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Nicht am Programm sparen

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dieFurche: Wird der ORF das Medienvolksbegehren unterstützen?

Rudas: Der ORF ist schon mehrmals Objekt von Volksbegehren gewesen -und man engagiert sich nicht bei etwas, was einen selbst betrifft. Wir werden uns überall dort erfgagieren, wo es um die unternehmenspolitischen Interessen geht, wir mischen uns aber nicht in allgemeine Medieninteressen ein. Das ist unser Selbstverständnis. Wir sind Transporteur, wir sind Berichterstatter politischer Entwicklungen, wir sind aber nicht selbst aktiv Handelnde. Und wir sind nicht die oberste medienpolitische Instanz.

dieFurche: Der ORF wird ja auch explizit im Medienwiksbegehren erwähnt Er solle vor dem Zugriff der Parteien geschützt werden, heißt es da.

Rudas: Der ORF ist für eine stärkere Unabhängigkeit von der Politik. Gerade in der Amtszeit von Generalsekretär Gerhard Zeiler hat sich die Politik in einem hohen Ausmaß aus dem täglichen operativen Geschäft des Unternehmens herausgehalten.

dieFurche: Warum soll der ORF in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden?

Rudas: Die Medien, vor allem auf dem elektronischen Sektor, ändern sich fundamental. Die Herausforderungen und die Rahmenbedingungen verändern sich. Die Konkurrenten des ORF im Ausland sind riesengroße Konzerne mit enorm viel Finanzkapital. Der Konkurrenzkampf zwischen diesen Konzernen wird mit riesengroßen Geldsummen ausgetragen. Die einzige Chance eines nationalen Rundfunkunternehmens besteht darin, noch stärker eigenständiges österreichisches Programm zu produzieren und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Das Unternehmen braucht eine höhere innere Flexibiliät, mehr Eigenständigkeit und einen größeren Freiraum, um den öffentlich-rechtlichen Auftrag wahrnehmen zu könn-nen. Das ist nur im Rahmen einer Kapitalgesellschaft möglich.

dieFurche: Wem soll die ORF AG gehören?

Rudas: In einer, heftigen, wild umkämpften Wettbewerbssituation ist es für ein Unternehmen nicht sonderlich gut, wenn es einem selbst gehört; das ist derzeit der Fall. Der ORF braucht rasche Entscheidungen, die nur dann möglich sind, wenn es klare Eigentumsverhältnisse gibt. Der ORF soll daher der Öffentlichkeit gehören, die bekanntlich durch demokratische Organe vertreten wird. Diese Organe sollen die Eigentümerinteressen wahrnehmen.

dieFurche: Welche demokratischen Organe?

Rudas: Zum Beispiel die Bundesregierung und die Bundesländer.

dieFurche: Wenn ORF-Journalisten dann über die Bundesregierung oder über Landeshauptleute berichten berichten sie über ihre Eigentümer. Ist dann kritische Berichterstattung überhaupt noch möglich?

Rudas: Erstens ist die innere Rundfunkfreiheit in der Verfassung festgeschrieben. Die demokratischen Grundrechte eines ORF-Journalisten würden auch von einer Aktiengesellschaft in keiner Weise beeinträchtigt. Zweitens haben wir ein ganz klares und eindeutiges Redakteurstatut, das stärker ist, als jenes in den Printmedien. Drittens: Bereits jetzt interviewt ein ORF-Journalist Politiker, die über das Wohl und Weh des ORF zu entscheiden haben. Alle wesentlichen unternehmenspolitischen Entscheidungen hängen von Politikern ab.

Heutzutage ist jede politische Intervention transparent und das ist einem ORF in der Konkurrenzsituation nicht zuzumuten. Ich bin überzeugt, daß sich die österreichische Politik, als sie sich zur Zukunft des ORF bekannt hat, damit auch zur Unabhängigkeit des ORF bekannt hat.

dieFurche: Sie glauben also nicht, daß dann die Politik massiv Einfluß auf den ORF nehmen wird?

Rudas: Ganz im Gegenteil. Ich glaube, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur dann überleben kann, wenn er in der Konkurrenzsituation das Signum „objektiv und unabhängig" trägt. Der Konsument wird in Zukunft zwischen 20 oder 30 verschiedenen Programmen und Nachrichtensendungen wählen können. Für die wirtschaftliche Überlebens fähigkeit des ORF ist es entscheidend, daß der Konsument sagt: „Ich höre mir die Nachrichteninformationssendüngen im ORF an, weil das, was der ORF sagt, stimmt." Das sichert uns ein ganz entscheidendes Marketingargument.

dieFurche: Sie haben den Begriff öffentlich-rechtlich verwendet Was heißt das für Sie?

