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Osthandel und Messen

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Über die Notwendigkeit oder Nützlichkeit des sogenannten Osthandels, so des Handels mit den osteuropäischen, wirtschaftlich zentral gelenkten Ländern, ist in letzter Zeit viel geschrieben worden. Es herrscht in Westeuropa mit Recht die Ansicht vor, daß die osteuropäischen Gebiete infolge ihrer Entwicklungstendenzen aufnahmefähige Märkte darstellen und der Osthandel in der Lage sei, gewisse Schwierigkeiten, die neben den Vorteilen der wirtschaftlichen Blockbildung fallweise auftreten, überwinden zu helfen. Für Österreich trifft dies besonders zu. Als neutrales Land ist Österreich bemüht, seinen Außenhandel weltweit zu streuen und möglichst nicht durch besondere Bindungen an einzelne Wirtschaftsblöcke in irgendeine Abhängigkeit zu geraten.

Diese Bemühungen Österreichs bewirken ein fortlaufendes Ansteigen seines Außenhandelsvolumens. Auch der Umfang des österreichischen Osthandels ist seit dem letzten Weltkrieg konstant im Wachsen, hält sich jedoch zum Gesamtvolumen in einem bestimmten Größenverhältnis, das sich in den letzten Jahren zwar nicht bedeutend, aber doch mit leicht steigender Tendenz zugunsten des Osthandels verschoben hat. Diese Entwicklung scheint richtig zu sein. Es bedarf jedoch auch auf den Ostmärkten erheblicher Anstrengungen der österreichischen Wirtschaft, um diesen Anteil aufrechtzuerhalten.

In der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg gestaltete sich der Osthandel verhältnismäßig einfach: Die osteuropäischen Staaten waren im allgemeinen traditionsgemäß Lieferanten von Agrarprodukten, Lebensmitteln und Rohstoffen. Sie bildeten gleichzeitig einen idealen Absatzmarkt für Industrieerzeugnisse aller Art. Seit dem Krieg ist hier ein grundlegender Wandel eingetreten. Alle diese Länder sind — wohl in erster Linie aus ideologischen Gründen — bemüht, oft zu Lasten der Landwirtschaft, ihre Industrie auf allen Gebieten auszubauen. Dies hat, wie die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, zur Folge, daß die osteuropäischen Länder in steigendem Umfang industrielle Produkte anbieten, die natürlich mangels entsprechender Erfahrung auf diesem Gebiet der scharfen Konkurrenz des Westens oft nicht gewachsen sind. Damit diese Erzeugnisse trotzdem absetzbar sind, müssen sie preislich entsprechend niedrig gehalten werden. Dies ruft wiederum Dumping- und Niedrigpreisvorwürfe der westlichen Produzenten hervor. Anderseits waren diese früheren europäischen Hauptlieferanten von Lebensmitteln in den letzten Jahren schon des öfteren gezwungen, zur Versorgung der Bevölkerung Agrarprodukte aus den westlichen Ländern zu importieren.

Seit einiger Zeit sind in den osteuropäischen Ländern gewisse Tendenzen erkennbar, das bisherige starre und schwer bewegliche System der Produktion und auch des Außenhandels aufzulockern. Dies führt allmählich dazu, daß außer Investitions- und Anlagegütem auch Konsumgüter in größerem Ausmaß gekauft werden. Natürlich bemühen sich die osteuropäischen Staaten weiterhin, auf diesem Gebiete stark zu werden. Sie sind deshalb gezwungen, ihre Erzeugung durch Kooperationsverträge mit westlichen Firmen zu verbessern. Daraus ergeben sich Kontakte, die für den Westen außerordentlich interessant sind.

Österreich hat auch auf den osteuropäischen Märkten gegen eine starke internationale Konkurrenz zu kämpfen. Der Kampf spielt sich bei Anlagegütern vor allem auf dem Kreditsektor ab. Trotz gewissen Handikaps auf diesem Gebiet hat Österreich schöne Erfolge erzielt, die zum Teil zweifellos auf die in die Vorkriegszeit zurückreichenden guten nachbarlichen Beziehungen zurückzuführen sind. Aber auch die Qualität der österreichischen Lieferungen erfreut sich eines guten Rufes. Weiter dürften die bilateralen Handels- und Zahlungsabkommen nicht unwesentlich dazu beitragen, daß österreichischen Angeboten in vielen Fällen der Vorzug gegeben wird, wenn auch die Kredit- und Zahlungsbedingungen meistens ungünstiger sind als die der Konkurrenten. Nicht zuletzt aber ist es die Werbung, die österreichischen Waren auf den Ostmärkten Eingang verschafft hat.

