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Neuer Frühling für Hanf & Co?

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Nachwachsende Rohstoffe sind zuletzt in den Hintergrund getreten. Wie man sie im Interesse der Landwirtschaft forcieren kann, illustrieren Versuche in Österreich, Hanf neuen Verwendungen zuzuführen.

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Nachwachsende Rohstoffe sind zuletzt in den Hintergrund getreten. Wie man sie im Interesse der Landwirtschaft forcieren kann, illustrieren Versuche in Österreich, Hanf neuen Verwendungen zuzuführen.

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Einheimische, nachwachsende Rohstoffe sind als Alternative zur umweltbelastenden Erdölchemie zunehmend im Gespräch. Ihr positiver Nebeneffekt: Sie bieten der EU- und überschußgeplagten Landwirtschaft neue Einkommensquellen.

Jedes Jahr verbraucht die Menschheit jene Menge an Erdöl, die sich im Laufe von einer Million Jahren gebildet hat. Diese unglaubliche Verschwendung nicht erneuerbarer Rohstoffe dient uns aber nicht nur zum Heizen und Autofahren. Heute finden wir die Spuren des „Schwarzen Goldes" Erdöl in einer Vielzahl unserer Alltagsprodukte.

Reines Erdöl ist aber zu nichts zu gebrauchen. Erst durch viele energieintensive Arbeitsschritte wird aus Erdöl eine Plastikflasche oder ein Haar-shampoo. Das heißt im Klartext: Nicht nur, daß die Petrochemie knappe Rohstoffe verschwendet, sie frißt auch noch riesige Energiemengen und produziert dabei Unmengen an Abfällen oder unerwünschten Nebenprodukten.

Anders die Natur. Die Energiebilanz der nachwachsenden Rohstoffe sieht im Vergleich zu Erdöl wesentlich freundlicher aus: Die Pflanzen beziehen die zum Wachstum notwendige Energie ausschließlich von der Sonne. Und da sie nachwachsende Rohstoffe sind, liefern sie uns das alles jedes Jahr aufs neue, immer wieder. Nicht umsonst ist die Nutzung nachwachsender Rohstoffe so alt wie die Landwirtschaft selbst. Lange vor dem Erdölzeitalter verwendete der Mensch Naturfasern für Kleidung, pflanzliche Fette zur Seifenherstellung oder Holz als Raumaterial. Erst mit der industriellen Revolution ging es mit ihnen schrittweise bergab.

Dabei produzieren Pflanzen weder naturfremde Stoffe, die unbekannte Umweltrisiken in sich bergen, noch wurden je Chemie-Störfälle ä la Hoechst und RASF am Acker ruchbar. Naturstoffe sind meist problemlos wieder in natürliche Kreisläufe rück-führbar, sie können meist kompostiert werden. Und sie bieten der EU- und überschußgeplagten österreichischen Landwirtschaft neue Chancen. Gerade im ökologischen Landbau bieten sie sinnvolle Anbaualternativen und können zudem dafür sorgen, daß durch den Aufbau regionaler Verarbeitungsstrukturen zusätzliche Arbeitsplätze im ländlichen Raum geschaffen werden.

Der wichtigste nachwachsende Rohstoff in Österreich heißt Holz. Die Anwendungsgebiete von Holz sind so vielfältig wie die unterschiedlichen Raumarten. In den letzten Jahren erfuhr Holz gerade im Raubereich eine Renaissance. Dem Wunsch nach baubiologisch einwandfreien Materialien wird Holz in vollem Umfang gerecht. Holz atmet und lebt. Ein anderer, mindestens ebenso interessanter Rohstoff, wäre hingegen fast vergessen worden: Hanf.

Hanf ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Von den Chinesen wurde sie bereits 3000 vor Christus als Faser- und später als Medizinalpflanze genutzt. Im Mittelalter war Hanf bereits Bestandteil der europäischen Kultur. So weisen allein im Mostviertel 17 Hanfkogel auf die traditionelle Nutzung dieser Pflanze hin. Gutenberg druckte seine Bibel auf Hanfpapier und Levis Braun nietete die ersten Jeans aus hänfenem Segeltuch zusammen.

Als Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche kulturell angepaßte Boh-stoffpflanzen verdrängt wurden, geriet auch der Hanf in Vergessenheit. Neben den billigen Erdöl- und Baumwollimporten hatte dies aber vor allem den Grund darin, daß aus Hanf auch die in den meisten Ländern verbotenen Bauschmittel Haschisch und Marihuana gewonnen werden können. Mittlerweile gibt es allerdings zahlreiche Zuchtsorten von Hanf, deren Gehalt an der für die Drogenherstellung wichtigen Substanz THC (Tetrahy-drocannabinol) unter 0,3 Prozent liegt. Dadurch kann eine berauschende Wirkung erwiesenermaßen ausgeschlossen werden. Als unverdächtige Zeugin dafür gilt die Europäische Union (EU), die den Anbau dieser Sorten mit zirka 10.000 Schilling pro Hektar als Alternativkultur fördert.

