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Oberösterreichs Landwirtschaft

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Oberösterreich ist während der letzten beiden Jahrzehnte einem Wandel unterlegen, Welcher es von einem Agrarland zu einem Wirtschaftsgebiet mit gemischter Struktur werden ließ. Die Verlagerungen Und Neügründungen von Industrien, die damit Hand in Hand gehende verkehrsmäßige Aufschließung des Landes und die Verringerung des prozentuellen Anteils der landwirtschaftlichen Bevölkerung geben ein klares Zeugnis von dem Wandel, welcher vor sich gegangen ist und noch nicht abgeschlossen zu sein scheint. Trotz des eben angedeuteten besorgniserregenden Rückgangs des landwirtschaftlichen Bevölkerungsanteils von rund 38 Prozent im Jahre 1934 auf rund 28 Prozent im Jahre 1950 ist die Landwirtschaft noch immer der tragende Wirtschaftspfeiler des Landes geblieben, und da Oberösterreich das drittgrößte Bundesland Österreichs ist, beeinflußt es somit' auch bestimmend die wirtschaftliche Gesamtstruktur der Bundesrepublik.

In der Landwirtschaft kommt dem

Pflanzenbau eine ganz bedeutende Rölle zu, baut sich doch auf diesem die bedeutende Tierhaltung mit hervorragenden Zuchten und eine hochentwickelte Milchwirtschaft auf, die weit über die Grenzen des Landes, ja selbst Staatsgrenzen, ihre Erzeugnisse auszuführen in der Lage sind. Die oberösterreichische Forstwirtschaft hat aber auch mit der zunehmenden Bedeutung des Holzes als industrielles Rohmaterial an wirtschaftlicher Wertschätzung : zugenommen und ist heute ein ebenbürtiger Partner neben dem Pflanzenbau und der Tierzucht.

Die oberösterreichische Landwirtschaft hat unter den Kriegseinwirkungen verhältnismäßig wenig gelitten. Die Kriegsschäden wurden rasch beseitigt, die Erzeugung lief nach dem Krieg flott an, so daß gerade Oberösterreich durch Bereitstellen von Lebensmitteln für die Großstädte in den kritischen Versorgungs- jahreh 1945 bis 1947 sehr viel beitragen konnte. In Oberösterreich nimmt die Erzeugung von Brotgetreide einen großen Umfang ein. Es werden insgesamt 93.000 Hektar mit Brotgetreide bebaut. Die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche beträgt 679.890 Hektar, nimmt aber jedes Jahr im Durchschnitt um etwa 250 Hektar durch Verbauung ab. Während südlich der Donau der Weizenbau überwiegt, liegt der Schwerpunkt des Roggenbaus im Mühlviertel. Neben der Erzeugung von Brotgetreide spielt auch der Anbau von Hafer und Sommergerste auf einer Fläche von 77.000 Hektar eine sehr beachtliche Rolle. Wenn auch flächenmäßig nicht so ausschlaggebend, aber wirt schaftlich bedeutend, ist die Kultur der Zuckerrübe, die in Oberösterreich wieder den Vorkriegsstand mit 6000 Hektar erreicht hat. Daß die Milchwirtschaft in Oberösterreich in den letzten Jahrzehnten einen großen Aufschwung nahm, ist in erster Linie auf die natürlichen Futtergrundlagen zurückzuführen. Die Wiesen- und Weideflächen nehmen ein Ausmaß von rund 260.000 Hektar ein. Neben den natürlichen Grünlandflächen werden auch auf dem Ackerland erhebliche Futtermassen auf einer Fläche von rund 70.000 Hektar erzeugt, Während Wiesen und Weiden vornehmlich in feuchteren Gebieten ZU Hause sind, ermöglicht der Feldfutterbau auch in trockeneren Lagen die Erzeugung großer Futtermassen. Die Feldfutterpflanzen greifen mit ihren Wurzeln tiefer in den Boden und sind daher in der Lage, das Wasser auch aus tieferen Schichten heraufzuholen. Unter den Feldfutterpflanzen ist die Runkelrübe zu erwähnen, welche bedeutende Futtermassen liefert und in erster Linie für die Fütterung von Rindern, aber auch von Schweinen Verwendet wird. Außerordentlich gehaltvolles Futter, besonders was den F.iweißgehalt betrifft, liefert der Klee. In Oberösterreich werden im großen und ganzen zwei Kleearten gebaut, und zwar in erster Linie der einjährige Rotklee auf einer Fläche von 47,000 Hektar und der mehrjährige Luzerneklee auf einer Fläche von 4000 Hektar. Obwohl die Luzerne die wertvollere und ertragreichere Futterpflanze ist, kann sie nicht überall gebaut werden, weil sie zu hohe Ansprüche auf den Kalkgehalt des Bodens stellt. Sehr große Futtermassen liefert auch der sogenannte „Silomais" und die Sonnenblume. Da eine Trocknung, wie beim Wiesengras und dem Klee nicht möglich ist, müssen zu ihrer Konservierung einige Behälter, sogenannte Silos, gebaut werden. Der Bau von Silos nimmt immer größeren Umfang an.

