Flughafen - © Foto: APA / AFP / Ina Fassbender

Ökonom Halla über Arbeitskräftemangel als Sicherheitsrisiko

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Die Airlines kassierten Unmengen an Steuergeld und sollten nun liefern, meint der Ökonom Martin Halla. Über den pandemiebedingten Arbeitskräftemangel und enorme Fehlkalkulationen im Tourismus.

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Die Airlines kassierten Unmengen an Steuergeld und sollten nun liefern, meint der Ökonom Martin Halla. Über den pandemiebedingten Arbeitskräftemangel und enorme Fehlkalkulationen im Tourismus.

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In Österreich sind rund 141.000 Arbeitsplätze vakant. Davon könnten Bewerber aus Drittstaaten, Langzeitarbeitslose oder Vertriebene aus der Ukraine profitieren. Auch wird der Druck auf die Löhne weiter steigen. Ein Arbeitsmarktforscher erklärt, warum.

DIE FURCHE: Herr Halla, derzeit herrscht in Österreich ein massiver Arbeitskräftemangel. Ganz besonders betroffen sind die Branchen Luftfahrt, Tourismus und Gastronomie. Welche Ursachen liegen dem zugrunde?

Martin Halla: Abgesehen von den Facharbeitern, welche in vielen Branchen seit Jahren fehlen, ist es die Pandemie, auf die der Arbeitskräftemangel in den genannten Bereichen zurückzuführen ist. In Zahlen ausgedrückt: In der Gastronomie sind die beim AMS gemeldeten offenen Stellen (von einem niedrigen Niveau im Jahr 2021) heuer um 452 Prozent gestiegen. In der Luftfahrt beläuft sich die Erhöhung auf 400 Prozent. Bei Reisebüros und sonstigen Reservierungsdienstleistern ist es ein Plus von 511 Prozent. In diesen Branchen waren bereits vor der Pandemie die Arbeitsbedingungen sowie die Löhne zumeist relativ schlecht. Man denke etwa an die Arbeitsdienste in der Luftfahrt – nachts, frühmorgens, am Wochenende.

Dasselbe gilt für den Tourismus oder die Gastronomie. Auch geht eine Beschäftigung in diesen Bereichen häufig mit einer schlechten Planbarkeit einher, sprich man muss ständig einspringen und/oder Überstunden machen. In der Coronakrise wurden dort in unterschiedlicher Intensität Leute entlassen bzw. nicht eingestellt, etwa wenn es um saisonale Kräfte ging, oder aber in Kurzarbeit geschickt. Das heißt, dass viele Arbeitnehmer in diesen Branche ohne stabilen Job dastanden. Da die Pandemie und die damit verbundene Unsicherheit andauerten, haben sich viele dieser Arbeitnehmer umorientiert. Hinzu kamen noch Frühpensionierungen, wie etwa insbesondere in der Luftfahrt in den USA.

DIE FURCHE: Stichwort Neuorientierung. Wohin hat es die Arbeitskräfte dann verschlagen?

Halla: Dazu gibt es für Österreich noch keine verlässlichen Daten. Man kann nur mutmaßen. Jene aus dem Niedriglohnsektor sind in der sogenannten Gig-Economy – so wird der informelle Arbeitsmarkt bezeichnet, bei dem zeitlich befristete Aufträge flexibel und kurzfristig an Arbeitssuchende, Freelancer oder geringfügig Beschäftigte vergeben werden – untergekommen. Das kann im Zustellerbereich sein, bei der Essensauslieferung, in der Eventbranche, als Fahrer für Uber etc. Der Anreiz, in die alte Branche zurückzukehren, dürfte begrenzt sein. Die Arbeitssituation hat sich noch verschlimmert. Weil das Personal so knapp ist, muss dasjenige, das noch vor Ort ist, um ein Vielfaches mehr leisten.

DIE FURCHE: Wie kommen die Branchen aus diesem Teufelskreis heraus?

Halla: Der Druck auf die Löhne wird steigen. Und diesem wird auch nachgegeben werden müssen. Nur so können die bestehenden Mitarbeiter noch gehalten bzw. neue hinzugewonnen werden. Dieser Teufelskreis ist mitunter auch hausgemacht. Die Flug- und Tourismusbranche war viel zu optimistisch. Man glaubte, man könne das Personal, wenn die Nachfrage wieder steigt, relativ schnell zurückholen. Ein Kalkül, das nicht aufgegangen ist. Am Ende wird die Rechnung der Konsument in Form von höheren Ticketpreisen oder Hotelkosten bezahlen müssen. Oder aber das Problem wird in Form von verstärkter Arbeitsmigration gelöst.

DIE FURCHE: Inwiefern?

Halla: Indem man Arbeitnehmer(innen) aus Drittstaaten den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt erleichtert. Denn das ist bislang in Österreich ziemlich kompliziert. Zwar wurde in Wien mittlerweile eine zuständige und zusätzliche Sektion geschaffen, allerdings nur für höher Qualifizierte. In der Realität wird sich daher ein Arbeitgeber dreimal überlegen, ob er einen Drittstaatsangehörige einstellt, für den es solche Hürden zu überwinden gilt. Die Industrie könnte daher an diesem Punkt bei der Politik noch mehr Druck machen.

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