Osteuropa: Bumerang eines Hoffnungsmarktes

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Während die Strategiepapiere der Banken eine Wiederbelebung des ehemals boomenden Marktes in den Staaten Zentral- und Osteuropas bejubeln, zeigen Wirtschaftsdaten eine Fortsetzung der tiefen Krise.

Die Wirtschaftswelt wird gleich um vieles schöner, lässt man beispielsweise die Prognosen für Osteuropa von einer Bank erstellen, die eben dort gute Geschäfte machen will. „Osteuropäische Staaten mit besseren Chancen, den Weg aus der Krise zu finden“, lockt da die Erste Bank. „Wieder unter Dampf“, ist der kraftstrotzende Titel eines Strategiepapiers von Raiffeisen International. Und eifrig ergänzt die Bank Austria/UniCredit: „Wachstumsprognose nach oben korrigiert“. Geht man also nach solchen Ankündigungen, werden den österreichischen Banken von Prag ostwärts wieder Milch und Honig fließen, marktwirtschaftlich übersetzt also Geld und Kundschaft. Und wird das auch so sein?

Schon ein eingehender Blick in die Bank-Analysen selbst lässt die hochtrabenden Titel vergessen. BIP-Rückgänge von bis zu minus 20 Prozent werden da beklagt, von mit Mühe, Not und Milliardenspritzen von EU und Währungsfonds abgewendeten Staatsbankrotten ist die Rede, von steigender Inflation und Arbeitslosigkeit sowie sinkender Konsumnachfrage und geringerem Vertrauen ist da die Rede – und das bei bescheidensten Wachstumsprognosen von zumeist null bis ein Prozent. Osteuropas Regierungen – und damit auch Österreichs Banken – werden sich in ihrer ehemals zentralen Gewinnregion auf schwere Jahre einstellen müssen. So sehen das zumindest österreichische und deutsche Ökonomen.

Massive Verschlechterung

Michael Knogler vom Osteuropa-Institut der Universität Regensburg meint: „Die soziale Lage hat sich massiv verschlechtert. Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen. Teilweise setzt sich der Einbruch fort.“

Abzulesen sind diese Entwicklungen unter anderem an den Daten der europäischen Statistikbehörde „Eurostat“: So verzeichnete Lettland im letzten Quartal 2009 einen Konsumrückgang von neun Prozent, Estland und Ungarn von drei Prozent. Die Arbeitslosigkeit lag mit wenigen Ausnahmen jenseits der zehn Prozent (Lettland 19,9). Der Wirtschaftseinbruch traf das BIP der zwölf neuen EU-Staaten mit bis zu minus 18 Prozent (Litauen) viel härter als Westeuropa. Osteuropa-Wirtschaftsexperte Knogler begründet: „Das rasche Wachstum in diesen Staaten nach 1989 war alles andere als nachhaltig. Man baute auf Exportwirtschaft, die mit ausländischem Kapital finanziert wurde.“ Mit der Krise fiel der Kapitalimport aus und wich einer tiefen Rezession. Während die westeuropäischen Regierungen mit massiven Kapitalspritzen gegensteuern konnten, fehlen diese Mittel in den meisten osteuropäischen Staaten (Ausnahmen: Tschechien, Slowenien, Slowakei).

Die Krise hatte drastische Folgen für die Privathaushalte: Denn den Weg zum westlichen Reichtum hatten viele Arbeitnehmer bekanntlich mit der Aufnahme von Krediten abkürzen wollen – sehr zur Freude der österreichischen Geldinstitute. Die Unicredit errechnete, dass ein Viertel der Haushalte Zentral- und Osteuropas mit über 30 Prozent ihres Gesamteinkommens bei Banken verschuldet sind. Das Kreditvolumen der österreichischen Banken wird mit zwei Drittel des österreichischen Bruttoinlandsproduktes veranschlagt – 200 Milliarden Euro.

Bumerang-Strategie

Dabei wollten die Banken das Risiko einer Abwertung der Landeswährung vor allem durch Fremdwährungskredite ausschalten. Milliarden wurden in „harten“ Schweizer Franken und Euro gegeben. „Diese vorgebliche „Sicherheit“ wandelte sich in der Krise jedoch in einen Boomerang“, sagt Fritz Breuss vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. Denn die Währungen, vom polnischen Zloty (minus 18 prozent) bis zum ungarischen Forint (minus acht Prozent), werteten massiv ab. Die Löhne der Kreditnehmer reichten nun nicht mehr zur Deckung der Ratenzahlungen. Kreditraten wurden unfinanzierbar. Da es sich aber bei den Privatkrediten vielfach um Konsumgüterdarlehen für Autos, Kleidung und Reisen handelte, stehen nun die Banken vielfach ohne ausreichende Sicherheit da.

Für die Banken hatte und hat das massiven Bedarf an Kapital zur Folge, um sich gegen noch zu erwartende Kreditausfälle abzusichern. „Niemand kann derzeit abschätzen, wie hoch das Ausfallsrisiko ist“, sagt Wifo-Ökonom Fritz Breuss. Der „Hoffnungsmarkt“ Osteuropa, an dem sich Österreichs Institute jahrelang eine „goldene Nase verdient haben“ (Breuss), bleibt damit auch in den kommenden beiden Jahren eine Stätte hoher Gefahren und Risiken. Die deutsche Commerzbank kann ihren Kollegen in Wien als warnendes Beispiel gelten. Sie musste für ihr Ost-Engagement zuletzt einen Verlust von einer Mrd. Euro hinnehmen. Im Geschäftsbericht heißt es, man rechne mit “weiteren Kreditausfällen“.

Experten internationaler Organisationen fürchten nun, die wirtschaftliche Unsicherheit könne sich auf die politische Stabilität einiger Nationen auswirken. Nach einer Umfrage der Weltbank ist die politische Stabilität der Region seit dem Beitritt zur EU stark gesunken. Auch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) konstatiert in einer Studie eine „steigende Unzufriedenheit der Bevölkerung“ in den neuen Mitgliedstaaten. Herbert Stepic, bislang stolzer Chef des nunmehrigen RZB-Fusionskandidaten Raiffeisen International, setzt solchen Sorgen einen Optimismus entgegen, der wie ein Stoßseufzer der Hoffnung klingt: „Eines ist sicher. Die Sonne wird weiterhin im Osten aufgehen.“

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