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Nicht alles ist „bio" am Öko-Markt

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Frau K. steht vor dem Kühlregal im Supermarkt, sie kauft für sich und ihre Familie ein. Fast immer nimmt sie Joghurt -schließlich ist Joghurt als Beitrag zu gesunder Nahrung bekannt. Die Kinder mögen die Frucht-Joghurts, aber die sind nicht so gut für sie, überlegt Frau K., wegen des vielen Zuckers und der Färb- und Zusatzstoffe, und wer weiß, welchen Stoffen sonst noch. Eigentlich sollte sie Bio-Joghurt nehmen.

Frau K. vergleicht die Preise. Freilich, Bio1,-Joghurt ist teurer, aber der Mehrpreis ist gering und schreckt sie nicht ab. Frau K. kauft das Joghurt und gehört damit zu einer wachsenden Zahl von Konsumenten, die sich für Nahrungsmittel aus biologischer Landwirtschaft entscheiden.

Werner Lampert, Bio-Beauftragter bei Billa, spricht von bis zu 20 Prozent Marktanteil eines biologischen Produkts, „wenn es verfügbar ist". Den Marktanteil aller biologischen Nahrungsmittel beim Billa-Konzern will er nicht nennen. Der Umsatzvergleich mit herkömmlichen Nahrungsmitteln ist schwierig. Noch lan-

Ist auch drinnen,

was außen draufsteht? Verunsicherte Konsumenten müssen sich auf anerkannte „Bio"-Kenn-zeichen verlassen.

ge nicht gibt es für jedes herkömmliche Nahrungsmittel eine biologische Alternative. Aber die Anzahl der Bio-Produkte in einzelnen Supermarktketten ist steigend und so ihr Marktanteil.

Unternehmen haben die Sehnsucht vieler Konsumenten nach natürlichen Produkten erkannt. Die entsprechende Nachfrage gibt es nicht nur bei Nahrungsmitteln, sondern auch bei Kleidung (siehe Seite 17) und bei Möbeln. Um die Käufer zu gewinnen, geben sich manche ein neues Image. Ihre Marketing-Strategie heißt ganz einfach: Bio.

Bei neuen Trends gibt es zunächst keine den Konsumenten schützenden Gesetze, und der Markt ist in heftiger Bewegung. Das verspricht hohe Renditen. Mittlerweile ist für die Nahrungsmittel eine EU-Verordnung

„über den ökologischen Landbau" und ein österreichischer Lebensmittelkodex für biologischen Landbau mit dem Kapitel: „Landwirtschaftliche Produkte tierischer Herkunft" in Kraft. Lampert weiß: „Biologische Produkte leben vom Vertrauen der Konsumenten."

Der Volksmund sagt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Vertrauen kann Frau K., wenn sie auf dem Produkt die anerkannte Bio-Kennzeichnung findet. Das Gesetz definiert ein Bio-Nahrungsmittel und sieht Kontrollen vor. Engelbert Sperl vom „Ernte Verband", dem größten österreichischen Bio-Bauern-Verband: „Es 4gibt das erste Mal wirkliche Kontrollen, alles andere war ein Marketing-Schmäh". Die effektiv zuständigen Behörden sind die Lebensmittel-Behörden der Länder. Diese autorisieren privatwirtschaftliche Kontroll-Unternehmen, die jeden Bio-Betrieb zumindest einmal im Jahr prüfen. Zusätzlich führen die Kontrollore, meist selbst Bio-Bauern, unangemeldete Kontrollen durch. Sie prüfen nach den

gesetzlichen Richtlinien und nach den strengeren Verbandsbestimmungen, so ein Bio-Bauer, der Mitglied bei einem der Verbände ist.

Auch die Verarbeitungsbetriebe werden kontrolliert. Frau K. hätte auch einem Bio-Frucht-Joghurt ihr Vertrauen schenken können. Die Früchte wie alle übrigen Zutaten stammen aus der biologischen Landwirtschaft. Die Verarbeitung erfolgt in Unternehmen, welche die Veredelung nach biologischen Kriterien durchführen. Weniger ökologisch ist die Zulieferung und die Verteilung der Produkte. Wie bei einem herkömmlichen Frucht-Joghurt summieren sich die Transporte von Milch, Joghurtkulturen, Früchten, Zucker und Verpackung zu mehreren tausend Lastwagenkilometern. Das Joghurt am Löffel hat einen weiten Weg hinter sich.

Die Kontrollen erfolgen hauptsächlich auf betriebswirtschaftlicher Ebene. Kontrollore prüfen Einkauf, Lager, Produktionsstätten, Mitarbei-

ter, Warenflüsse, Verpackung, Kennzeichnung und Verkauf. Sie nehmen nur selten Proben für chemische Analysen. Der Nachweis von konventionellen Bestandteilen in biologisch deklarierten Nahrungsmitteln mittels chemischer Analysen ist schwierig, oft nicht möglich. Manchmal weisen biologische Nahrungsmittel ähnlich hohe Belastungen mit Giften von Pflanzenschutzmitteln auf wie herkömmliche beziehungsweise solchen aus der verschmutzten Umwelt. Jedenfalls gibt es unabhängige und gesetzlich festgeschriebene Kontrollen. Kontrolle kann aber nie absolut sein.

Die Unternehmen der Produktion, der Verarbeitung und des Verkaufs von Bio-Nahrungsmitteln setzten 1995 1,6 Milliarden Schilling zu Großhandelspreisen um. Sie wissen recht gut, daß sie vom Vertrauen der Konsumenten leben. Der Autor ist freier Journalist

1) „Bio " wird in diesem Artikel als Kurzform für „aus biologischer Landwirtschaft" verwendet

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