Der Anbau und die Verarbeitung von Hanf stecken in Österreich noch in den Kinderschuhen. Aber im Gegensatz zu Deutschland ist hierzulande der Hanfanbau nicht grundsätzlich verboten. Das größte Problem bereitet zur Zeit noch die Gewinnung der Faser. In Fürstenfeld (Steiermark) steht eine dazu notwendige „Hanfschwinge" kurz vor der Bealisierung. Obwohl sich auch der zuständige steirische Landesrat Erich Pöltl prinzipiell für den Anbau von Hanf einsetzt, könnte das Pionierprojekt noch am Nichtvorhandensein der notwendigen Fördergelder scheitern.

Neben Textilien und Dämmstoffen kann die hochwertige Hanffaser aber noch zu ganz anderen Zwecken eingesetzt werden. Horst Döpfner und Martin Ernegg von der Firma „Zellform" in Oberösterreich beschäftigen sich seit 1992 intensiv mit der Entwicklung von formbaren Werkstoffen. Nachdem sie zuerst mit Altpapier arbeiteten, sind sie nun auf den Hanf gekommen. Der von ihnen erfundene „Hempstone" besteht nur aus Wasser und Hanf und sonst nichts.

Die Materialeigenschaften sind sehr vielversprechend. Hempstone könnte aufgrund seiner Härte und Zähigkeit in vielen Rereichen ein Ersatz für Kunststoffe sein. Nach dem Gebrauch kann das Material problemlos kompostiert werden. Die ersten Produkte, die die innovativen Oberösterreicher auf den Markt bringen, sind kleine Dosen und Schmuckgegenstände aus 100 Prozent Hanf.

Die genossenschaftlich organisierte Waldviertler Flachsverarbeitung in Rastenfeld kümmert sich seit einigen Jahren um Ernte und Verarbeitung des blau blühenden Flachs. Im Waldviertel wird Flachs derzeit auf 1.000 Hektar Land angebaut, davon 50 Hektar in kontrolliert biologischem Anbau.

Geschäftsführer Hubert Gassner sieht vor allem in der Mehrfachnutzung der Faser große Vorteile. Was in seiner „Schwunganlage" nicht als Langfaser für die Textilherstellung anfällt, kann für die Herstellung von Dämmstoffen, Papieren und Schnüren weiterverarbeitet werden. Die Schaben, sozusagen die Späne der Flachshalme, werden zu Spanplatten gepreßt oder als Heizmaterial verwendet.

Mindestens ebenso ambitioniert wird einige Kilometer weiter in Groß-Siegharts die Textilwerkstatt geführt. Was vor einigen Jahren als Sozialprojekt begann, mauserte sich inzwischen zum Trendsetter in Sachen Öko-Mode. Ziel war es von Anfang an, hochwertige Produkte herzustellen, bei denen Arbeitsplätze und Wertschöpfung in der Region bleiben.

Unter der Marke „Natura Linea" hat sich das Team um Geschäftsführer Engelbert Hammerschmidt inzwischen international einen Namen gemacht. Im Frühsommer 1995 konnte zudem das Haus für Textildesign „Natura et arte" eröffnet werden, das sich neben der Entwicklung von neuen Materialien und Designerkollektionen auch der Reratung und Unterstützung „klassischer" Textilunter-nehmen verschrieben hat.

Rleibt zu hoffen, daß der Umstieg auf nachwachsende Rohstoffe keine Eintagsfliege bleibt. Denn neben den oben beschriebenen Rohstoffen hat Österreich noch eine breite Palette an weiteren interessanten Pflanzen zu bieten. Stärkepflanzen wie Kartoffel, Weizen und Mais oder die Ölpflanze Raps sind dabei nur die bekanntesten.

Letztlich hängt die Entscheidung, ob sich umweltfreundlich erzeugte Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen am Markt etablieren können, auch am Kaufverhalten der Konsumenten.

Diese greifen aber leider noch allzu oft zu den Rilligprodukten aus der Trickkiste der Erdölchemie. Was einmal mehr zeigt, daß die Zeit für eine ökologische Steuerreform nun langsam reif zu sein scheint.

Der Autor ist

Mitarbeiter von Global 2000.

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