international tätig und meist auch personell und finanziell zu klein. Selbst die Consultants, die neben der technischen und organisatorischen Planung auch für die Bewältigung finanzieller und rechtlicher Fragen zu sorgen haben, erreichen nur in Einzelfällen die dafür notwendige Größe. Wegen der über die technische Planung hinausgehenden Erfordernisse will sich eine der wenigen schon im Ausland tätigen Consultant-Firmen in Kürze mit einem ebenfalls international versierten Wirtschaftstreuhänderbüro zusammentun.

Kann unsere Wirtschaftsförderung solche Tendenzen unterstützen? Im Wirtschaftsministerium ist man zuversichtlich. Die Industriepolitik muß immer stärker unter dem Gesichtspunkt der Innovation betrieben werden, wobei es aber nicht immer auf die Förderung hochtechnologischer Vorhaben geht, sondern mindestens ebenso um die Entwicklungsarbeit kleiner und mittlerer Unternehmen, um die Übermittlung von technischem Wissen (Know-how) aus den Forschungsinstituten und Universitäten, ebenso aber auch zwischen den in Frage kommenden Firmen.

Eine solche Kooperation ist schon deshalb notwendig, weil für derlei Forschungs- und Entwicklungsaufgaben die finanziellen Quellen einzelner Unternehmen meist nicht ausreichen. Die neue EU-Kommissarin für Forschung, Edith Cresson, hat vor kurzem in Wien betont, daß sie bestrebt ist, die kleinen und mittleren Betriebe in der Forschungstätigkeit und in der Zusammenarbeit mit Universitäten zu unterstützen. Im Wirtschaftsministerium erwartet man auch von den neuen Fachhochschulen zusätzliche Impulse für diese Wissensübertragung.

Gemeinsam auftreten

Im großen Binnenmarkt der EU werden staatliche Grenzen in noch geringerem Maße als bisher das gemeinsame Auftreten österreichischer und anderer europäischer Unternehmen behindern. Zugleich hat die Öffnung der Ostgrenzen neue Exportchancen aufgetan, freilich auch da und dort neuen Konkurrenten den Marktzugang ermöglicht. Das hat dem Bemühen um die Sicherung der österreichischen Position besondere Aktualität gegeben. Das von Werner Clement geleitete Industriewissenschaftliche Institut in Wien hat diese Standortfrage unter einem speziellen Blickwinkel untersucht, dem international kompetitiver Cluster. Der scheinbar allzu theoretische Begriff hat für die künftigen Schwerpunkte aber sehr praktische Bedeutung.

Cluster, also „Anhäufung” (von Betrieben), kann in diesem Zusammenhang zunächst räumlich verstanden werden. In der Region Kirchberg in Oberösterreich haben sich, nach dem Zusammenbruch von Eumig, wegen der guten Infrastruktur und sehr fähiger Arbeitskräfte mehrere Unternehmen, vorwiegend aus der Kunststoffbranche, angesiedelt und erfolgreich durchgesetzt. Ähnliches wäre für die Obersteiermark denkbar, wo gleichfalls eine gute industrielle Tradition und überdies für den technologischen Wissenstransfer wichtige Forschungsinstitute (Montanuniversität, Gießerei-Institut Leoben) vorhanden sind.

Die Wissenschaft denkt aber bei Clusters in erster Linie an branchenübergreifende Industriekomplexe. Innovative, international erfolgreiche Unternehmen könnten den Ansatzpunkt für zukünftige Cluster-entwicklungen bilden. Ein Paradebeispiel hätte die Schiindustrie mit ihren Verzweigungen auf Schischuhe, Sportbekleidung, bis hin zu Liftanlagen, anderen Sportzweigen und überhaupt der Freizeitbetriebe sein können, doch war die Bereitschaft zur Zusammenarbeit nicht gegeben, wie sich jetzt zeigt.

In anderen Branchen - so bei Stahl und sonstigen Metallen oder bei Textilien - weisen die Exportmärkte oft nur noch geringe Wachstumsraten auf; die Grundstofflastig-keit mancher Sparten zeigt häufig Strukturschwächen auf, die auch durch einige auf Know-how-intensive Marktnischen spezialisierte Unternehmen nicht wettgemacht werden können.

Zukunftsaussichten haben dagegen Cluster vor allem dort, wo Wettbewerbsstärke, fußend auf Innovation und (meist, aber nicht unbedingt) auf Hochtechnologieprodukten oder -verfahren, auf Märkten mit guten Wachstumsaussichten eingesetzt werden können. Die Autozulieferer werden wohl vom Export hochwertiger Einzelteile zu Anbietern ganzer Systeme werden müssen, am ehesten durch Kooperation oder Zusammenschlüsse.

Der „Papiercluster”, vom Holz über Papier und Pappe bis zum Druck und Verlagswesen und dem spartennahen Maschinenbau, hat den Vorteil, daß die ganze Wertkette vom Rohstoff bis zum hochverarbeiteten Produkt in Österreich gute Positionen hat. Freilich führte das geringe Eigenkapital der meisten Papierhersteller zum Einstieg ausländischer Unternehmen. Die konsequente Hinwendung zu ökologischen Erfordernissen könnte gerade diesen Cluster auch international bedeutend aufwerten.

Gute Aussichten räumen die Fachleute solchen Cluster in der Umwelttechnik, in der Medizintechnik, in der Meß- und Regeltechnik sowie im Feld der Biotechnologie (einschließlich der Gentechnik) ein. Industrielle Rahmenbedingungen, heißt es in der Studie, müssen auf den dynamischen Aufwertungsprozeß vorhandener oder potentieller Netzwerke abzielen. Das verspreche mehr als die Förderung weit zerstreuter Einzel- und Branchenmaßnahmen.

Mobiles Kapital

Im gleichen Sinne hat sich vor kurzem das Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) ausgesprochen. Die Rücksichtnahme auf die Einbettung in die österreichischen Produktionsstrukturen solle ein zentrales Kriterium für die öffentliche Förderung von Projekten zur Betriebsansiedlung sein. Man verweist im Wifo darauf, daß heute das Kapital sehr mobil ist, daß auch einzelne Produktionsstandorte leicht transferiert werden können, wie die Verlagerung mancher Fertigungen in die früher kommunistischen Länder zeigt, ganze Netzwerkbeziehungen sind aber nicht ohne weiteres ersetzbar.

Noch ist dieser Clustergedanke in der österreichischen Wirtschaft nicht stark ausgeprägt. Die Industriepolitik und die Wirtschaftsförderung sollten jedoch, so scheint es, diesen auf die Ausbildung von innovativen, in hochwertigen Produktionen tätigen Netzwerken besonderes Augenmerk schenken. Das Ziel ist, Österreich als Industriestandort auch im Rahmen des europäischen Binnenmarktes zu erhalten und möglichst noch auszubauen.

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