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Noch ehe sie gewählt ist, steht die neue Regierung unter Zeitdruck

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Sollten die Wähler am 9. Oktober nicht für eine handfeste Sensation sorgen, gibt es eine Weiterführung der Großen Koalition. Diese steht aber bereits jetzt unter Zeitdruck.

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Sollten die Wähler am 9. Oktober nicht für eine handfeste Sensation sorgen, gibt es eine Weiterführung der Großen Koalition. Diese steht aber bereits jetzt unter Zeitdruck.

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Vor vier Jahren, am 7. Oktober 1990 brachte die Nationalratswahl eine erdrutschartige Niederlage der ÖVP, die von 41,3 auf 32,1 Prozent der Stimmen absackte und 17 ihrer 77 Nationalratsmandate einbüßte. Dennoch gingen die Koalitionsverhandlungen relativ zügig über die Bühne; am 18. Dezember schließlich wurde die neue Regierung angelobt.

Angesichts des für Jänner 1995 angepeilten EU-Beitritts würde allerdings ein ähnliches Szenario wie vor vier Jahren dazu führen, daß diesmal die Regierung unter gewaltigen Zeitdruck gerät (dazu auch Seite 1 und 8): denn eine Einigung der neuen Koalitionsregierung bei parteipolitisch wie budgetär derartig heiklen Fragen wie dem Finanzausgleich oder der Spitalsfinanzierung ist vor dem Abschluß der Regierungsverhandlungen äußerst unwahrscheinlich. Finanzstaatssekretär' Johannes Ditz (ÖVP) räumte daher im FuRCHE-Gespräch ein, daß etwa bei der Spitalsfinanzierung eine Fortschreibung der bisherigen Regelung durchaus denkbar sei - was wiederum zu einer neuerlichen Verzögerung bei der bereits seit Jahren angekündigten Einführung der leistungsorientierten Abrechnung der Krankenhauskosten führen würde.

Denn bisher wurden die"Spitalsko-sten über den „KRAZAF" (den Krankenanstalten - Zusammenarbeits-Fonds) zum Großteil nach der Dauer der jeweiligen Spitalsaufenthalte berechnet und nicht danach, wie kostenintensiv die jeweilige Behandlung ist. Die Spitäler bekommen also für Leistungen der hochtechnisierten Spitzenmedizin - bei gleicher Aufenthaltsdauer des Patienten - vom Spitalserhalter genauso viel wie für eine Blinddarmoperation. Was wiederum dazu führt, daß viele Spitalsbetten unnötig lang belegt werden. Finanziert wird der KRAZAF, der im Jahre 1993 über knapp 16 Milliarden Schilling verfügte, zu 18,5 Prozent vom Bund, zu knapp 11 Prozent von den Ländern, zu 7,4 Prozent von den Gemeinden und zu 62 Prozent vom Hauptverband der Sozialversicherung.

Keine Möglichkeit einer Verlängerung bisheriger Regelungen hat die Regierung allerdings bei allen EU-relevanten Änderungen — immer unter der Voraussetzung, der Beitrittstermin 1. Jänner 1995 wird von der Union und ihren Mitgliedstaaten eingehalten. Denn in diesem Falle muß sich die Bundesregierung noch zuvor mit ihren Finanzausgleichs-Partnern, den Ländern und den Gemeinden, über eine Neuregelung des Finanzausgleichsgesetzes einigen - also darüber, wie die Kosten für die Mitgliedsbeiträge an Brüssel beziehungsweise für die aufgestockten innerstaatlichen Förderungen an die Landwirtschaft aufgeteilt werden sollen. Denn den Bauern wurde von der Bundesregierung die „Abfederung" des EU-Beitritts in Form eines „Solidarpaktes" zugesagt: dabei geht es um rund 21,7 Milliarden Schilling, die innerhalb der nächsten vier Jahre zusätzlich zu den Förderuhgen aus Brüssel in etwa gleicher Höhe innerstaatlich aufgebracht werden sollen. Grundsätzlich wurde vereinbart, diese Mittel im Schlüssel 60 zu 40 dem Bund und den Ländern aufzubürden. Finanzstaatssekretär Johannes Ditz will diese Vereinbarung freilich ■ nicht so verstanden wissen, daß sofort mit dem EU-Beitritt der Bundeshaushalt um den Jahresanteil jener 13 Milliarden Schilling (60 Prozent von 21,7 Milliarden) belastet wird: „Da kann natürlich einiges durch Umschichtungen und durch den Wegfall bisheriger Aufwendungen aufgebracht werden. Das muß aber alles im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen erörtert werden."

Ebenso muß die Regierung noch vor dem EU-Beitritt eine Reihe von Gesetzesanpassungen vorlegen und vom Parlament absegnen lassen:

■ darunter sämtliche Gesetze im Zusammenhang mit der Wahl österreichischer EU-Parlamentarier und deren rechtlichen Status;

■ Verfassungsbestimmungen über die Nominierung heimischer Mitglieder der EU-Kommission und anderer EU-Gremien;

■ neue Kompetenzregelungen für den Verfassungsgerichtshof;

■ diverse Anpassungen an die GASP (die „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" der EU), etwa beim Kriegsmaterialgesetz oder beim Außenhandelsgesetz;

■ Novellierungen des Tabak- und des Salzmonopolgesetzes;

■ Neuregelungen des Anti-Dumping-Gesetzes und des Preistransparenz-Gesetzes;

■ Änderungen des Mutterschutzge-setzs und des Elternkarenzurlaubsge-setzes;

■ ein EU-Durchführungsgesetz für das Förderungswesen

■ EU-Anpassungen des Nationalbankgesetzes und des Bundeshaushaltsgesetzes;

■ Novellierungen des Paßgesetzes und des Waffengesetzes;

■ Änderungen der Gesetze über die Straßen - Sondergesellschaf ten.

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