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Der österreichische Fremdenverkehr kann auf eine 14 Jahre umfassende Reihe ununterbrochener Zunahmen der Ausländerbesuche in Österreich zurückblicken. 1948 waren es 827.000 Aus-Iänderübernächtigungen, weniger als ein Zehntel derjenigen des Jahres 1928, und es schien, als ob im Wiederaufbau des kriegsgeschwächten Europa lange Zeit kein Platz für den Fremdenverkehr sein würde. Diese Auffassung teilten sogar die damalige österreichische Regierung und mit ihr andere Regierungen der europäischen Staaten. Es bedurfte erst einer Erklärung der Vereinigten Staaten zugunsten des Fremdenverkehrs, nämlich seiner Einbeziehung in das Wiederaufbauprogramm, um die pessimistische Auffassung hinsichtlich der Zukunft des europäischen Fremdenverkehrs durch einen bescheidenen Optimismus zu ersetzen. Nicht allein für Österreich, sondern für alle europäischen Staaten wurde der Reiseverkehr amerikanischer Staatsbürger nach Europa wichtig, um die Dollarlücke, die aus dem Warenverkehr mit den USA entstand, wenigstens teilweise zu schließen.

Österreich, das schon seit den zwanziger Jahren in seiner Wirtschaftsstruktur auf die Erträge aus dem Fremdenverkehr angewiesen war, konnte mit der Einbeziehung der Fremdenverkehrswirtschaft in die Kreditgewährung aus den Mitteln des Marshall-Fonds an den Wiederaufbau seiner touristischen Einrichtungen gehen. Der Erfolg bestätigte die Richtigkeit dieser Politik; 1949 wurden bereits 2,1 Millionen Ausländerübernachtungen gezählt und fünf Jahre später wurde das beste Vorkriegsjahr, nämlich 1931, mit damals 9,4 Millionen Nächtigungen, überschritten und ein neuer Rekord mit 10,2 Millionen Ausländernächtigungen erreicht. Als Österreich 1955 nach zehnjähriger Besetzung und Beschränkung der internationalen Beziehungen seine volle Souveränität wiedererlangte, konnte die Entwicklung des Reiseverkehrs ungehindert das ganze Bundesgebiet umfassen. Der damalige Jahresbericht der Österreichischen Fremdenverkehrswerbung spricht daher auch von einer „Rekordziffer“ in der österreichischen Fremdenverkehrsstatistik. Es war damals noch nicht vorauszusehen, daß sechs Jahre später die Zahl der Ausländernächtigungen mehr als doppelt so hoch sein würde. Sie'-betru«? im abgelaufenen Jahr 1961 bereits 29,772 Millionen. Damit ist der Fremdenverkehr zum Wirtschaftszweig Nr. 1 in den österreichischen Außenhandelsbeziehungen geworden. Die Tatsache, daß die derzeitige österreichische Wirtschaftsstruktur

Der Fremdenverkehr in Österreich hat im Jahre 1961 in seiner Leistungsinanspruchnahme insgesamt um 13,48 Prozent zugenommen, wobei der Anteil der Inländer um 9,14 Prozent und der der Ausländer um 16,24 Prozent gestiegen ist. Die totale Nächtigungsziffer von 47,5 Millionen bedeutet gegenüber dem Jahr vorher ein Mehr von 5,6 Millionen Nächtigungen.

Diese Gesamtziffern gewinnen erst Bedeutung, wenn man sie in ihre Komponenten auflöst und die einzelnen Märkte betrachtet, auf denen die

Wenn auch solche Untersuchungen zufolge der ihnen innewohnenden Ungenauigkeiten nur ungefähre Aussagen enthalten, so lassen sie doch immerhin den Zug der Entwicklung erkennen und sind daher ein Hilfsmittel in der Beurteilung zwangsläufig ein Handelsbilanzpassivum bedingt, hat dieser Entwicklung des Fremdenverkehrs und den damit verbundenen Deviseneinnahmen ihre besondere Bedeutung verliehen. Die Deviseneinnahmen sind von 1950 bis 1960 auf das Fünfzehnfache gestiegen, und damit ist auch der Fremdenverkehr in der Reihung des österreichischen Außenhandels an die erste Stelle gerückt, während er bis 1956 den dritten Platz innehatte.

