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Paare mit Kindern sind heute die wirklich Dummen

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Wenn das alles kommt, dann heißt es für die Familien: Bitte anschnallen!" Fassungslos klingt der Kommentar aus dem katholischen Familienverband, nachdem er jüngste Sparpläne der voraussichtlichen Regierang aus den Medien erfahren hat: „Da war ja das erste Sparpaket nichts dagegen." Im Familienverband weiß man, wovon man spricht. Eine Studie des Katholischen Familienverbandes hatte ergeben, daß die Kürzungen 1995 manche Familien bis zu 19.000 Schilling jährlich kosteten. Vielleicht war das aber erst der Vorgeschmack. Der Grand: Die künftige Regierang könnte das halten, was vor den Wahlen nur das Liberale Forum „versprochen" hat: nämlich ein radikales Kürzen an Familienleistungen, das einzig vor den Allerärmsten haltmachen soll.

„Soziale Staffelung" heißt die Zauberformel, mit der die Ausgaben für die Familien- und Geburtenbeihilfen deutlich reduziert werden sollen. Der Gedanke klingt in der Tat verlockend: Sozial Bedürftige sollen künftig vom Staat mehr bekommen als Besserverdiener. Der erste Haken dabei: Die rund 100.000 Familien, die laut Statistik in Österreich unter der Armutsgrenze leben, werden - falls die Pläne Wirklichkeit werden - keinen Groschen mehr als bisher sehen. Denn die Einsparungen bei den „Reichen" sollen direkt in die Staatskassa fließen, für die Armen bleibt alles wie zuvor. Sie werden sich damit trösten dürfen, daß es auch anderen künftig ähnlich schlecht gehen wird.

Die gestaffelte Rücknahme der Familien- und Geburtenbeihilfen würde aber nicht nur die Armen im Regen stehen lassen. Sie wäre auch die radikale Abkehr von allen bisherigen Grundsätzen der Familienpolitik: Die Familienbeihilfe braucht gar nicht „umverteilt" zu werden, denn sie ist bereits eine Umverteilung - und zwar von den Kinderlosen hin zu den Familien. Dieser Grundsatz ist im „Familienlastenausgleichsgesetz" verankert und liest sich so: „Es ist heute offenkundig, daß alle - auch die Kinderlosen - auf Nachwuchs angewiesen sind. Der Ausgleich der finanziellen Mehrbelastung, die die Ernährung, Bekleidung, häusliche Unterbringung und Erziehung der Kinder verursacht, ist daher nicht nur eine Forderung der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch eine gesellschaftliche Existenznotwendigkeit." Und weiter heißt es: „Der Ausgleich der Familienlasten hat zwischen denjenigen zu erfolgen, die die Lasten im Interesse der gesamten Gesellschaft tragen und jenen, die solche Lasten nicht zu tragen haben, jedoch bewußt oder unbewußt daraus Nutzen ziehen, daß es andere für sie tun."

Im Klartext heißt diese Botschaft: Kinder sind kein „Privat-Hobby" ihrer Eltern, sondern sie werden von allen gebraucht. Denn nur die Kinder von heute können den Wohlstand von morgen sichern und der heutigen Erwerbsgeneration einen geruhsamen Lebensabend bescheren. Daher - so die Idee - sollten die Kinder-Kosten auf alle Bürger gerecht verteilt werden. Eltern mit Kindern dürfen im Vergleich zu Kinderlosen nicht die „Dummen" sein.

Wie richtig dieser Grundsatz ist, zeigen die Fakten: Bereits mit einem Kind geben Eltern - laut Österreichischem Statistischen Zentralamt - bis zu einem Drittel ihrer Haushaltsausgaben für den Nachwuchs aus. Bei drei Kindern geht für die Kinder-Kosten bereits die Hälfte aller Ausgaben auf. Kinderlose sind da fein raus: Ihnen bleibt viel mehr Geld - und im Alter bezahlen ihnen ohnedies die Kinder der anderen die Pension.

Diesem „Lastenausgleich" diente stets auch die Geburtenbeihilfe, die -ebenso wie die Familienbeihilfe - aus einem zweckgebundenen Geldtopf, dem „Familienlastenausgleichs-fonds" (FLAF) bezahlt wird. Der Zuschuß nach einer Geburt galt nie als „Almosen" oder gar als eine „Prämie". Er ist vielmehr eine „Aufwands-Entschädigung" - für zusätzliche Kosten, die durch die Geburt eines Kindes anfallen. Denn während andere Österreicher ihr Geld in eine Fernreise stecken, investieren die Eltern eines Neugeborenen in Babyklei-dung, Gitterbett, Kinderzimmer-Möbel und noch vieles mehr. All diese Investitionen für Kinder kommen letztlich der Allgemeinheit zugute. Weil es die Kinder von heute sind, die in 20 bis 30 Jahren der Elterngeneration -auch den Kinderlosen - ihre Pensionen zahlen werden.

Wer daher bei Familien- und Geburtenbeihilfen das „Gießkannenprinzip" beklagt, hat den Sinn und Zweck von Familienpolitik nicht verstanden. Der Vorwurf der „Gießkanne" wäre berechtigt, wenn alle - auch Kinderlose — diese Leistungen in Anspruch nehmen könnten. Tatsächlich werden sie aber allein an Familien mit Kindern ausbezahlt - weil diese finanzielle Lasten zu tragen haben, die andere sich ersparen. Familienpolitik kommt daher - trotz jüngster Versuche, das Gegenteil zu beweisen - weder den „Reichen" noch den „Armen" zugute, sondern schlicht und einfach „den Familien". Daß es auch einen solidarischen „Ausgleich" zwischen „reich" und „arm" geben muß, steht außer Zweifel. Diese Umverteilung muß aber über die Lohn- und Steuerpolitik erfolgen. Die Familien-und Geburtenbeihilfe sind dafür die falschen Instramente. Weil sie nur eine ganz bestimmte Gruppe - nämlich Eltern mit Kindern - erfassen. Die kinderlosen „Reichen" erreicht man damit nicht. Die geplanten „Sozialstaffeln" hätten nur eines zur Folge: Ausgerechnet Eltern mit Kindern müssen den Gürtel enger schnallen, alle anderen aber nicht.

Der Autor,

Redakteur der Nachrichtenagentur kathpress, ist Schulexperte des katholischen Familienverbandes.

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