Rudas: Die Programme werden mit einem Qualitätsanspruch gemacht. Sie sind objektiv, halten Distanz zu politischen Gruppierungen und werden nicht für eigene politsche Ansichten instrumentalisiert. Ungleich mehr als die Konkurrenz - oder überhaupt als einzige - werden wir ein österreichbezogenes Programm machen: Kultur, Bildungsprogramme, aber auch Unterhaltungsprogramme, die einerseits Qualität, andererseits Publikumsakzeptanz haben.

dieFurche: Es gibt Beobachter, die eine Vzrflachung des ORF-Programms beklagen. Die Sendung „Treffpunkt Kultur" etwa ist von vielen Kulturschaffenden kritisiert worden

Rudas: Es ist faszinierend, wie groß die Diskrepanz zwischen manchen Medienkritikern und der Publikumsakzeptanz ist. Viele setzen sich zu wenig mit dem Wesen des Fernsehens auseinander, und zuviel damit, was ihnen selbst gefällt. Das Fernsehen muß aufgrund der immensen E,ntstehungs-kosten immer in einem gewissen Maß ein Massenmedium sein. An Massenmedien muß man andere Maßstäbe ansetzen als an die übrigen Medien.

dieFurche: Dieser Tage wird ein neues Regionalradiogesetz vorgestellt Wieviele Hörer werden zu Ihren zukünftigen Konkurrenten abwandern? Der junge Privatsender „Antenne Steiermark " zum Beispiel liat in der Steiermark einen Marktanteil von 38 Prozent

Rudas: Realistische Schätzungen kann man nicht abgeben. „Antenne Steiermark" erzielt andere Ergebnisse als „Radio Melody" in Salzburg oder „Radio CD" in Wien. 03 wird derzeit generalüberholt, was sich sicher bei der Reichweite dieses Senders bemerkbar machen wird.

dieFurche: Apropos Ol- Bei den Alpbacher Technologiegesprächen hat ORF-Generalintendant Gerhard Zeiler erklärt, daß der Eifolg des Popsenders 03 darüber bestimme, ob sich der ORF den Kultursender Ol und die Regionalprogramme leisten kann

Rudas: Der ORF kann mit den Gebührengeldern allein seinem Programmauftrag nicht nachkommen. Et ist in einem hohem Maß auf Werbeeinnahmen angewiesen. Sinken die Werbeeinnahmen eklatant, und können diese Einnahmenverluste nicht durch Sparmaßnahmen und durch neue Einnahmen ausgeglichen werden, müssen wir Ijeistungseinschrän-kungen vornehmen.

dieFurche: Welche Leistungen würden eingeschränkt werden?

Rudas: Der Generalintendant hat keinen konkreten Schritt angekündigt, sondern er wollte zum Ausdruck bringen, daß 03 das Geld für die öffentlich-rechtlichen Programme verdienen muß. Wir stecken mit Begei sterung viel Geld in Öl, das ein sehr gutes Programm ist. Dafür muß es auch ein Medium geben, das Geld ein-nipimt. Wenn die Einnahmen aber rasant zurückgehen, stößt man bei den Ausgaben auf bestimmte Grenzen.

dieFurche: Gibt es schon Pläne, wo die ersten Einsparungen stattfinden? BtlDAS: Primär ist das Ziel dieser Geschäftsführung, an der Substanz des Unternehmens zu sparen, und nicht an Programm.

dieFurche: Auf dem Fernsehsektor gibt es mit dem SAT l-Fußbaüfensier seit kurzem die erste wirkliche Konkurrenz Dieses Programm hat neue Maßstäbe gesetzt Mehr Kameras fangen das Spiel ein, und wenn man den Fußballfreuden glaubt, sind die Kommentare um Klassen besser.

Rudas: Der Standard der Sportberichterstattung war zugegebenermaßen in den letzten Jahren nicht optimal. Aber hätten wir die Rechte für die Fußballübertragungen direkt bekommen, so hätten auch wir diesen Standard gesetzt. (Die nächsten vier Jahre verfugt die Münchener Agentur ISPR über die Fußball-Bundesliga-Ubertragungsrechte,Anm d Red) Der Eindruck, daß SAT 1 kommen mußte, um den ORF aufzuwecken, ist falsch. Wir müssen jetzt versuchen, mit den menschlichen und finanziellen Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, ein äquivalentes Programm anzubieten.

dieFurche: Wenn der ORF in Zukunft nur mehr einer unter vielen Sendern ist, mit welcher Berechtigung kann er dann Gebühren von jedem Besitzer eines Fernsehapparats einheben?

Rudas: Der ORF darf nie ein Sender unter vielen sein. Er muß sich substantiell von allen anderen Programmen unterscheiden.

dieFurche: Trotzdem-Mit welchem Recht hebt der ORF Gebühren ein, wenn es auch andere Radio- und Fernsehsender in Österreich gibt?

Rudas: Ohne Rundfunkgebühren wird es in unserem Land kein Österreichisches Programm mehr geben. Auf dem großen deutschsprachigen Markt ist es unwirtschaftlich, für einen so kleinen Raum wie Österreich spezielle Programme zu produzieren.

dieFurche: Wäre der Wegfall der Gebühren das Ende des ORF?

Rudas: Der ORF könnte ohne Gebühren in der jetzigen Form nicht aufrecht erhalten werden. Die Produktion von Fernsehen wäre dann nur noch privatwirtschaftlich möglich. Das heißt, man müßte sich an deutsche Großkonzerne assoziieren. Und ein Medium, das unbeschränkt Werbung senden kann - der öffentlichrechtliche Rundfunk unterliegt ja Werbebeschränkungen - hätte auch größere Auswirkungen auf die österreichische Printmedienlandschaft.

Das Gespräch führte

Michael Kraßnitzer.

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