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Ökosoziale Marktwirtschaft: Globale Gerechtigkeit

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Der "Globale Marshall Plan" soll die Weltwirtschaft in geregelte Bahnen lenken und zu einer ökosozialen Marktwirtschaft führen.

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Der "Globale Marshall Plan" soll die Weltwirtschaft in geregelte Bahnen lenken und zu einer ökosozialen Marktwirtschaft führen.

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Das Vermögen der drei reichsten Menschen der Welt ist größer als das Bruttoinlandsprodukt der 48 ärmsten Staaten der Welt. Jährlich werden 900 Milliarden US-Dollar für Verteidigung ausgegeben, aber nur 56 Milliarden für Entwicklungshilfe. Von den 4,7 Milliarden Menschen in Entwicklungsländern hat eine Milliarde kein Dach über dem Kopf, haben 800 Millionen chronischen Hunger, 1,3 Milliarden kein sauberes Trinkwasser, 800 Millionen keine ärztliche Versorgung und 1,3 Milliarden weniger als einen US-Dollar zur täglichen Verfügung.

Diese wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, analysiert in zahlreichen Berichten der Vereinten Nationen, zu schließen, haben sich die Initiatoren des "Globalen Marshall Planes für eine weltweite ökosoziale Marktwirtschaft" zur Aufgabe gemacht, die vergangene Woche in Wien zu einer Konferenz zusammengekommen sind. Es gelte, die Globalisierung in geregelte Bahnen zu lenken und durch weltweite Regeln und Finanzierungshilfen für alle gleichermaßen gewinnbringend zu gestalten, lautete der Tenor der Vorträge.

Globales Pro und Contra

In seinem neuen Buch "Global Marshall Plan" beschreibt einer der Vortragenden und führenden Verfechter der ökosozialen Marktwirtschaft, der Wirtschaftswissenschafter Franz Josef Radermacher, die zwei Seiten der Globalisierung: "Sie hat offene Gesellschaften und offene Wirtschaften gefördert und einen freieren Austausch von Waren, Ideen und Wissen begünstigt. In vielen Teilen der Welt ist es zu einer Blüte von Innovation, Kreativität und Unternehmertum gekommen." So konnten in Ostasien innerhalb eines Jahrzehntes 200 Millionen Menschen aus der Armut befreit werden. Aber: "Die Vorteile der Globalisierung sind für zu viele unerreichbar, während ihre Risken viel zu real sind."

Ein gerechter Ausgleich ist laut Ex-Vizekanzler und Präsident des Ökosozialen Forums Europa, Josef Riegler, aber nur durch drei Faktoren zu erzielen: durch eine wettbewerbsstarke, auf Innovation und technischer Spitzenleistung beruhende Wirtschaft, durch soziale Fairness im Kleinen und Großen als Voraussetzung für Frieden und Stabilität sowie durch Ökologie im Sinne des nachhaltigen Schutzes von Lebensraum für heutige und künftige Generationen.

Was nahezu utopisch klingt, habe dennoch gute Chancen auf Umsetzung: "Wir haben bereits alle wichtigen Instrumente. Sie müssen nur noch mit den richtigen Spielregeln ausgestattet und aufeinander abgestimmt werden", betont Riegler:

  • Die UN Millennium-Development Goals legen fest, dass bis 2015 unter anderem die weltweite Armut halbiert, jedem Kind der Schulbesuch ermöglicht, die Kindersterblichkeit gedrittelt, Bedrohungen wie Aids gestoppt und die Zahl der Menschen ohne Trinkwasser halbiert werden soll.
  • Zur Verringerung des Treibhausgas-Ausstoßes soll im Jänner 2005 der Handel mit Emissionszertifikaten beginnen.
  • Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) tritt mit umfangreichen Forderungen für gerechte Arbeitsbedingungen ein.
  • Als institutionellen Rahmen hält Riegler die Welthandelsorganisation (WTO), den Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank für höchst effiziente Organisationen des Welthandels und der Weltfinanzen.

Welthandel ohne Regeln

"Was jedoch fehlt, ist die notwendige Verknüpfung und Gleichwertigkeit", bedauert er. So seien in der WTO selbst keine ökologischen und sozialen Kriterien vorgesehen. Hier setzt der Globale Marshall Plan an. Das freie Spiel der Märkte solle einen übergeordneten Rahmen bekommen. Dazu wollen die Verfechter der weltweiten ökosozialen Marktwirtschaft gleichsam als Zwischenschritt zuerst an der Umsetzung der UN-Millennium Development Goals arbeiten. Der Zedillo-Report der Vereinten Nationen kommt zu dem Ergebnis, dass dafür bis 2015 jährlich 70 Milliarden US-Dollar zusätzlich zu den bisherigen jährlichen Geldern für Entwicklungszusammenarbeit notwendig wären. An Finanzierungsvorschlägen mangelt es den Verfechtern des Planes nicht.

  • Tobin-Steuer: Eine weltweite Abgabe auf grenzüberschreitende Finanztransaktionen in Höhe von nur 0,01 Prozent des gehandelten Wertes würden jährlich bereits 30 Milliarden Dollar bringen.
  • Terra-Abgabe: Den globalen Warenhandel mit 0,5 Prozent des Warenwertes zu besteuern, würde derzeit pro Jahr 44 Milliarden Dollar einbringen.
  • Globale CO2-Abgabe: Würden pro Tonne CO2-Emissionen von den Verursachen weltweit fünf Dollar eingehoben, kämen jährlich mehr als hundert Milliarden Dollar zusammen, die alle Länder proportional zu ihrer industriellen Entwicklung belasten würden.
  • Das ehrgeizig Ziel der Initiatoren: Noch heuer wollen sie auf EU-Ebene eine Expertengruppe installiert sehen, ab kommendem Sommer sollen die Vorschläge zur offiziellen Position der EU für alle künftigen Weltgipfel werden.

GLOBAL MARSHALL PLAN

Ein Planetary Contract

Von Franz Josef Radermacher

Ökosoziales Forum Europa, Wien 2004.

208 Seiten, e 12,-

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