Nicht nur die Groschen zählen

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Der Bauernhof ist mehr als nur eine Arbeitsstätte, er stellt eine Lebensbasis dar, deren Erhaltung sinnvoll ist, auch wenn dies Leistungen erfordert, die sich rein betriebswirtschaftlich betrachtet nicht rechnen.

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Der Bauernhof ist mehr als nur eine Arbeitsstätte, er stellt eine Lebensbasis dar, deren Erhaltung sinnvoll ist, auch wenn dies Leistungen erfordert, die sich rein betriebswirtschaftlich betrachtet nicht rechnen.

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Wie schon in der Vergangenheit wird wohl auch in der Zukunft das Geheimnis des bäuerlichen Überlebens einer Familie auf einem Hof nicht ganz zuletzt auch davon abhängen, wieweit die Bereitschaft besteht, freiwillig unbezahlte Mehrleistungen zu erbringen. Viele gewerbliche Klein- und Mittelbetriebe stehen in einer ähnlichen Situation.

Wenn man alte Bauern und Bäuerinnen fragt, wie sie es gemacht haben, daß sie oft sehr schwierige Zeiten winschaftlich überhaupt überleben konnten, dann lautet die Antwort: "Wir haben gearbeitet, gespart und zusammengehalten." Und bei dieser Arbeit haben sie sicher nicht nach dem Stundenlohn gefragt.

Beim Versuch, gerade die jungen Leute zu ermutigen, die Landwirtschaft trotz allem nicht aufzugeben, muß man auf folgendes hinweisen: Sehr oft hört man aus dem Munde von Agrarexperten und -politikern: "Die Landwirtschaft ist ein Unternehmen wie jedes andere auch", oder: "Die Bauern müssen bessere Unternehmer werden." Das ist das eine. Das andere: Betriebswirtschaftslehrer und Betriebswirtschaftsreferenten sind dazu berufen, die Landwirtschaft in erster Linie als wirtschaftliches Unternehmen darzustellen und also festzustellen, wie es wirtschaftlich so gut wie möglich geführt werden kann, kurz gesagt, festzustellen, was sich rentiert und was nicht.

Es ist keine Frage, daß viele Bauern unternehmerischer werden sollten und müßten, daß sie sich etwas einfallen lassen sollten, daß sie in der landwirtschaftlichen Schule gut rechnen lernen müssen.

Es ist aber auch keine Frage, daß es für die Weiterführung eines Hofes ein großes Problem darstellen kann, wenn der Hof nur als ein Wirtschaftsunternehmen wie jedes andere betrachtet wird, wenn nur noch gefragt wird, was sich rentiert und was nicht, wenn nur noch gerechnet wird.

Diese genannten Betrachtungen, diese Rechnungen vernachlässigen die Tatsache, daß ein Hof nicht nur ein Unternehmen, sondem auch eine Lebensbasis und eine Lebensform ist, die eine besondere Lebensqualität bieten kann.

Der Vergleich zum Gewerbe hinkt. Eine Schuhfabrik ist, wenn man keine Schuhe mehr verkaufen kann, keine Lebensbasis. Und eine Mechanikerwerkstätte ist, wenn keine Kunden mehr kommen, auch keine. Eine Schuhfabrik, eine Mechanikerwerkstätte ist keine Wohnstätte.

Ein Hof ist aber eine Wohn- und Lebensstätte, nicht selten eine sehr schöne, von der viele nur träumen können. Von einem Hof kann man, in einem etwas übertragenen Sinne, wirklich "herunterbeißen", also leben. Hier kann man sich Nahrung selbst erzeugen, auch wenn keine Kunden kommen, wenn man nichts verkaufen kann. Das ist der Unterschied. Das sollte man nicht vergessen, auch wenn Rechnungen nicht aufgehen.

Hohe Lebensqualität Diese Lebensbasis auch für künftige Generationen zu erhalten, sollte einem etwas Wert sein, notfalls auch unbezahlte Mehrarbeit. Mit unbezahlter Mehrarbeit kann man sich in der Regel wohl auch mehr Lebensqualität sichern als zum Beispiel durch unbezahltes Sitzen vor dem Fernsehapparat. Natürlich darf die unbezahlte Mehrarbeit nicht - wie schon erwähnt - zu einer dauernden arbeitsmäßigen Überlastung führen.

Wer als Bauer oder Bäuerin solche Mehrarbeit leistet, sollte auch nicht vergessen, daß das tägliche oft lange Hin- und Zurückpendeln von Arbeitern und Angestellten zum Arbeitsplatz auch unbezahlte Zeit ist. Ebenso muß man auch berücksichtigen, daß man alle Arbeit auf einem Bauernhof, angefangen von der Gartenarbeit für die eigene Gemüseversorgung bis zum Holzmachen für Herd und Ofen nicht der Arbeitszeit für die Landwirtschaft anrechnen darf. Das ist Arbeit für die Familie und die haben andere auch.

Der Autor ist Leiter des Studienzentrums für Agrarökologie am Forschungsinstitut für Alpenländische Land- und Forstwirtschaft der Universität Innsbruck, sein Beitrag ein Auszug aus: "Der Erde die Treue halten", Nr. 6 der "Schriftenreihe Agrarökologie und Agrarpolitik".

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