Neue Ziffern für neue Bewertung

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Ein neuartiges Bündnis bewirbt Kennziffern für ethische und nachhaltige Veranlagungen. Beteiligt sind Praktiker, Wissenschafter, Mathematiker und ein Bischof: Alois Schwarz.

Ehe Neues entstehen kann, ist das Alte zu zertrümmern. Das gilt auch für die Durchsetzung neuer Methoden, mit deren Hilfe ethisches und nachhaltiges Investment in entscheidungstaugliche Ziffern gegossen werden soll. Beim achten Finance & Ethics Kongress im Stift St. Georgen entsorgten die Professoren Jörg Finsinger und Karl-Heinz Brodbeck sowie Bischof Alois Schwarz die alten Denkmuster und Formeln, präsentierten mit Richard Lernbass „neue Regelsysteme“.

Mit manchen Formen der Anlageberatung war Finsinger schnell und locker fertig. Die Krise habe ihre Ursache im Umstand, dass „schlechte Papiere für gut bewertet wurden“. Die Zahlenwerke der Ratingagenturen Morning Star, Feri, Standard & Poor’s sowie Lipper seien im Endeffekt „unklare Aussagen“. Entweder sie beruhten nur auf der quantitativen Verrechnung von Kennzahlen oder hinter dem Einfluss qualitativer Faktoren verberge sich lediglich manch subjektive Wertung, meinte Finsinger. Mehr wollte der Mathematiker und Wirtschaftswissenschafter, Inhaber des Lehrstuhles für Finanzdienstleistungen an der Universität Wien, zu diesen alten Ratingmustern auch gar nicht sagen, außer: „Wenn dann ein Fonds besser ist als ein anderer, ist das oft Zufall.“

Ähnlich gründlich räumte der Philosoph, Ökonom und Wirtschaftsethiker Karl-Heinz Brodbeck mit gängigen Vorstellungen auf. Die meisten Charts, mit deren Hilfe Wirtschaftskennzahlen aufbereitet werden, „sagen wenig bis nichts“. Die in der Krisendebatte gängige Behauptung der Alternativlosigkeit sei zu verwerfen, denn „Determiniertheit widerspricht unserer Erfahrung“. Das Gegenteil dieser These treffe zu: „Es gibt keine hinter den Märkten liegenden objektive Strukturen, die determinierten.“ Es sei die von Margaret Thatcher und Bill Clinton vorgenommene Deregulierung, welche der Handel der Banken mit sich selbst zugelassen hätte. „Market Makers“ hätten begonnen, Kurse zu beeinflussen. Es sei zu einem Boxkampf zwischen Staaten mit starken Finanzmärkten gekommen. Jetzt komme die nächste Stufe: „High frequency trading“, bei dem nur mehr Computer gegeneinander anträten. Es gehe um die Schnelligkeit von Entscheidungen, gemessen in pico-Sekunden, und da seien schnelle Kabel und beste Rechner gerade gut genug.

Rückeroberung der Marktmacht

Wo solle man daher ansetzen, wenn man Änderung wünsche? Wenn man einen Weg aus dem Irrtum einer schrankenlosen Marktwirtschaft suche, wie Bischof Schwarz es formulierte? Denn wie der in Kärnten und in Wien lehrende Philosoph Peter Heintel meinte: „Wir wissen viel, aber wir entscheiden wenig, und das behindert die Übergänge.“ Ähnlich Schwarz: „Es wird sich nie etwas ändern, wenn wir uns nicht ändern.“ Daher müsse man Ängste nehmen, den künftigen Investitionen neue Regulative geben. Ein tauglicher Ansatz sei jedenfalls, so Brodbeck, bei den Anlegern anzusetzen: „Die müssen etwas wissen. Es braucht Transparenz!“ Das würde dann zwar die Geldgier nicht aufhalten, aber zumindest etwas durcheinander bringen: „Die Anleger sollen die Marktmacht zurückholen.“

Anleger bestimmen die Kriterien

Bischof Alois Schwarz, in der Bischofskonferenz zuständig für Wirtschaftsfragen, gab sich zuversichtlich: „Wenn bestimmte Produkte nicht mehr gekauft werden, dann werden die Firmen reagieren.“ Daher suchten Österreichs Diözesen in der Veranlagung jene Unternehmen, die sozial und ökologisch nachhaltig vorgehen, die also dem Nachhaltigkeitsprinzip folgend „nicht mehr herausnehmen als nachwächst“.

Wie diese Unternehmen und Fonds zu finden seien, dafür hat Richard Lernbasse – nicht zuletzt in Kooperation mit einigen der Genannten – ein neue Methode entwickelt.

Der Ethisch Dynamische Anteil, EDA genannt, ist eine von software-systems.at entwickelte Kennzahl. Diese berücksichtige die theoretischen Ansprüche und ermögliche zugleich eine individuelle und dennoch aussagekräftige Bewertung, erläuterte Finsinger.

Was dies im Einzelnen bedeutet: Die EDA biete die Berücksichtigung individueller Wertigkeitsvorgaben, die Selektion von positiven und negativen Kriterien, schaffe Transparenz und biete eine Untersuchung nachhaltiger Indizes. Zudem könne genau nach Branchen gesucht und damit investiert werden, ebenso werden bei den Veranlagungen etwa die Einhaltung von internationalen Abkommen gegen Menschenrechtsverletzungen überprüft. Dies gelte auch für die internationalen Bestimmungen, etwa für umweltrelevante Messungen. Dieser Ethisch Dynamische Anteil an den Kennziffern berücksichtige weiters die Schnittstellen und Kontakte zu NGO’s, die von software-systems.at gegründete Finance & Ethics Research biete zudem ein Service bezüglich „sensibler Werte“.

Die Finanzdatenbank von software-systems.at umfasse mehr als 470.000 Wertpapiere, berichtete Geschäftsführer Richard Lernbass. Das betreute Finanzdatenvolumen von zwei Billionen Euro werde täglich auf Mittelflüsse sowie auf die Entwicklung in den unterschiedlichen (siehe oben) Kriterien untersucht. Mit der EDA sei jedenfalls eine „Nachhaltigkeitskennzahl“ geschaffen worden, welche nun die Banken und Anbieter bereitstellen sollten.

Geld

Mit „Macht-Mammon-Mythos“ befassen sich die Beiträge des Jahrbuches 2010 der Diözese Gurk; Info und Bestellung: www.kath-kirche-kaernten.at

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