Neue Bahnhöfe braucht das Land

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Die Österreichischen Bundesbahnen haben ehrgeizige Bauprojekte und putzen einige ihrer "Tore zur Welt" entweder auf oder lassen sie nach einem Abriss in neuem Glanz wieder aufbauen.

Für die einen war und ist der Wiener Südbahnhof das hässliche Pendant zum Westbahnhof. Für die anderen bedeutet der heruntergekommene 50er-Jahre-Bau am Wiedner Gürtel das Tor zur Welt oder vielleicht sogar ein Stück Heimat - zumindest für jene, die ihre Wurzeln weit im Süden oder Osten der Hauptstadt haben. Genau dieser Bahnhof wird zum Herzstück des künftigen Schienen-Personenverkehrs in Wien werden. Im Zuge der Bahnhofsoffensive - ein Projekt der ÖBB, das 1997 mit dem Ziel gestartet wurde, so manchen maroden Bahnhof Österreichs zumindest zu renovieren, wenn nicht gleich neu zu bauen - werden die beiden Kopfbahnhöfe der Süd-und der Ostbahn zu einem einzigen Durchgangsbahnhof zusammengefasst. Mittels des sich in Bau befindlichen Lainzer Tunnels wird auch eine Verbindung zur Westbahn geschaffen, und das lästige Umsteigen entfällt beispielsweise für Reisende von München nach Budapest.

Kopfbahnhöfe sind out

Waren im 19. Jahrhundert Kopfbahnhöfe durchaus üblich, so werden sie heute allenfalls als unpraktisch empfunden. Wer jemals in Wien am Westbahnhof ankam und einen Anschlusszug am Südbahnhof erreichen musste, weiß, wovon die Rede ist. Es besteht derzeit die Möglichkeit, mit der Straßenbahn Nummer 18 in rund 20 Minuten von einem zum anderen Bahnhof zu gelangen - ohne Gepäck ein leichtes Unterfangen, mit jedoch eine Herausforderung, da einige "Kollegen" den gleichen Weg vor sich haben und die Linie 18 obendrein nicht unbedingt zu den unfrequentiertesten der Stadt gehört -, oder man lässt sich mittels Taxi über den stark befahrenen Gürtel fahren, in der Hoffnung, nicht all zu lange im Stau zu stehen. Dies soll nun ab 2011 (Teilinbetriebnahme) Geschichte sein. Wer Wien weniger gut kennt, möchte meinen, dass die zwei wichtigsten Bahnhöfe für den Personenverkehr auch mit der U-Bahn erreicht werden können. Nun, beim Westbahnhof ist das anstandslos möglich, geht die Reise aber gen Süden, kann der Fahrgast dem Bahnhof auf unterirdischem Wege lediglich nahe kommen. Denn am Südtiroler Platz heißt es aussteigen.

Wo ist die U-Bahn?

Entweder man macht sich nun mit Sack und Pack auf und spaziert Richtung Bahnhof - je nach dem Verhältnis des zu transportierenden Gepäcks zum Körpergewicht dauert dies fünf bis 15 Minuten -, oder aber man wartet auf ein Verkehrsmittel der Wiener Linien. Genau, dies ist in unserem Fall entweder die Linie 18, der Autobus 69A oder die S-Bahn Nummer 8. Warum einer der wichtigsten Bahnhöfe Wiens keine eigene U-Bahnstation hat, liegt in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begründet: Bereits damals hatte man in Wien die Idee, einen Zentralbahnhof zu bauen - obwohl der neue und in dieser Form bis heute bestehende Südbahnhof erst 1961 eröffnet worden war -, und baute somit zukunftsweisend die U1-Station nicht in die Nähe der heutigen Kassenhalle, sondern unter den etwas entfernt gelegenen Südtiroler Platz. Im Falle der U-Bahnlinie 2 wird nicht der Bahnhof zur U-Bahn gebaut, sondern die Erweiterung Süd ab Karlsplatz sieht eine eigene Station innerhalb des neuen Hauptbahnhof-Areals vor. Interessant ist auch, dass der nach Entwürfen des Württemberger Wilhelm von Flattichs erbaute und 1874 eröffnete Südbahnhof im Zweiten Weltkrieg nicht bis zur Gänze zerstört wurde. Dennoch musste der Neorenaissance-Bau wie viele andere leicht beschädigte Gebäude in Wien dem Zeitgeist der 50er Jahre weichen.

Vor einer Woche sollte der ÖBB-Aufsichtsrat in einer außerordentlichen Sitzung das Projekt "Wien Hauptbahnhof", das vorher gerne auch Zentralbahnhof oder gar "Bahnhof Wien - Europa Mitte" genannt wurde, absegnen und den Weg für die Umsetzung frei machen.

Höhere Projektkosten

Grundsätzlich tat er dies auch, allein die Finanzierung ist noch nicht zur Gänze geklärt. Grund dafür ist, dass im ÖBB-Rahmenplan 2005 Projektkosten von 420 Millionen Euro veranschlagt wurden. Die Bundesbahnen meinen aber, dass man mit 660 Millionen Euro eher an der Realität dran sei. Über die Mehrkosten muss nun mit dem Finanz-und Infrastrukturministerium verhandelt werden. ÖBB-Chef Martin Huber schloss in einem Gespräch mit der Presse nicht aus, dass für die Realisierung des neuen Hauptbahnhofes andere Bahn-Projekte zurückgestuft werden. Welche, will man von Seiten der ÖBB noch nicht sagen, da diese unter anderem Gegenstand der, so hofft der Bahnchef, rasch durchgezogenen Verhandlungen mit den Ministerien sein werden. Zieht sich die Klärung der Finanzierung zu lange hin, kann eine fahrplanmäßige Eröffnung 2011 nicht eingehalten werden. Möglich, dass auch die Stadt Wien noch einmal gebeten wird, ihren Zuschuss zum Großprojekt von derzeit 40 Millionen Euro für den Bau und weiteren 80 Millionen Euro für begleitende Infrastrukturmaßnahmen nachzubessern.

Neues Stadtviertel

In der Nähe des neuen Bahnhofes entsteht, wie man in letzter Zeit so oft in der Bundeshauptstadt hört, ein neues Viertel. Es wird aus der bekannten Mischung aus Geschäften, Büros und Wohnungen bestehen, die den Investoren ein einträgliches Geschäft bescheren soll. Im Falle des Hauptbahnhofes wird eine Fläche von 57 Hektar frei, dessen Bebauung rund zwei Milliarden Euro kostet. Michaela Steinacker, Geschäftsführerin der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH, spricht in diesem Zusammenhang von einem "visionären Großprojekt", das neben Bürotürmen und einem Park auch ein Einkaufszentrum unter den Schienen vorsieht, über das der Bahnhof an die Fußgängerzone Favoritenstraße angebunden ist. Dort wartet auf den kaufwütigen Konsumenten dann auch gleich das Columbus Center mit weiteren Geschäften.

Michaela Steinacker, in deren Zuständigkeitsbereich die Bahnhofsoffensive fällt, konnte - selbst nach wochenlangem Nachfragen - keinen Termin für ein Interview finden. Auch die zugesagte schriftliche Beantwortung von Fragen hinsichtlich der Finanzierung und der strategischen Ausrichtung der neuen Bahnhöfe blieb von den Bundesbahnen bis dato aus.

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