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Ohne Sorgen in den Lebensabend

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Ein sensationelles Urteil des Europäischen Gerichtshofes setzt einen Meilenstein bei der Handhabung von Betriebspensionen.

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Ein sensationelles Urteil des Europäischen Gerichtshofes setzt einen Meilenstein bei der Handhabung von Betriebspensionen.

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Bei den Diskussionen über einen Beitritt Österreichs zur EU wird hauptsäch-hch über Transit und Landwirtschaft gesprochen. In einem europäischen Wirtschaftsraum sind allerdings Fragen nach dem sozialen Standard, nach Versorgungsleistungen und nach Absicherung des gewohnten Lebensstils in der Zukunft zuihindest gleichbedeutend, wenn nicht noch wichtiger. Mit Verwirkh-chung des EWR-Vertrages steht es schon jetzt jedem Österreicher frei, ,in jedem Land der EU einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, ohne dabei administrative oder technische Nachteile erfahren zu müssen.

Der EWR-Vertrag sieht vor, daß Österreich bei der Altersvorsorge alle relevanten EG-Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen übernehmen muß. Das gilt sowohl für die gesetzliche Sozialversicherung als auch für Lebensversicherungen und Pensionskassen. Bei den gesetzlichen Sozialversicherungssystemen sieht es so aus, daß Arbeitnehmer für eine berufliche Tätigkeit in den EU-Ländern alle Zeiten angerechnet bekommen. Versorgungsleistungen müssen grenzüberschreitend gezahlt werden.

Die betriebliche Altersversorgung zeichnet sich durch ihren ausgesprochen nationalen Charakter aus. Betriebspensionen werden durch eine Vielzahl an staatlichen Regelungen sowie durch die sozialen und kulturellen Vorstellungen der jeweiligen Länder bestimmt. Die EU strebt auf diesem Gebiet keine Harmonisierung an. Es wird lediglich über die Frage diskutiert, ob zum Beispiel bei international tätigen Industriekonzernen die Uneinheitlichkeit der ergänzenden Altersvorsorge nicht ein Hindernis für die Mobilität der Arbeitnehmer darstellt.

Wesentlich weiter ist man in der Frage der Gleichbehandlung. Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 14. Dezember 1993 wurden die unterschiedh-che Regelungen für Mann und Frau hinsichtlich des Rentenanfallalters und der Höhe der Renten bei Betriebspensionen erneut für unzulässig erklärt. Diese Entscheidung ist durch den EWR nunmehr auch für Österreich zwingendes Recht. „Es verstößt gegen Artikel 119 EWG-Vertrag, wenn ein Dienstnehmer im Rahmen eines betrieblichen Versorgungssystems aufgrund der Festsetzung eines je nach Geschlecht unterschiedlichen Rentenanfallalters erst in höherem Alter oder in geringerem Umfange als eine Dienstnehmerin in gleicher Lage Anspruch auf eine Betriebsrente hat."

Die betrieblichen Pensionsleistungen müssen also hinsichthch des Anfallalters und der Höhe unbedingt identisch sein. Andernfalls können Angehörige des diskriminierten Geschlechts die günstigeren Bedingungen des anderen Geschlechts einklagen. Dies könnte die österreichische Wirtschaft und da vor allem die verstaatlichten Betriebe etwa drei bis fünf Milliarden Schilling kosten!

Unter dem Entgeltsbegriff des Artikel 19 EWG Vertrages fallen alle Leistungen nach dem Betriebspensionsgesetz (BPG). Die Leistungen und die Rentenanfallsalter müssen für Frauen und Maimer identisch gestaltet werden. Die Rentenanfallsalter nach ASVG dürfen damit nicht als Bezugszeitpunkte für die betrieblichen Pensionsleistungen herangezogen werden. Diese Grundsätze finden für Ansprüche nach dem BPG ab dem Inkrafttreten des EWR Vertrages Anwendung.

Zwar betrifft diese Entscheidung zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht den Regelungsbereich des ASVG. Um die Gleichbehandlung herzustellen, müssen die Anfallsalter für Frauen und Männer gleichgesetzt werden und der Ausschluß der Gleitpension in den betrieblichen Versorgungswerken wegen der gesetzlich vorgesehenen Koppelung der Anfallsalter mit dem Anfallsalter der ASVG vorgenommen werden.

Längst ist in Österreich wie in fast allen hochindustrialisierteri Ländern Europas die Altersvorsorge ins Gerede gekommen. Die im Umlageverfahren finanzierte AS>VG-Pension als staatlibhe Grundsicherung offenbart als Folge demographischer Trends, veränderten Erwerbsverhaltens und ökonomischer Krisen schwerwiegende Strukturmängel. Dies bedeutet für die Dienstnehmer, sich auf einen späteren Rentenbeginn bei sinkenden Renten und gleichzeitig steigenden Beträgen einzustellen.

Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Förderung der betrieblichen Altersvorsorge durch steuerlich verbesserte Rückstellungsmöghch-keiten für Firmenpensionen, das Pensionskassengesetz sowie das Betriebspensionsgesetz haben nicht die damit verbundenen Erwartungen erfüllt (siehe S. 12, Anm. d. Red.). Die Ausdehnung der betrieblichen Altersvorsorge ist weitgehend ausgeblieben. Vorhandene Systeme werden aufgrund betriebswirtschaftlicher Erfordernisse konsolidiert oder abgespeckt. Dazu kommt, daß die im Rahmen der Sonderausgaben steuerlich begünstigte Eigenvorsorge begrenzt ist. Sie reicht bei weitem nicht aus, entstehende Lücken auszugleichen.

Modelle der unternehmensgestützten Eigenvorsorge, die sich in anderen europäischen Ländern bewährt haben, bieten sich als Lösung an: Die Umwandlung bisher bar geleisteten Arbeitsentgelts in Alterversorgungsansprüche in Form zusätzlicher Pensionskassenbeiträge oder die Einräumung wertgleicher Ansprüche auf Firmenpensionen. Dieser Ansatz ermöglicht, das wachsende Bedürfnis der Dienstnehmer nach kompensatorischen Vorsorgemaßnahmen mit der angespannten Ko-stenstituation der Unternehmen zu verbinden.

Der Autor ist

Geschäftsführer der IPC International Pension Consultants GmbH, Wien.

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