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ÖBB-Reformfrüchte

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Spät aber doch hat man erkannt, daß es nicht genügt, die eine oder andere Ursache der defizitären Entwicklung bei der ÖBB unter die Lupe zu nehmen und den Hebel etwa nur bei der technischen Rationalisierung oder nur beim Problem der Fremdlasten anzusetzen. Deshalb wurde 1969 ein Bundesbahngesetz geschaffen.

Vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Bildung des Wirtschaftskörpers „österreichische Bundesbahnen“ am 14. Juni 1969 waren diese ein in die ministerielle Hoheitsverwaltung eingegliederter Staatsbetrieb, dessen Führung im Vergleich zum transporttechnisch und kommerziell wendigeren Straßentransport im Nachteil war. Bereits jetzt kann ein Erfolg abgesehen werden. Die Einnahmen der ÖBB waren im Budget für 1968 mit 8215 Millionen und für 1969 mit 8251 Millionen Schilling veranschlagt worden. Auf Grund dieser Voranschläge wären von den ÖBB Mehreinnahmen von 297 Millionen zu erwirtschaften gewesen. Da jedoch 1968 tatsächlich nur 7961 Millionen Schilling Einnahmen erzielt worden waren, bedeutete der Voranschlag 1969 gegenüber dem Ergebnis von 1968 eine Mehreinnahme von 551 Millionen Schilling. Nicht nur diese Mehreinnahme konnte 1969 erzielt werden, zu ihr werden voraussichtlich noch weitere 200 Millionen an zusätzlichen Einnahmen kommen. Dies ist einerseits auf die Rationalisierungsleistungen, vor allem auf dem Gebiet des Fahrparks, anderseits auf Mehrleistungen der Bahn

auf Grund der konjunkturellen Lage zurückzuführen.

Auf einem etwa 6000-Kilomeiter-Streckennetz mit 1593 Bahnhöfen und Haltestellen für den Reiseverkehr, 996 Annahme- und Auslieferungsstellen für Wagenladungen sowie 805 für Stückgutsendungen werden im Tagesdurchschnitt rund 425.000 Reisende und nahezu 125.000 Tonnen Güter befördert. Die Hälfte aller in Österreich erbrachten Verkehrsleistungen entfällt auf den Schienenverkehr. Das Leistungsangebot erstreckt sich in Zusammenarbeit mit den ausländischen Eisenbahnverwaltungen auf den ganzen Kontinent. Ein am 1. Mai in Kraft tretendes Abkommen über den direkten Güterverkehr mit den sowjetischen Eisenbahnen wird der österreichischen Wirtschaft und ausländischen Frachtern die Möglichkeit bieten, Güter von Österreich aus unter einem einzigen Frachtrechts-regime nach jedem der 20.000 sowjetischen Bahnhöfe aufzugeben.

Auch EWG-Probleme

Für die ÖBB hat mit der Schaffung des Bundesbahngesetzes eine neue Zukunft begonnen. Es geht nicht mehr bloß um kosmetische Operationen oder um das Aushandeln von Budgetansätzen, sondern um eine entscheidende Verbesserung der wirtschaftlichen Gebarung der ÖBB, denen durch die Fülle aufeinander abgestimmter Einzelmaßnahmen jener Platz im Verkehrswesen gesichert werden soll, der den spezifischen Vorteilen des Schienenverkehrs entspricht.

Von 1968 bis 1969 wurde der aufwendige Dampfbetrieb um ein Drittel reduziert und die Elektrifizierung fortgesetzt. Mit Jahresbeginn 1970 umfaßte das elektrisch betriebene Streckennetz 2306 Kilometer, 39 Prozent des gesamten. Auf diesen Strecken werden heute zirka 80 Prozent des Verkehrsaufkommens abgewickelt. Insgesamt sollen weitere 584 Kilometer elektrifiziert werden, so daß nach Abschluß des Programms 49 Prozent der Strecken mit 89 Prozent des gesamten Verkehrsaufkommens elektrisch befahren werden. Schon heute geht man daran, das Werttarifsystem dahin zu überprüfen, wieweit es in einem nach EWG-Vorstellungen orientierten Verkehrssystem aufrechterhalten werden kann.

Für die Jahre 1970 bis 1974 wurde ein Investitionsprogramm aufgestellt: Im Ausgabenrahmen von etwa 10 Milliarden Schilling sollen 3,5 Milliarden für Elektrifizierung, Umstellung auf Dieselbetrieb, Automatisierung und Mechanisierung von Betriebsanlagen, 200 Millionen für Sicherheitsinvestitionen, 1,2 Milliarden für die Modernisierung von Anlagen und sonstige Neuinvestitionen und 5,1 Milliarden Schilling für den Erneuerungsbedarf ausgegeben werden. Einzelheiten werden noch vom Verwaltungsrat, dem zweiten Führungsorgan der ÖBB neben dem Vorstand, über Aufforderung des Verkehrsministeriums, das dann die endgültige Zustimmung im Einvernehmen mit dem Finanzminister zu geben hat, geprüft.

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