Die Werbemöglichkeiten in den osteuropäischen Ländern sind begrenzt und in den einzelnen Staaten verschieden. Die Werbung in Zeitung, Kino, Rundfunk und Fernsehen, die fallweise möglich ist, spielt eher eine untergeordnete Rolle. Das wirksamste Werbemittel in den Oststaaten ist — neben den persönlichen Kontakten — wohl die Beteiligung an Ausstellungen und Messen. Die österreichische Wirtschaft hat dies schon vor längerer Zeit richtig erkannt und sich an allen größeren Messeveranstaltungen in dein Oststaaten intensiv beteiligt. Es wurden bei ständig wiederkehrenden internationalen Veranstaltungen eigene österreichische Pavillons gebaut, wo dies nicht möglich war, wurden Gruppenausstellungen veranstaltet oder zumindest Informationsstände errichtet. Aber auch als Einzelaussteller waren die österreichischen Firmen um Kunden bemüht. Darüber ‘hinaus wurden in Ländern, in denen keine internationalen Messeveranstaltungen stattfinden, rein österreichische Ausstellungen organisiert, Vortragsreihen veranstaltet, Maschinen und Geräte demonstriert. Auf den osteuropäischen Märkten war dies vielfach das einzige Mittel, um an die Letztverbraucher heranzukommen und den Kunden zu beeinflussen, gerade die österreichische Ware über seine Außenhandelsorganisation importieren zu lassen.

Aber nicht nur Messeveranstaltungen ln den Oststaaten stellenein wirksames Werbemittel dar, auch die in Österreich veranstalteten Messen sind besonders geeignet, den bilateralen Handel zu fördern. Unter diesen Veranstaltungen nimmt die Wiener Messe eine Sonderstellung ein; sie wird auf Grund ihrer geographischen Lage und ihrer Tradition nicht mit Unrecht als „Schaufenster nach dem Osten” bezeichnet. Erfahrungsgemäß werden die Wiener Messeveranstaltungen von zahlreichen offiziellen Delegationen, aber auch von inoffiziellen Besuchern aus den osteuropäischen Staaten, die letztlich die Endabnehmer sind, besonders frequentiert. Es bietet sich hier den östlichen Interessenten eine Vergleichsmöglichkeit zwischen den Erzeugnissen der meisten westHchen Länder. Umgekehrt ist die Wiener Messe aber schon seit längerer Zeit auch ein „Schaufenster des Ostens nach dem Westen”. Beinahe alle osteuropäischen Staaten stellen zumindest auf einer der Wiener Messeveranstaltungen in Form eines eigenen Pavillons oder einer Gruppenschau ihre Erzeugnisse aus. Auch diese Werbung für die Produkte unserer östlichen Nachbarn trägt dazu bei, den Anteil des Osthandels am Gesamtaußenhandel Österreichs nicht absinken zu lassen, denn nach den Aussprüchen und Ansichten mehrerer namhafter Politiker und Fachleute ist der „Außenhandel keine Einbahn”, und das bilaterale Denken hat sich auch dort behauptet, wo die Beziehungen teilweise die Grenzen des Bilateralismus schon überschreiten. Schließlich bieten sich gerade die Wiener Messen den Wirtschaftstreibenden aus den anderen Weststaaten als Treffpunkt mit ihren osteuropäischen Handelspartnern an.

Die österreichischen Verhandlungen mit der EWG zur Beseitigung der immer empfindlicher fühlbar werdenden Exportschwierigkeiten nach unseren wichtigsten Abnehmerländern gestalten sich nicht leicht und werden sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Diese Tatsache rechtfertigt eine erhöhte Aktivität auf den osteuropäischen Märkten. Es wird zweifellos nicht möglich sein, die infolge der Schwierigkeiten mit den EWG-Ländem drohenden Exportverluste durch erhöhte Ostexporte zu kompensieren, doch sollte auf jeden Fall wenigstens die derzeitige leicht steigende Tendenz unseres Osthandels beibehalten werden. Zur Erreichung dieses Zieles müssen alle Mittel ergriffen werden, die uns zur Verfügung stehen.

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