Österreichern fehlt der Bock auf Bullen und Bären

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Österreichs Anlegervertreter Wilhelm Rasinger vermisst eine engagierte Aktionärskultur im Lande der Sparbuch- Fetischisten. Er wünscht mehr Direktbeteiligung an heimischen Firmen, um die Wirtschaft zu stabilisieren.

Als Vorsitzender des Interessenverbands für Anleger (IVA) hält der promovierte Betriebswirt seit 1999 seine schützende Hand über Kleinanleger. Bei Hauptversammlungen und in der Öffentlichkeit übt er sein Mandat gegen Finanzgrößen wie die Meinl-Bank oder den mittlerweile insolventen Industriellen Mirco Kovacs aus.

"Wichtig ist es, Stimme zu haben und gehört zu werden. Je mehr Widerstand, desto größer meine Motivation“, gibt sich Rasinger einzelkämpferisch: sein Einschreiten für kleine Sparer, die über den Tisch gezogen wurden, ist von keiner PR-Maschinerie unterstützt.

Eigene Verantwortung der Anleger

Rasinger will Anleger schützen und mündig machen. "Es gilt, die Eigenverantwortung zu schärfen. Finanzprodukte werden über vertrauensbildende Schlüsselreize unter Zuhilfenahme modernster verkaufspsychologischer Erkenntnisse dargeboten.“

Analog zu den Warnhinweisen der Tabakindustrie, denen zufolge Rauchen bekanntermaßen tödlich sein kann, findet sich auch auf Werbedruckwerken für Geldanlagen immer öfter die Renditen vergällende Ernüchterung eines möglichen Totalverlustes des eingesetzten Kapitals: "Da könnte man genauso gut schreiben, dass Bewegung im Freien zum Unfalltod führen kann.“

Rasinger begrüßt den allgemeinen Sparwillen. "Überschüsse zu veranlagen, macht Sinn. Wir haben alle gerne einen Rückhalt. Wir geben, wenn möglich, weniger aus als wir einnehmen.“ Jedoch: Österreicher sind Aktienmuffel. Sie tragen ihr Geld lieber vertrauensvoll zur Bank, wie zu einer Blackbox. "Sparen darf nicht zum Selbstzweck werden. Alles auf die hohe Kante zu legen, kann für eine Gesellschaft nicht die Lösung sein“, mahnt Rasinger und bricht eine Lanze für die Direktbeteiligung an österreichischen Unternehmen. Das sei sinnvoll und schaffe Identifikation: "Unserem Land fehlt eine Aktionärskultur, die von einem selbstbewussten Bürgertum getragen wird. Es würde dem Land und seiner Wirtschaft gut tun, würden sich mehr Menschen zum Aktienkauf entschließen. Eine verlässliche Aktionärsschicht wirkt stabilisierend auf die Wirtschaft und bringt Kontinuität für Unternehmen und Märkte, derer sie dringend bedürfen. Noch gibt es keine entwickelte Beziehung der Österreicher zum Kapitalmarkt.“

Rasinger spricht den Mittelstand an und empfiehlt angehenden Aktionären, auf dem Sparbuch mindestens ein Jahreseinkommen zu belassen. Erst darüber hinaus mache es Sinn, sich mit Aktieninvestments zu beschäftigen.

"Wir sind ein kleines Land aber es gehört uns immer weniger. Historisch gesehen, hat eine Reichshälfte nach wie vor ein gestörtes Verhältnis zum Kapital, aber auch im bürgerlichen Lager ist das Verständnis für Investment nicht stark ausgeprägt.“

Wohin es führt, sich nur auf ausländische Investoren zu verlassen, zeigt die jüngste Vergangenheit. Die solventen Käufer kamen, als die Südosteuropa-Phantasie blühte, der selbstreferenzielle Börse- Hype die Kurse nach oben trieb und so manch Nase vergoldete. Als die Ernte eingefahren war und die Emerging Markets schwächer wurden, zog die Investoren-Karawane weiter, um eine andere Börse aus ihrem Dornröschenschlaf wach zu küssen. Derlei Kurzzeitblüten sind nicht nachhaltig.

Sparer delegieren Beteiligung

In Zeiten der Wirtschaftskrise wurde auch Aktionärs-Bashing populär. "Mich stört, wenn Politiker stolz darauf sind, keine Aktien zu besitzen. Ein Aktionär ist doch nicht automatisch ein Spekulant. Außerdem beteiligt sich die Bank mit dem Sparbucheinlagen ja auch an Unternehmen. Man delegiert das Aktionär-Sein nur an das Geldinstitut.“

Im Sinne einer Eigentümerethik sei jede Spareinlage ein bewusstes Investment in ein nicht näher definiertes Wirtschaftsvorhaben, wonach es durchaus schlüssig ist, von Sparern auch unternehmerisches Denken einzufordern, denn mit ihrem Kapital wird gewirtschaftet. Gerade sozialdemokratisch gedacht, wäre es plausibel, sich direkt zu beteiligen, ohne den Zwischenhandel zu finanzieren. Rasinger warnt allerdings davor, alles auf eine Karte zu setzen. "Wichtig ist es zu diversifizieren. Oft genügt es schon, zehn verschieden geartete Werte in seinem Portfolio zu haben.“

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