Auf der sehr umfangreichen pflanzlichen Grundlage steht eine sehr beachtliche Tierhaltung. Die Rinderbestände Oberösterreichs waren in den Kriegsjahren 1939 bis 1945 und besonders in den darauffolgenden zwei Jahren sdiwer- stens in Mitleidenschaft gezogen und sowohl zahlen- als auch gütemäßig empfindlichst geschädigt worden. Eine sofort nach dem Kriegsende einsetzende Förderung der Rinderzucht beseitigte vorerst die Kriegsschäden und erzielte bis zum Jahre 1951 eine ganz wesentliche Verbesserung der Erzeugung der Rinderbestände an Milch und Fleisch.

Auf einer leistungsfähigen, hochstehenden Rinderhaltung mit geeigneter Futtergrundlage baut ich das v/eitere Glied der Produktionskette, die Milchwirtschaft,

auf. Bei der Viehzählung im März 1950 wurden in Oberösterreich 288.600 Kühe gezählt, Am gesamten österreichischen Kuhbestand hatte Oberösterreich nach der Zählung vom Dezember 1950 einen Anteil von 25,6 Prozent. An der gesamten Milchablieferung Österreich® war Oberösterreich im ersten Halbjahr 1951 mit 29 Prozent beteiligt. Daraus geht hervor, daß die Ablieferung in Oberösterreich in der angegebenen Zeit, bezogen auf die durchschnittliche Tageslieferung je Kuh, um 13,5 Prozent über dem Durchschnitt des Bundesgebiets lag.

Wenn man die Jahresergebnisse des Kalenderjahres 1950 als Grundlage nimmt, dann war in diesem Zeitabschnitt das Land Oberösterreich an der gesamten österreichischen Marktleistung an Milch mit fast 31 Prozent, an der in den Molkereden erzeugten Butter mit 42,5 Prozent und an der Käseerzeugung mit mehr als 17 Prozent beteiligt. Die entsprechenden Mengen waren rund 2 7 0.050 Tonnen Milch, 6913,5 Tonnen Butter und 16 18 Tonnen Käse. Diese für den Markt bereitgestellten Mengen an Milch und Milcherzeugnissen wurden keineswegs im Land selbst verbraucht, sondern ein beachtlicher Teil wurde für den Verbrauch in andere Bundesländer versendet. Nach Wien wurden im Jahre 1950 29.556 Tonnen Vollmilch und 1086,5 Tonnen Magermilch geliefert. Von der in den Molkereien erzeugten Butter wurde nahezu die Hälfte, nämlich 3278 Tonnen, außerhalb des Bundeslandes abgesetzt, wovon 2102 Tonnen in Wien, 510 Tonnen in Salzburg, 409 Tonnen in Tirol, 143 Tonnen in Kärnten und 114 Tonnen in Vorarlberg auf den Markt gebracht wurden.

An 54 Betriebe wird ausschließlich oder vorwiegend Milch angeliefert. Davon sind 32 Betriebe reine Käsereien, welche die Milch nur zu Käse verarbeiten, während 22 Molkereien die übernommene Milch zur Gänze oder doch größtenteils als Trinkmilch im Land absetzen oder für den Wiener Trinkmilchmarkt versenden. An die dritte Gruppe von 31 Betrieben erfolgt die Anlieferung nur in Form von Rahm, der zu Butter verarbeitet wird. Es ist für die oberösterreichische Milchwirtschaft charakteristisch, daß etwa 60 Prozent der gesamten abgelieferten Milch in Form von Rahm an die Verwertungsbetriebe gelangen. In keinem anderen Bundesland hat die Rahmablieferung einen so großen Anteil an der Gesamtlieferung. Das hängt mit der intensiven Rinderzucht, welche den Bedarf an Magermilch für Aufzuchtzwecke im Landwirtschaftsbetrieb bedingt, und mit der gerade in diesen

Gebieten des Lande vorherrschenden

Streulage der Gehöfte zusammen, die eine Beförderung von Milch an die Molkereien nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten oder überhaupt nicht möglich macht. Denn bei der Rahmablieferung ist gegenüber der Milchablieferung nur ein Sechstel an Transportleistung hinsichtlich Gewicht und Volumen notwendig.

