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Nicht nur Walzer
Die Zukunftsaussichten der österreichischen Wirtschaft und insbesondere unserer Grundindustrie zeigen sich nicht allzu günstig. Überall in Europa und Übersee werden beispielsweise neue Stahlwerke errichtet in Dimensionen, die größer sind als die österreichische Stahlindustrie insgesamt. Ihr Standort liegt an der Küste, wo sie frachtgünstig reiches Erz und billige Kohle aus Afrika, Nord- und Südamerika beziehen können. Österreich mit seiner Binnenlage scheint hier hoffnungslos benachteiligt.
Die Binnenlage ist allerdings nicht so absolut, da große Teile unseres Landes im Einzugsbereich des zweitgrößten europäischen Stromes liegen. Der Nachteil dieser an sich günstigen Situation besteht nur darin, daß dieser Strom ein etwas unregelmäßiges Bett und eine schwankende Wasserführung aufweist und daß er außerdem nach Osten fließt, während unsere wichtigsten Handelspartner im Westen zu finden sind.
Aber beide Nachteile auszugleichen, liegt in des Menschen Hand, im gegebenen Fall in jener der Regierungen der Donauländer. Deshalb empfahl ihnen auch die internationale Donaukommission, die Fahrrinne bis Wien auf 3,5 Meter zu vertiefen, damit auch Hochseeschiffe bis zu 3000 Tonnen die österreichische Hauptstadt und alle anderen stromabwärts gelegenen Häfen erreichen können.
Die Wasserstraße ist billig
Der zweite Nachteil der Donau wird durch den Duisburger Vertrag von 1966 behoben, der den Bau des „Europa-Kanals“ Rhein- Main-Donau bis 1981 vorsieht. Damit findet Österreich auch den Anschluß an die westlichen Industrieländer.
Nur durch eine solche Verbindung Österreichs mit dem europäischen Wasserstraßennetz und dem Seeverkehr kann der enorme Frachtkostennachteil gemildert werden, der Österreichs-Ein- und- Ausfuhren- belastet, in einer Zeit, da kaum mehr Kostenvorteile auf anderen Gebieten, etwa durch Spezialverfahren oder niedrigere Löhne, erreichbar sind.
Dieses Ziel ist allerdings nur durch den Ausbau der Donau durch Staustufen erreichbar. Lange Zeit war das auch unumstritten, da sich dadurch noch die glückliche Möglichkeit bietet, in den Stauanlagen elektrische Energie zu erzeugen.
Andere Staaten haben die Notwendigkeit einer Förderung des Wasserstraßennetzes längst erkannt.
So baut die Bundesrepublik Deutschland neben zahlreichen anderen Projekten den Rhein-Main-Donau- Kanal, die Tschechoslowakei beabsichtigt eine Verbindung Donau- Oder-Elbe, Jugoslawien und Rumänien errichten eines der größten Kraftwerke Europas am Eisernen Tor. All diese Vorhaben kosten Milliarden, werden aber trotzdem durchgeführt, da sie der Wirtschaft der jeweiligen Staaten weit größere Vorteile bringen.
Eine Strukturanalyse in Deutschland hat ergeben, daß von 1955 bis 1962 die Zahl der in der Industrie Beschäftigten in den an Wasserstraßen gelegenen Kreisen um 36 Prozent, in den übrigen Kreisen nur um 15 Prozent zugenommen hat. Die Entwicklung des Ruhrgebietes wurde ebenfalls hauptsächlich durch Wasserstraßen herbeigeführt. 74 Prozent der Kohlenförderung und 75 Prozent der gesamten Stahlproduktion erfolgen durch an Wasserstraßen gelegene Betriebe. Die Entwicklung einer ganzen Reihe von Industriezweigen wie chemische Industrie, Ölraffinerien, Zement-, Holz-, Papier- und Zellstoffindustrie, wurde erst durch Wasserstraßen ermöglicht.
Konzept für 20 Jahre
Es ist also unverständlich, warum die österreichische Regierung zögert, den Startschuß für den Bau von Ottensheim, das von den verbleibenden sechs Kraftwerken für die Schiffahrt am dringendsten ist, zu geben. Alle sechs Staustufen zusammen würden etwa 19 Milliarden Schilling kosten, wovon die Elektrizitätswirtschaft dreizehn Milliarden aufbringen kann Etwa zwei Milliarden müßte dei Hochwasserschutz der Stadt Wier wert sein und 3,5 Milliarden der Ausbau der Wasserstraße dem Bund Dieser Aufwand würde sich allerdings auf einen Zeitraum von zwanzig Jahren verteilen.
Es kann kaum Argumente geger den Ausbau der Donau geben, dc nicht einmal die Errichtung eines Atomkraftwerks durch ihn behindert würde. Da die Donaukraftwerke nui rund 20 Prozent des gesamten Stromverbrauchs decken, wird der übrige Zuwachs an Grundlastenergie aus anderen Quellen kommen müssen.
Eine rasche Entscheidung tut not weil durch den Kraftwerksbau die österreichische Wirtschaft einerseits die so dringend notwendigen kurzfristigen Impulse erhält, anderseits der Anschluß an das europäische Wasserstraßennetz ihr auch Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt
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