Nur Afrika rettet Afrika

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Kein Bob Geldof, kein Bono, keine Madonna und kein Paul McCartney, ja nicht einmal ein Tony Blair mit allen G8 im Rücken rettet Afrika letztlich aus seiner Armut.

Schotten sind geizig, heißt es - trotzdem sollten an diesem Mittwoch die Staats- und Regierungschefs der G8-Länder ausgerechnet in der schottischen Golf-Hochburg Gleneagles nahe Edinburgh Großzügigkeit demonstrieren und der "Make poverty history"-Kampagne zum Durchbruch verhelfen: auf dass die Armut in Afrika in die Geschichte eingehe.

An Absichtserklärungen zur Armutsbekämpfung hat es auch bei den früheren Treffen der acht Wirtschaftsriesen nicht gemangelt, letztendlich sind die darauf folgenden Taten aber auch ohne schottischen Herkunftsort recht kleinkariert geblieben. Wer erinert sich noch an Yoshiro Mori? Der war im Juli 2000 japanischer Ministerpräsident und Gastgeber der Großen 8, und der forderte damals schon mehr Schuldenerlässe und mehr Entwicklungshilfe - seine eigennützige Begründung: Die Weltwirtschaft wird gebremst, wenn die Entwicklungsländer nicht vorankommen. Doch nicht einmal dieses Argument vom armen Klotz am Bein der Reichen konnte eine Wende in den Beziehungen zwischen den Verlierer- und Gewinnerstaaten herbeiführen: Entwicklungshilfegelder blieben aus, Handelsbarrieren blieben aufrecht, und Subventionspolitiken in den Industriestaaten blieben bestehen.

Doch nach Gleneagles soll kein entwicklungspolitischer Stein auf dem anderen bleiben. Schon vor der Fahrt in die Highlands flogen die Träume hoch: "Seid ihr bereit, eine Revolution anzufangen?" schrie Madonna den Londoner Konzertbesuchern beim weltweiten Live 8-Spektakel letzten Samstag entgegen. Und "lasst euch nicht erzählen, dass das, was wir hier machen, keinen Sinn hat!" beschwor Bob Geldof, der Pop-Gutmensch und Initiator dieser "größten Show auf Erden", die Zuschauer auf der ganzen Welt. Und es stimmt schon: Die Botschaft ist rübergekommen, Afrika steht wieder auf der Tagesordnung. Und wenn das so bleibt, schrieb die britische Zeitung The Observer: "Dann hat der Sound im Hyde-Park schon etwas Großes bewirkt."

So etwas Großes, dass auch die Großen 8 sich davon beeindrucken lassen? So etwas Großes, dass die acht mächtigsten Männer der Welt die Entwicklungshilfe sofort auf 50 Milliarden Dollar im Jahr verdoppeln, weil sie sonst den Zorn von Reich und Arm fürchten müssen, die durch das Pop-Ereignis für zehn Stunden zu "den wahren Vereinten Nationen" (© Kofi Annan) zusammengeschweißt worden sind?

Der britische Komiker Ricky Gervais scherzte während des Konzerts, die Veranstaltung werde vorzeitig abgebrochen, denn Bush und Blair hätten sich soeben auf eine Vervierfachung der Entwicklungshilfe geeinigt. Und weiter: "Nein, war nur ein Witz. Die Entwicklungshilfe wird nicht vervierfacht - wir können weitermachen."

Der Komiker hat damit die eigentliche Gefahr für die Zeit nach dem Live-8-Bewusstseinsbildungsspektakel und dem G8-Entwicklungshilfespektakel auf den Punkt gebracht: Dass weitergemacht wird wie bisher. Auf Seiten der Reichen: Dass eine Erhöhung der Entwicklungshilfe durch ein strengeres Regime bei den Schuldenrückforderungen wettgemacht wird. Dass die Entschuldung zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerländer dient und nicht zur Armutsbekämpfung in der Bevölkerung; dass die eigenen Produkte subventioniert werden und der Weltmarkt für andere, ärmere Anbieter damit verschlossen bleibt. Und generell, dass die Hilfe lähmt, statt auf- und weiterhilft.

Und auf Seiten der Armen: Dass Korruption und Vetternwirtschaft regieren; dass Entwicklungshilfe dem Machterhalt und nicht dem Fortschritt des Landes dient; dass alle Schuld an der Malaise dem kolonialen und neokolonialen Strukturen zugeschoben wird; dass weiter auf die "Ökonomie des Herzens" der Geberländer gehofft und nicht der eigenen Geistes- und Wirtschaftskraft getraut wird; Und generell, dass man sich lähmen lässt, statt aufzustehen und weiterzugehen.

"Sie haben die historische Gelegenheit, das Tor zur Hoffnung aufzustoßen", sagte Nelson Mandela bei Life-8 in Johannesburg: Mit "Sie" hat er alle gemeint: Diejenigen, die durch wirkliche Entschuldung dieses Tor aufmachen können und diejenigen, die nach wirklichen Reformen durch dieses Tor durchgehen müssen.

wolfgang.machreich@furche.at

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