Nachfrage nach dem österreichischen Fremdenverkehrsangebot auftritt. Zunächst die Feststellung, daß 95,4 Prozent — mit den Ostblockstaaten 95,6 Prozent — der Österreichbesucher aus europäischen Staaten kamen, 2,65 Prozent aus den Vereinigten Staaten und der Rest von 1,84 Prozent aus anderen außereuropäischen Ländern. Diesen LImstand, daß das Schwergewicht der Nachfrage in Europa liegt, darf die österreichische Fremdenverkehrspolitik nie aus dem Auge verlieren, weil damit die Mittel der des Fremdenverkehrs. An der Spitze der europäischen Nachfrage steht die deutsche Bundesrepublik, deren Anteil am österreichischen Fremdenverkehr 76,64 Prozent beträgt. Wenn man bedenkt, daß in der deutschen Bundesrepublik mit

Marktbeeinflussung in ihrem Einsatz und in ihren zu erwartenden Erfolgen bis zu einem gewissen Grad vorausbestimmt sind. Das heißt nun nicht etwa, daß man sich nur dort um Gewinnung neuer Gäste bemühen soll, wo bereits eine starke Marktposition gehalten wird, sondern selbstverständlich auch in anderen bisher schwachen Nachfragegebieten, soferne diese in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Struktur einen verstärkten Einsatz sinnvoll erscheinen lassen. Die Maßnahmen zu deren Beurteilung sind viel fach. Sie reichen von der meßbaren Einkom-mensgliederung und der Feststellung der für Reisen verfügbaren Einkommensteile bis in das Gebiet der psychologischen Beurteilung.

Eine Untersuchung über die durchschnittlichen Tagesausgaben der ausländischen Besucher in Österreich hat das Institut der Fremdenverkehrsforschung der Hochschule für Welthandel im August und September des vergangenen Jahres vorgenommen. Das Ergebnis ist überaus interessant; es zeigt als Durchschnittszahlen den Einfluß der kaufkraftschwächeren Schichten auf das Gesamtergebnis. So gibt nach dieser Untersuchung der deutsche Besucher in Österreich 181.— Schilling pro Tag aus, während der Gast aus den Vereinigten Staaten 596.— Schilling aufwendet. Der Gesamtdurchschnitt von 303.— Schilling Tagesausgaben entfällt, wie die nachfolgende Tabelle zeigt, auf die verschiedenen Aufwandskategorien und gibt einen interessanten Einblick in die Struktur der Ferienausgaben.

rund 54 Millionen Einwohnern ein Durchschnittseinkommen pro Haushalt von 10.000 DM jährlich erzielt wird, das Bruttosozialprodukt zirka 277 Milliarden DM erreicht, wovon 59 Prozent für privaten Verbrauch bestimmt sind, daß die Spareinlagen auf 50 Milliarden DM angestiegen sind, der Kaufkraftindex von 100 im Jahr 1950 auf 160 im Jahr 1960 gestiegen ist, der Einkommenindex in der gleichen Zeit von 100 auf 194 und die Realeinkommen der industriellen Arbeitnehmer innerhalb von fünf Jahren die größte Zunahme unter allen europäischen Ländern — nämlich 30 Prozent — erfahren hat, so ist damit die Stärke einer Nachfrage gekennzeichnet, die noch dazu den Vorteil hat, zufolge ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu Österreich die Anreisekostcn gering halten zu können. Allerdings hat das DIVO-Institut in Frankfurt am Main festgestellt, daß 89 Prozent der deutschen Besucher Österreichs ein monatliches Haushaltseinkommen von weniger als 1000 DM haben und nur acht Prozent ein solches über 1000 DM. In die Schweiz hingegen reisen 61 Prozent mit unter 1000 DM Haushaltseinkommen, jedoch 36 Prozent mit mehr als 1000 DM.