Die oberösterreichische Tierhaltung hat neben der Rinderhaltung in der Pferdezucht einen sehr beachtlichen Erzeugungszweig aufzuweisen. So wie im ganzen österreichischen Bundesgebiet, so ist auch in Oberösterreich nach der in den Nachkriegsjahren 1945 bis 1948 bestandenen Konjunktur in der Zucht und im Absatz des Pferdes eine vorübergehende Krise bemerkbar, die teilweise durch Preisabfall wie auch durch Zunahme der Traktoren entstanden ist. Wenn auch, hauptsächlich im Flachland, eine zunehmende Motorisierung festzustellen ist, so ist das Pferd als Zugkraft nicht nur am Lande, sondern auch in der Stadt in vielen Betrieben unersetzlich geblieben.

Für die Fleisch- und Fettversorgung des Markts spielt die Schweinehaltung eine bedeutende Rolle. Die Schweine- bestände haben hinsichtlich der Güte die Vorkriegshöhe erreicht und sind auch zahlenmäßig wieder an das Vorkriegsniveau herangekommen. Es werden das veredelte Landschwein, das Edelschwein und in der Gegend von Wels die Welser Schecken gehalten. In den letzten Jahren kam zur Blutauffrischung Zuditmaterlal aus England nach Österreich und wurde mit Erfolg verwendet. Der Welser Ferkelmarkt, welcher jeden Samstag in Wels abgehalten wird, zeigt die beachtlichen Leistungen dieses landwirtschaftlichen Erzeugungszweiges.

Ein weiterer wichtiger Erzeugungszweig ist der Wald. Oberösterreich hat rund 410.000 Hektar Wald oder 37,2 Prozent der produktiven Landesfläche. Da ganz Österreich 37,4 Prozent Wald besitzt, zeigt Oberösterreich fast genau den gesamtösterreichischen Hundertsatz.

Die Bedeutung des Waldes für das Land ist groß. Obenan steht seine Bedeutung für die Holzversorgung der heimischen Holzindustrie und für die Versorgung der Bevölkerung mit Holz und Holzwaren. Darüber hinaus werden noch durch Holzeinfuhr beträchtliche valutarische Werte ins Land gebracht. Wenig beachtet, aber sehr wertvoll 1st die Rolle des Waldes für die Erhaltung und Sicherung unseres Bauernstandes. Der Wald bildet hiebei einen Rückhalt, um Unglücksfälle überstehen zu können und zeitweise auftretende größere Auslagen zur Ausgestaltung des Betriebes oder Wiederinstandsetzung schadhafter Baulichkeiten usw. zu bestreiten. Der Wald ist das grüne Kleid unserer Berge und als solcher nicht nur Mitgestalter einer harmonischen Landschaft, die die Fremden in reicher Zahl ins Land lockt und den Städter hinauszieht, um aus dem Walten des Natürlichen neue Kräfte für die oft naturwidrige, ungesunde Arbeit in den Städten zu schöpfen, sondern er ist auch Lebensborn selbst. Ohne ihn würden die Quellen versiegen, die Nie- defschläge in reißenden Fluten zu Tal brausen, die Lawinen über die Hänge stürzen, abgehende Erdmuren die Niederungen verwüsten und Steinschläge die Siedlungen und menschlichen Anlagen in den engen Gebirgstälern vernichten. Ohne ihn wäre eine Landwirtschaft nicht möglich, die Besiedlungsfähigkeit des Landes ginge verloren. Leider ergeben sich da und dort in einzelnen Teilen des Landes Anzeichen, daß der Mensch durch falsche Holzartenwahl und durch über-, große Abholzungen und Rodungen bereits mehr in den Wald eingegriffen hat, als zulässig ist. Bedenkliche Erscheinungen im Wasserhaushalt einzelner Gebiete und Rückgang der Bodenfruchtbarkeit sollen als deutliche Warnung gehört werden und das allgemeine Interesse der Erhaltung und dem Schutz unseres Waldes zuwenden.

Diese kurze Umschau in Oberösterreichs Land- und Forstwirtschaft möge aufzeigen, daß trotz gewaltiger Industrialisierung dieser Zweig der Volkswirtschaft den Charakter der Landschaft und der Menschen in Oberösterreich bestimmen. und daß dieser Erzeugungszweig im bunten Mosaik der österreichischen Bundesländer einen gewichtigen Beitrag zur Wiederaufrichtung der österreichischen Wirtschaft leistet.

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