An zweiter Stelle im österreichischen Fremdenverkehr steht Großbritannien, welches in der Bevölkerungszahl von 53 Millionen Deutschland fast gleich ist. Sein Anteil am österreichischen Fremdenverkehr beträgt jedoch nur 5,27 Prozent. Es scheint somit, daß die Österreichwerbung in Großbritannien in besonderem Maße verstärkt werden sollte. Im vergangenen Jahr hat der englische Reiseverkehr nach den Ländern

Spanien, Griechenland und Italien besonders zugenommen. Allein der Sonderzugsverkehr von Großbritannien nach Spanien war um 23 Prozent stärker als das Jahr vorher, nach Italien um 25 Prozent: nach Österreich hat er um 19 Prozent, nach der Schweiz um 14 Prozent abgenommen. Dieser Umstand weist wiederum darauf hin, daß bei allen gesellschaftlichen Reiseschichten ein verringerter Zug nach mitteleuropäischen Gebieten feststellbar war. Den dritten Platz halten ebenfalls traditionell die Niederlande, die als Wirtschaftsgebiet mit 11,6 Millionen Einwohnern und keiner einzigen Millionenstadt immerhin fast vier Prozent Anteil am österreichischen Fremdenverkehr haben. Der Holländer reist gerne nach Österreich und diese Vorliebe eröffnet der Österreichwerbung für die Zukunft noch weitere Erfolgschancen. Frankreich, mit fast 46 Millionen Einwohnern, stellt ebenfalls ein sehr interessantes und beachtliches Nachfragezentrum für den Fremdenverkehr, wobei Frankreich geographisch und touristisch eine ähnliche Stellung gegenüber Spanien einnimmt, wie die deutsche Bundesrepublik gegenüber Österreich. Von rund sechs Millionen Spanienbesuchern waren 2,6 Millionen Franzosen. Bemerkenswert war im Vorjahr der Rückgang der amerikanischen Besucher, nicht nur in Österreich sondern in ganz Europa, hervorgerufen durch psychologische, wirtschaftliche und politische Gründe. Österreich hat eine Abnahme der amerikanischen Besucher uin 70.700 Nächtigungen zu verzeichnen.

Die Österreichwochen im skandinavischen Raum haben dazu beigetragen, daß die Besucherzahlen aus diesen Gebieten angestiegen sind. Trotz der geringen Bevölkerungszahl ist der skandinavische Raum für den österreichischen Fremdenverkehr zweifellos als Nachfragegebiet von Bedeutung und daher werblich zu pflegen.

Weiter folgen die Schweiz, Belgien und Italien. Der Besuch aus dem letztgenannten südlichen Nachbarland hat begreiflicherweise durch die politischen Spannungen eine starke Beeinträchtigung erfahren. Der Rückgang war fast 40 Prozent.

Diese zehn angeführten Nationen stellen 96,76 Prozent des österreichischen Fremdenverkehrs; sie sind die Nachfragegebiete, aus denen die Inanspruchnahme unseres touristischen Angebotes erfolgt. Um diese Nachfrage ist aber auch das übrige Fremdenverkehrsangebot, sowohl der europäischen Länder, wie auch mehr und mehr auf den Plan tretenden außereuropäischen Länder bemüht. In diesem Wettbewerb ist nicht allein die Werbung das entscheidende, sondern ebenso die mit ihr verbundene Leistung.

Sie wird in der heutigen Massenbewegung des Fremdenverkehrs mit zwei Maßen gemessen, nämlich nach der mengenmäßigen Kapazität und nach der Qualität. Österreich ist in der glücklichen Lage, immer wieder neue Angebote auf den touristischen Markt zu bringen, wobei diese im psychologisch richtigen Zeitpunkt der Publikumsneigung entgegenkommen. Vor wenigen Jahren waren es die „Oasen der Stille“, später die Programmierung der „nichtsportlichen Winterferien“, neuerdings sind es die „Erholungsdörfer und Ruheorte“, die in der touristischen Nachfrage stärkste Beachtung fanden. Diese Hinweise zeigen, daß im Fremdenverkehr stets alles im Fluß ist. Die Programmierung der Erholung und der Ruhe findet in diesem Jahr eine besondere Unterstreichung auch durch die Werbung der Schweiz, die das Jahr 1962 als das „Jean-Jacques-Rousseau-Jahr“ bezeichnet, mit der Betonung der Mahnung des großen Philosophen: „Retour ä la nature.“ Somit wird die von Österreich schon vor Jahren eingeleitete Werbung für sinnvolle Ferien auch zum Werbethema anderer Fremdenverkehrsländer und läßt damit erkennen, daß die Zeit gekommen ist, in der der Begriff Ferien einen neuen Inhalt gewinnt.

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